Kampf gegen Geldwäsche Chapeau für die Usmanow-Razzia – aber Deutschland bleibt ein Paradies für Geldwäscher

Oligarch und Putin-Freund Alischer Usmanow. Quelle: Getty Images

Die spektakuläre Durchsuchung der Oligarchen-Villa am Tegernsee ist leider nur eine Einzelaktion, bedauert Frank Buckenhofer von der Polizei-Gewerkschaft. Im Gastbeitrag fordert er ein robustes Vorgehen gegen Geldwäscher und andere Ganoven – so wie in Italien.

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Äußert unangenehmen Besuch bekam der russische Oligarch und Putin-Freund Alischer Usmanow von sehr entschlossenen und robusten Polizeikräften. Sie durchsuchten dessen luxuriöses Villenanwesen am malerischen Tegernsee und verschiedene andere Besitztümer des russischen Oligarchen, beschlagnahmten Unterlagen und Wertsachen. Beispielgebend und lobenswert gingen Bundeskriminalamt und Steuerfahndung wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung und Geldwäsche vor. Gut so – wir brauchen in Deutschland viel mehr Durchsuchungen von Usmanow und Co.!

Viele Defizite

Die spektakuläre Aktion darf aber nicht über die ansonsten bestehenden rechtlichen, behördlichen und auch mentalen Defizite hinwegtäuschen, die Deutschland bisher zum Paradies für Geldwäscher und Oligarchen gemacht haben. Die gezielte und intensive Suche nach ungeklärten, verdächtigen oder kriminellen Vermögen hatte die deutsche Politik in den letzten Jahrzehnten viel zu wenig im Blick. Und so kommt es, dass die aktuellen Gesetze und auch die heutigen Behördenstrukturen kaum bis nicht geeignet sind, wirksam Geldwäsche und Steuerhinterziehung im großen Stil zu bekämpfen oder auch Sanktionen durchzusetzen.

Reichtümer in Deutschland verstecken

Deutschland leidet immer noch unter anhaltenden Startschwierigkeiten bei der Financial Intelligence Unit (FIU) des Zolls, kaum überwachte Gebrauchtwagen-, Juwelen- oder Kunstmärkte, keine rechtlichen Möglichkeiten zur präventiven Finanzermittlung, mögliche Bargeldzahlungen beim Immobilienkauf, einer miserablen, kaum vernetzten und wenig transparenten Datenlage über die Existenz und Eigentumsverhältnisse von beweglichen und unbeweglichen Vermögen und Firmenbeteiligungen sowie einer nicht klar geordneten und unzureichend vernetzten Behördenstruktur. All diese Mängel machen es den Kriminellen und Oligarchen nach wie vor leicht, ihre Reichtümer in Deutschland geschickt zu verstecken und auch noch die Renditen einzufahren.

Putins superreiche Freunde mögen vom Westen sanktioniert werden. In Dubai sind Russen und vor allem ihr Geld willkommen. Russen und Ukrainer arbeiten dort fernab des Krieges harmonisch zusammen. Ein Ortsbesuch.
von Volker ter Haseborg, Silke Wettach

Geldwäsche vom Feinsten

Dass Deutschland seit Jahrzehnten den Ruf eines sicheren Paradieses für Geldwäscher hat und Gangster hierzulande weder politische Entscheidungen noch schlank und effizient aufgestellte Behörden fürchten müssen, ist in den kriminellen Kreisen weithin bekannt. Und so wundert es auch nicht, dass von denen in Deutschland jedes Jahr durch geschickte Investitionen in verschachtelten Unternehmenskonstruktionen Handelsgeschäfte und Finanztransaktionen in dreistelliger Milliardenhöhe gewaschen werden. So werden aus Schmuggelgewinnen, Waffen-, Drogen-, verbotenen Prostitutions- oder Glücksspielgeldern und sonstigen kriminellen Einnahmen gewinnträchtige „legale“ Vermögen. Das ist Geldwäsche vom Feinsten.

Gewurschtel statt Masterplan

Deutschland fehlt seit etlichen Jahren der Masterplan im Kampf gegen Geldwäsche und andere Finanzkriminalität. Bestenfalls kann man von Gewurschtel reden. Während weite Teile der kriminalpolizeilichen Fachwelt diesen Zustand massiv monierten und zudem viele unbequeme Fragen im Parlament und von der Presse gestellt wurden, blieb die Bundesregierung bis zum Schluss erschreckend unambitioniert. Im Wissen um diese Zustände und mit dem Willen, dem wirksam zu begegnen, hat die FDP in der vorangegangenen Legislatur zu diesem Thema – übrigens regelmäßig in trauter Gemeinsamkeit mit der heutigen grünen Familienministerin Lisa Paus und dem linken Abgeordneten Fabio de Masi – eine Vielzahl parlamentarischer Anfragen an die Bundesregierung gestellt. Sie sollten allesamt offenbaren, dass der für die Geldwäschebekämpfung zuständige damalige Bundesfinanzminister und heutige Bundeskanzler Olaf Scholz nichts oder wenigstens zu wenig unternahm, um den gierigen Kriminellen der Organisierten Kriminalität das Handwerk zu legen, indem er ihnen das ergaunerte Geld wegnimmt, quasi den Antrieb ihres Tuns raubt.

