Landtagswahl Baden-Württemberg Ist Winfried Kretschmann ein Freund der Mittelständler?

Auch auf Bundesebene setze sich Kretschmann für das Ländle ein, sagen einige. Quelle: AP

Kurz vor der Landtagswahl in Baden-Württemberg übt „Dübelbaron“ Klaus Fischer scharfe Kritik an der Regierung. Pharmaunternehmer hingegen profitieren von der Koalition aus Grünen und CDU. Das sagen die Weltmarktführer.

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Wenn Klaus Fischer einen Raum betritt, entsteht unweigerlich das Bedürfnis aufzustehen. Graues Haar, schwarzer Anzug, Hornbrille, im Gepäck die Aura eines Unternehmers, dem seine Lebensleistung nicht mehr zu nehmen ist. Fischer geht zielstrebig auf den Konferenztisch zu. Die Plätze sind schon vorbereitet, Wasser und Süßgebäck ordentlich drapiert.

Fischer-Dübel. Das ist ein Begriff wie Tempo-Taschentücher, Maggi-Sauce oder Golf: eine Klasse für sich. Er selbst: lebende deutsche Wirtschaftsgeschichte. Klaus Fischer verkauft seine Befestigungssysteme für Handwerker in die ganze Welt. Fast jeder, egal ob Hobbyheimwerker oder Profi, hatte seine Schraubenhalter schon in der Hand, deren Erfindung einst hier ihren Siegeszug antrat, im beschaulichen Waldachtal im Kreis Freudenstadt.

„Dieses Jahr läuft das Geschäft richtig gut, denn die Leute haben Zeit zuhause,“ sagt Fischer. Die gute Laune ist ihm anzusehen, von Pandemiekrise keine Spur. Seine Unternehmensgruppe macht derzeit einen Jahresumsatz von gut 887 Millionen Euro, über 5000 Beschäftigte sind in 30 Ländern tätig. Nur der Heuschnupfen macht dem 70-Jährigen zu schaffen.

Fischer ist einer jener Weltmarktführer, denen Deutschland seinen Wohlstand und seine gut bezahlten Jobs verdankt. Und Baden-Württemberg erst recht. Er ist ein Unternehmer der alten Schule, ein Mann, der selbst auf dem Werksgelände Anzug trägt und seine Meinung nicht verbirgt. Was jemand wie er über die bevorstehende Landtagswahl denkt, den grünen Ministerpräsidenten, die Politik allgemein?

An der Spitze der Fischer-Gruppe hat der Unternehmer bereits vier Jahrzehnte baden-württembergische Landes- und Bundespolitik erlebt. Seine Gesamtbilanz fällt bescheiden aus: „Deutschland liegt bei den Themen Bildung und Digitalisierung weit zurück. Wenn unser Unternehmen so arbeiten würde wie die Politik, dann würde es Fischer schon lange nicht mehr geben.“

Fischer steht für viele Mittelständler, die den Stillstand in der grün-schwarzen Landeskoalition beklagen und mehr Tempo bei den Themen Digitalisierung, der Ausbildung von Fachkräften und dem Umgang mit der Coronakrise fordern. „China hat uns längst überholt und wir in Europa begreifen gar nicht, was da passiert“, mahnt er. Seine Hand formt eine Faust. Dann wird er noch deutlicher: „Deutschland fehlt eine Zukunftsperspektive.“

Was er damit genau meint, kleidet er in einen Fragenkatalog: „Was bedeutet es, wenn im produzierenden Gewerbe zu viel CO2 entsteht? Wie kann ich mich als Unternehmer vorbereiten, wenn Ressourcen knapp werden, wenn uns andere Großmächte überholen? Worin sollten wir in Zukunft investieren?“ Die Politik müsse darauf Antworten geben.

Fischers wichtigstes Anliegen aber ist die Bildung. Er berichtet von Spenden, die er an Schulen verteilt habe, um sie beim Kauf von Computern zu unterstützen. Viele konnten nicht in Betrieb genommen werden, weil die Internetverbindung fehlte, sagt er. „Wie wollen wir gute Fachkräfte ausbilden, wenn es in Schulen noch immer kein W-LAN gibt? Ich kann die Region unterstützen, aber kein 5G-Netz in Deutschland installieren.“

Familienunternehmer wie Fischer wünschen sich durchaus einen starken, leistungsfähigen Staat – aber eben nur dort, wo es um die Güte des Standorts, die Grundlagen des künftigen Wohlstands geht. Mit diesen Wünschen und Sorgen fühlt er sich von der Politik derzeit nicht wahrgenommen. Er vermisst den Austausch, gerade in der Coronakrise. „Es wäre sinnvoll, wenn ein Dialog stattfinden würde zwischen Politikern und Familienunternehmen, der Industrie und dem Handwerk.“ Dabei könne die Politik etwas lernen, zum Beispiel „wie wir in unseren Werken den Betrieb aufrechterhalten und Ansteckungen verhindern“. Doch in seinen Werkshallen sei lange niemand mehr vorbeigekommen.

