Görlachs Gedanken

Die große Koalition ist schlecht für Deutschland

Union und SPD sind zerstritten: Ob Flüchtlingskrise, TTIP oder Euro-Politik – CDU, CSU und SPD finden keinen gemeinsamen Nenner. Die Deutschen sollten ihre Liebe zur großen Koalition vergessen – zum Wohl aller.

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Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) in Meseberg (Brandenburg) zum Abschluss der zweitägigen Kabinettsklausur. Quelle: dpa

Von Die große Koalition wurde einst gepriesen als das Modell, wenn ein Land zusammenstehen muss. Wenn es Aufgaben gibt, die einer nationalen Anstrengung bedürfen. Im Jahr 2005, als Angela Merkel Kanzlerin wurde und die erste Formation dieser Art mit den Sozialdemokraten schmiedete, gab es dieses große Projekt nicht. Doch dann zog die Finanzkrise auf, Merkel und ihr Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) bildeten das ideale Krisenduo.

Seitdem gilt die große Koalition bei den Deutschen als perfekte Koalition für Krisenzeiten. Die schwarz-gelbe Koalition, die zwischen 2009 und 2013 regierte, wirkte beinahe wie eine Art Betriebsunfall. Als vor 2,5 Jahren erneut die große Koalition die Amtsgeschäfte übernahm, schien die Botschaft klar: Deutschland ist nun offiziell qua Regierung eine Konsensdemokratie.

Dabei hätte die Union auch mit den Grünen reagieren können, wollten beide Seiten aber nicht. Die Bundeskanzlerin führte lieber eine übermächtige Regierung zusammen, deren Macht im Bundestag viel zu groß war, als dass ein parlamentarisches Ringen mit der Opposition möglich gewesen wäre. Mehr noch: erst nach langem hin und her ließen sich die Großkoalitionäre dazu überreden, der verschwindend kleinen Gruppe aus Grünen und Linken mehr Möglichkeiten einzuräumen, ihrer Arbeit nach zu kommen.

von Gregor Peter Schmitz, Max Haerder, Christian Ramthun, Christian Schlesiger, Cordula Tutt

Nun ist der großen Koalition mit der Flüchtlingskrise ein wahrlich und ausreichend wichtiges Thema zugefallen. Aber: die Union ist sich nicht einig, wie man an die Sache herangeht. Die Sozialdemokraten haben ihren eigenen Zugang. In den wichtigen Monaten ab September 2015, als der Flüchtlingszustrom wesentlich zunahm, hat die Regierung es nicht geschafft, das Land zu einen. Das Resultat: In den Umfragen steht die große Koalition noch bei rund 50 Prozent, in manchen liegt sie bereits unter diesem Wert.

Es reicht eben nicht aus, zweimal in einer Talkshow aufzutauchen und dann zu meinen, dass die Deutschen schon verstehen, worum es ihrer Kanzlerin geht. Das ist nicht der einzige, aber doch einer der Gründe, warum die andere Seite, die AfD und Pegida, so laut und vor allem auf allen medialen Kanälen so laut schreien konnte.

Alexander Görlach ist Affiliate der Harvard University. Quelle: Lars Mensel / The European

Auf vielen weiteren Politikfeldern sind die beiden Regierungsparteien zerstritten: das Freihandelsabkommen mit den USA, ein Schuldenschnitt für Griechenland, um nur zwei Beispiele zu nennen wo man innerhalb der Regierung uneins ist. Wer argumentiert, dass es doch hier genug Debatte und eben keinen großkoalitionären Einheitsbrei gäbe, hat elementares nicht verstanden. Die Regierung ist zum Regieren da, und nicht, um sich gegenseitig zu blockieren und Themen, die man unter anderem in der Koalitionsvereinbarung verabredet hat, immer wieder hoch zu holen.

Das ist ein Patt innerhalb der Regierung und das darf nicht sein. Wie ein Patt aussieht, eine politische Blockade, konnte man in den USA in den vergangenen Jahren immer wieder sehen, man sieht es über dem Brexit-Referendum in England, man hat es bei der Präsidentenwahl in unserem Nachbarland Österreich gesehen: Durch viele Gesellschaften des Westens geht ein trennender Spalt. In Deutschland wird dieser Bruch dadurch kaschiert, dass der Bruch durch die Regierung und somit durch eine Entität geht, der man von außen automatisch Einigkeit zu unterstellen geneigt ist.

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