Jetzt muss Lindner liefern

Jetzt regiert FDP-Chef Christian Lindner als Bundesfinanzminister selbst mit. Die Latte liegt also ganz weit oben, wenn es in dieser Legislatur um Fortschritte bei der Geldwäschebekämpfung geht. Anfang Februar reiste Lindner zu seinem italienischen Amtsbruder, der ihm dabei auch das Erfolgsmodell seiner Guardia di Finanza, der italienischen Finanzpolizei, vorstellte. Diese Behörde schien Lindner zu begeistern. Sie ist erfolgreich im Kampf gegen Schmuggel, Geldwäsche und Steuerhinterziehung. Der Zeitpunkt war gut gewählt, denn der mit Sorge erwartete Bericht der Financial Action Task Force on Money Laundering (FATF), die die Zustände der Geldwäschebekämpfung in den Ländern bewertet, ließ nichts Gutes für Deutschland erwarten. Zu guter Letzt brachten auch noch die Sanktionen gegen das Putin-Regime zu Tage, dass sich nicht nur die Mafia-Ganoven in Deutschland unbehelligt und sicher fühlen können, sondern auch die milliardenschweren Oligarchen. Deren Vermögenswerte sind in Deutschland gut versteckt, weil Deutschland keinen wirklichen Überblick über die Eigentumsverhältnisse bei den beweglichen und unbeweglichen Vermögen hat und auch keine Behörde gezielt nach verdächtigem, sanktioniertem und ungeklärtem Vermögen sucht.

Ende August kündigte Lindner im Garten seines Ministeriums an, dass alles besser werden solle, und erklärte mit knappen Worten die Absicht einer Neugründung einer weiteren Bundesoberbehörde. Unter deren Dach sollen die Zentralstelle für Finanztransaktionsuntersuchungen (FIU), die Aufsicht über den sogenannten Nichtfinanzsektor oder auch Gütermarkt, eine Behörde zur Sanktionsdurchsetzung und ein Bundesfinanzkriminalamt in vier Säulen zusammengefasst werden.

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Dass ein solch neuer und sperriger Behördenapparat ausrechnet von dem Vorsitzenden der Partei unterbreitet wird, deren Forderung sonst möglichst schlanke, reibungsarme, digitale und effektive Behörden sind, verwundert. Und lässt vermuten, dass der von Lindner vorgestellte Vorschlag ausschließlich den Planungen der Bürokratie entsprungen ist, die sich offensichtlich viel zu stark von ihren ministeriellen und behördlichen Partikularinteressen hat leiten lassen, statt von dem Prinzip des Ministers vom guten Regieren und dem Grundgedanken des Fortschritts der Koalition.

Gute Idee – aber es geht noch besser

Dennoch: Die Idee von Lindner ist grundsätzlich gut. Wir brauchen klare Verantwortlichkeiten beim Aufspüren verdächtiger, krimineller, sanktionierter und ungeklärter Vermögen. Dem Prinzip „Der Spur des Geldes folgen“ muss mehr Beachtung geschenkt werden. Das alles ist in Deutschland nicht wirklich geregelt. Nur: Dafür brauchen wir keine neue Behörde in der Sicherheitsarchitektur. Das Bundesfinanzministerium verfügt bereits mit dem Zollkriminalamt und seinen Zollfahndungsämtern über eine sehr gut ausgebildete Kriminalpolizei, die im Übrigen bei der Durchführung von Finanzermittlungen, dem Aufdecken wirtschaftlicher Beziehungen und der Aufklärung tatsächlicher Hinterleute in den oftmals sehr verschachtelten Strukturen äußerst erfahren ist.

Vorbild Guardia di Finanza

Es wäre für Lindner ein Leichtes, die polizeilichen Teile des Zolls zu stärken und auf einen ähnlichen Erfolgskurs zu bringen, wie es die Guardia di Finanza seines Amtsbruders in Italien schon lange ist. Es ergibt keinen Sinn, neben dem Zollkriminalamt und dem Bundeskriminalamt ein weiteres Kriminalamt in der Sicherheitsarchitektur des Bundes zu etablieren. Schlanker, effektiver, schneller, kostengünstiger und auch mit der Garantie, möglichst früh erste finanzielle Ernten in den Haushalt einzufahren, ist es, den Zoll zügig auszubauen. Dazu gehört vor allen auch die Möglichkeit präventiver Finanzermittlungen, um gezielt verdächtige, kriminelle und sanktionierte Vermögen aufzuspüren, sicherzustellen und zivilgerichtlich einziehen zu lassen.

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Usmanow muss offenlegen

Diese präventiven Finanzermittlungen kann der Bund auch selbst durchführen, weil sie im Gegensatz zu möglichen strafrechtlichen Geldwäscheermittlungen eines neuen Bundesfinanzkriminalamtes nicht in der verfassungsrechtlichen Konkurrenz zu den Ländern stehen, die von Grundsatz nämlich die Polizeihoheit haben – auch bei der Geldwäschebekämpfung. Dazu gehört auch-  wie in Italien – eine Darlegungspflicht. Verdächtige Reiche, und dazu zählen eben Oligarchen vom Schlage Usmanow,  sollen erklären, wie sie sich diverse Villen am Tegernsee und anderswo leisten können und woher die Gelder kommen.

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