Es gibt aber auch andere Stimmen. Frank Waimer etwa erzählt seine Geschichte. Er ist Geschäftsführer der Schwabe-Gruppe, einem Verbund von Unternehmen der Pharma- und Gesundheitsbranche. „Wir haben gemerkt, dass die Politik die Gesundheitsbranche als wesentlichen Wertschöpfungsfaktor wahrnimmt.“ Schwabe beschäftigt 4000 Mitarbeiter, der Umsatz liegt bei etwa 900 Millionen Euro. Die grün-schwarze Koalition habe seinem Unternehmen sehr wohl gezeigt, „dass der Mittelstand im Hinblick auf die Gesundheitswirtschaft wichtig ist“. Dies sei der Verdienst von Ministerpräsident Winfried Kretschmann und der Wirtschaftsministerin der CDU, Nicole Hoffmeister-Kraut, die sich in einer ständigen Kommission im Wirtschaftsministerium „aktiv mit Gesundheitsfragen befasst“.

Johannes Schmalzl, Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer (IHK) Stuttgart, erklärt die Arbeitsteilung folgendermaßen: „Während Kretschmann die großen Linien spannt und Strategien entwickelt, schaut Hoffmeister-Kraut auf unternehmerische Details.“ Als ehemalige Analystin der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Ernst & Young und Gesellschafterin des Waagenherstellers Bizerba, „kennt sie Unternehmen von innen“.

Auch auf Bundesebene setze sich Kretschmann für das Ländle ein, erklärt Unternehmer Waimer. Er glaubt fest an die Wiederwahl des populären grünen Landesvaters. „Die Koalition in Baden-Württemberg ist stark auf Kretschmann gerichtet.“ Dass ausgerechnet das Bundesland mit zwei großen Automobilkonzernen von einem Grünen geführt werde, wundert den Pharmaunternehmer nicht. „Kretschmann hat erkannt, dass man eine Balance finden muss zwischen Wirtschaft, Ökologie und Nachhaltigkeit.“  Diese Themen beträfen auch die Schwabe-Gruppe als Anbieterin pflanzlicher Arzneimittel besonders.

IHK-Fachmann Schmalzl hingegen sieht die Diskrepanz zwischen grüner Basis und dem wirtschaftszugewandten Ministerpräsidenten, der eine S-Klasse von Mercedes-Benz fährt, kritischer. „Kretschmann tut so, als habe er mit den Grünen nichts zu tun.“ Aber er nimmt natürlich auch wahr, dass Unternehmer in ihm einen „Christdemokraten im grünen Mäntelchen“ erkennen. Und das sei durchaus als „ein hohes Lob eines schwäbischen Mittelständlers“ zu verstehen. Die jüngsten Umfragewerte der Grünen, deutlich vor der Konkurrenz, unterstreichen das.

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Und in einem Punkt sind sich jedenfalls sowohl Klaus Fischer als auch Frank Waimer einig. Wer die Wahl am Sonntag gewinnt, wird sich kaum an Inhalten entscheiden. „Ich komme von der schwäbischen Alb, wir wählen, wen wir kennen. Grün-Schwarz passt einfach gut ins Ländle“, erklärt Waimer. Und Fischer ergänzt: „Mancher hält Herrn Kretschmann für den einzigen Landesvater der Bundesrepublik. Er spricht die Sprache des Volkes und denkt teilweise anders als ein Grüner, deshalb ist er so erfolgreich.“ Kaum hat Fischer diesen Satz gesagt, muss er auch schon weiter, zum nächsten Termin mit Daimler-CEO Ola Källenius. So geht das im Ländle.

Mehr zum Thema: Das Start-up Hyperganic will dem 3D-Druck mithilfe von KI und frischem Kapital endlich zum Durchbruch verhelfen. Gründer Lin Kayser über unbesorgte Mittelständler, staatliche Finanzierungen – und Elon Musk.

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