Hubertus Heil und der drohende Abschwung Auf schmalem Grat

Hubertus Heil könnte der erste Arbeitsminister seit langem sein, der eine Konjunkturkrise meistern muss. Quelle: REUTERS

Hubertus Heil könnte der erste Arbeitsminister seit langem sein, der eine Konjunkturkrise meistern muss. Darauf will er vorbereitet sein. Doch wie gelingt das, ohne den Abschwung herbeizureden?

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An diesem Dienstagmorgen Mitte August wandelt Hubertus Heil durch eine, man muss es so sagen, ziemlich heile Welt: Die Montagebänder laufen makellos, die Mitarbeiter bringen sich mit Vorschlägen ein. Virtual-Reality-Brillen sind im Einsatz, autonom fahrende Transporter karren Bauteile durch die Halle. Roboter führen ihr stummes Ballett auf und überall ist der Stolz zu spüren, hier arbeiten zu dürfen. Selbst bei der Auftragslage, erfährt der Arbeitsminister, gäbe es keinen Grund zur Klage. Jedenfalls noch nicht.

Der SPD-Minister ist zu Gast im Mercedes-Werk im rheinland-pfälzischen Wörth. Hunderte Lkw rollen hier jeden Tag vom Band, produziert und individuell angepasst von mehr als 10.000 Mitarbeitern. Mercedes ist der zweitgrößte Arbeitgeber im Bundesland, nach BASF.

Heil erfährt bei seinem Rundgang durch die Produktionshallen, wie die Digitalisierung längst Einzug gehalten hat in den Produktionsprozess. Statt Papier und Stempel werden die Tätigkeiten mit kleinen Tablets organisiert, neue Arbeitsschritte per Videoanleitung trainiert und in andere Werke weltweit geschickt. Neue Azubis lernen hier bereits das Wichtigste zum sicheren Umgang mit Elektroautos.

Man könnte meinen, dass das, was Heil nur wenige Stunden zuvor präsentiert hat – ein Gesetzespaket gegen den drohenden Abschwung und zur Vorbeugung von Massen-Entlassungen – doch gar nicht nötig ist. Wäre denn die ganze deutsche Arbeitswelt so agil und zukunftszugewandt wie sie dem Gast aus Berlin in Wörth mit viel Eifer präsentiert wird.

Doch Heil weiß, dass dies nur ein Ausschnitt ist. Er will vorbereitet sein, wenn es anders kommt. Der vorerst letzte Arbeitsminister, der einen heftigen Konjunktureinbruch meistern musste, war noch Olaf Scholz. Zehn Jahre ist das mittlerweile her. Heil ahnt, dass er der nächste sein könnte. Wenn eine Dekade des Wachstums endgültig zu Ende ginge. Wenn Schluss wäre mit freudigen Rekordmeldungen vom Arbeitsmarkt. Heil möchte sich nicht dem Vorwurf aussetzen, nichts oder zu wenig getan zu haben.

Politik lernt nur in der Krise, pflegte Wolfgang Schäuble zu sagen. Ein Politiker wird man erst in Krisen, könnte man hinzufügen.

„Wir wollen im Fall der Fälle alle Möglichkeiten haben“, sagt der amtierende Arbeitsminister. „Ohne die Krise damit herbeizureden.“ Deshalb nun der Vorstoß.

„Arbeit-von-morgen-Gesetz“ haben sie das Vorhaben im Ministerium betitelt. Im Kern geht es darum, bestehende Arbeitsmarkt-Instrumente wie die bewährte Kurzarbeit jederzeit ausweiten zu können. Und bestenfalls durch die Kombination mit mehr Weiterbildungsförderung aus einem Abschwung sogar noch eine Chance zu machen. Arbeitnehmer könnten während der Kurzarbeit Neues lernen, sich weiter qualifizieren, um auf der Höhe der Zeit zu bleiben. Das ist die Hoffnung.

Heils Glück: Die dafür nötigen Rücklagen sind vorhanden, mehr als 20 Milliarden Euro liegen in der Reserve der Bundesagentur für Arbeit. Dem Jobwunder der vergangenen Jahre sei Dank.

Das Gerede vom neuerlichen kranken Mann Europas – Heil empfindet das zwar als unangebrachten, fahrlässigen Quatsch.

Und doch sieht er natürlich die Signale: Der Fachkräftemangel drückt das Wachstum, es wird zu wenig investiert im Land. Viele Branchen schwächeln, exportieren weniger. Dazu Trump, der Brexit, China. Das alles hätte das Potenzial für einen perfekten Sturm. Hätte.

Heil hat bisher im Kabinett einen sehr soliden Job gemacht. Hat sich im eigenen Lager profiliert, einige Gesetze durchgebracht, ohne die Wirtschaft allzu sehr zu verprellen. Doch die Bewährungsproben warten noch auf ihn: Ein kluger Kompromiss bei der Grundrente etwa steht aus, der Bedürftigen zielgenau hilft – ohne bei den Kosten auszuufern. Oder eben eine kluge, ausbalancierte Krisenvorsorge, die nicht das Signal an die Wirtschaft sendet, dass die Politik die Rezession für unvermeidbar hält. Es geht ja immer auch um Psychologie.

Der Arbeitgeberpräsident jedenfalls lobte Heils Plan prompt nach Bekanntwerden. Und das ist nun wirklich keine Selbstverständlichkeit.

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