Heil will Erhöhung noch 2022 12 Euro: Die Kritik an den Mindestlohn-Plänen wird lauter

Die Kritik an den Plänen zu einem 12-Euro-Mindestlohn wächst. Quelle: imago images

„In den nächsten Wochen“ will Bundesarbeitsminister Hubertus Heil einen Gesetzentwurf vorlegen, um den gesetzlichen Mindestlohn schon 2022 auf zwölf Euro anzuheben. Kritik an dem Beschluss wird lauter: Er gefährde die Tarifautonomie.

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Zwölf Euro Mindestlohn? Was das für sein Gewerbe bedeute, sei eindeutig, sagt Jan Kepper, Vorsitzender des Landesverbands Sächsischer Taxi- und Mietwagenunternehmen. In seinem Betrieb in Dresden hält er knapp 20 Taxis vor und beschäftigt gut eine Handvoll mehr feste Mitarbeiter, vor Beginn der Coronapandemie waren es noch 30 Festangestellte. Keppers Fahrer erhalten als Grundvergütung den gesetzlichen Mindestlohn, der am 1. Januar auf 9,82 Euro pro Stunde gestiegen ist.

Über eine Leistungskomponente sind sie außerdem am Umsatz beteiligt, den sie mit ihren Fahrten generieren. Gute Leute verdienten heute bereits mehr als zwölf Euro Stundenlohn, manche bis zu 16 Euro, sagt Kepper. „Aber künftig müsste ich auch die Mitarbeiter mit zwölf Euro entlohnen, die diese Summe nicht erwirtschaften können.“

Die Folgen sind für Kepper klar: Sein Personal müsse er dann reduzieren, und zwar um 40 Prozent. Den Zwei-Schicht-Betrieb, der schon mit dem derzeitigen Mindestlohn schwer aufrecht zu erhalten sei, müsse er wohl aufgeben. Und Kunden müssten statt etwa fünf Minuten dann eher zehn bis zwölf Minuten warten, bis ein Taxi bei ihnen ist.

Die Zahl der Geringverdiener in Deutschland ist deutlich gesunken, gerade im Osten. Allerdings gibt es je nach Region, Job und Geschlecht große Unterschiede.

So kann das klingen, wenn Politik auf Wirklichkeit trifft. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) hat jüngst angekündigt, „in Kürze“ einen Gesetzentwurf vorzulegen, um den gesetzlichen Mindestlohn schon in diesem Jahr auf zwölf Euro anzuheben – ein zentrales Wahlkampfversprechen seiner Partei und des Neu-Kanzlers Olaf Scholz. Am Wochenende nun konkretisierte er dieses Vorhaben. Für die versprochene Erhöhung des Mindestlohns werde er „in den nächsten Wochen“ einen Gesetzentwurf vorlegen, kündigte der SPD-Politiker gegenüber der Deutschen Presse-Agentur an. „Olaf Scholz hat als Kanzlerkandidat gesagt, dass wir den Mindestlohn innerhalb eines Jahres auf 12 Euro erhöhen. Und wir werden ihn 2022 erhöhen, weil es notwendig ist“, sagte Heil . „Die Erhöhung auf 12 Euro wird und muss kommen. Das ist eine Frage der Leistungsgerechtigkeit und des Respekts vor ordentlicher Arbeit.“

Die Kritik am Beschluss der Bundesregierung, den Mindestlohn an der – eigentlich für dessen Anpassung zuständigen – Mindestlohnkommission vorbei zu erhöhen, wird allerdings immer lauter. Eine politische Lohnuntergrenze beeinträchtige die Tarifautonomie, sagt der Direktor des Instituts für Arbeitsrecht der Universität Bonn, Gregor Thüsing: „Die Mindestlohnkommission zu umgehen, an der die Tarifpartner beteiligt sind, ist ein Sündenfall.“

Aus gutem Grund entschieden in den großen Nachbarländern Deutschlands unabhängige Kommissionen, ob und wie die Lohnuntergrenze anzupassen sei. Tarifverträge und Mindestlohn stünden ohnehin in einem Spannungsverhältnis zueinander, sagt Thüsing, da unter der Lohnuntergrenze liegende Tarifverträge auf einmal unwirksam würden. „Diese Konfliktsituation wird vergrößert“, warnt er.

SPD und Grüne wollen den Mindestlohn auf 12 Euro anheben. Das würde zahlreiche Tarifverträge überflüssig machen und den Druck vergrößern, alle Löhne anzupassen – etwa in der Zeitarbeit.
von Sophie Crocoll

Ähnliche Bedenken hat Gitta Connemann (CDU), die Vorsitzende der Mittelstands- und Wirtschaftsunion – und fürchtet „unfaire Unter- und marktferne Überbietungswettbewerbe“. Sollte die Mindestlohnkommission eine Erhöhung auf zwölf Euro für angemessen halten, müsse dies so umgesetzt werden. „Aber hier soll die Kommission ausgebootet werden“, kritisiert Connemann. Eine politische Lohnuntergrenze müsse scheitern, warnt sie: „Entweder der Mindestlohn ist zu niedrig oder zu hoch.“

Connemanns Stellvertreterin Jana Schimke (CDU) unterstützt daher das Ansinnen der Arbeitgeber, womöglich gegen die Erhöhung zu klagen. „Die Tarifautonomie ist verfassungsrechtlich geschützt“, hatte deren Präsident Rainer Dulger kürzlich gesagt. Den von der Regierung gewählten Weg, den Mindestlohn per politischer Setzung zu erhöhen, halte er für eine grobe Verletzung der Tarifautonomie.

Doch es gibt auch ganz praktische Vorbehalte gegen eine Lohnuntergrenze von zwölf Euro. Was er derzeit aus dem Handwerk höre, sei zwar, dass viele Betriebe diese Erhöhung mit etwas Anstrengung noch umsetzen könnten, sagt Carsten Körber, neuer Vorsitzender der CDU-Landesgruppe Sachsen im Bundestag. Das Problem sei aber, dass – schon aus Gründen des Betriebsklimas – auch alle höheren Gehaltsgruppen angepasst werden müssten. „Wer früher zwölf Euro verdient hat, muss dann natürlich mehr erhalten als den Mindestlohn. Dieser Hebel wird zu einem erheblichen Kostenfaktor für die Handwerker, Betriebe und Mittelständler im Osten.“



Auch Taxiunternehmer Jan Kepper will nicht falsch verstanden werden. Mitarbeiter sollten gut entlohnt werden, das sei klar. Und natürlich wisse er: Zahle er zu wenig, wechselten die guten Fahrer schnell zur Konkurrenz. „Aber ich würde mir wünschen, dass man Unternehmer Unternehmer sein lässt“, sagt er. Und zwar auch, was den Lohn angeht.

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