Landwirtschaft Bauern-Protest gegen Agrarpolitik

Bauern aus ganz Deutschland demonstrieren in Berlin. Sie sehen sich zu strengen Regeln zum Schutz von Umwelt und Insekten ausgesetzt.

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Landwirtschaft: Bauern-Protest gegen Agrarpolitik Quelle: dpa

Tausende Bauern sind aus ganz Deutschland zu einer Demonstration nach Berlin gekommen – und haben mit ihren Traktoren die Hauptstadt verstopft. Am Mittag wollen sie am Brandenburger Tor gegen die Agrarpolitik der Bundesregierung demonstrieren. Der Protest richtet sich unter anderem gegen geplante schärfere Vorgaben zum Insekten- und Umweltschutz und weitere Düngebeschränkungen zum Schutz des Grundwassers. Dadurch würden landwirtschaftliche Betriebe in ihrer Existenz gefährdet, argumentieren die Bauern.

In Berlin und Brandenburg sorgten ihre Fahrzeuge im Berufsverkehr für Behinderungen. Die Polizei sprach von 5095 Traktoren, die sie durch Brandenburg begleitet hat. Teilweise gab es bis zu 20 Kilometer lange Konvois. Auf beiden Seiten des Brandenburger Tors parkten bereits am Morgen Traktoren. Viele Bauern hatten Plakate daran befestigt.

Auf der Fahrt nach Berlin kam es bei Überholmanövern auch zu Unfällen. Die Brandenburger Polizei rief Autofahrer auf Twitter zur Vorsicht auf: „Überholen Sie nur an übersichtlichen Stellen und wenn Sie die gesamte Überholstrecke überblicken können!“

Zu der Kundgebung aufgerufen hat die Initiative „Land schafft Verbindung“, in der sich Zehntausende Bauern zusammengefunden haben. Mitte November gab es schon Proteste bei der Umweltministerkonferenz in Hamburg, im Oktober fuhren Bauern in mehrere Städte, allein 6000 nach Bonn.

Der Deutsche Bauernverband kritisierte die aus seiner Sicht zu strengen Umweltschutz- und Düngebeschränkungen. „Der Protest richtet sich gegen die Verschärfungen, die die Landwirtschaft belasten, die aber aus Gründen des Gewässerschutzes nicht erforderlich sind, sondern von vielen Betrieben als Schikane empfunden werden“, sagte der Generalsekretär des Verbandes, Bernhard Krüsken, MDR aktuell.

Schärfere Vorgaben

Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) zeigte Verständnis für die Kundgebung, auf der sie ebenso wie Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) sprechen will. „Immer mehr wird erwartet von Bauern, auch gerade von den Konsumenten, von uns Verbrauchern, aber es wird immer weniger Bereitschaft gezeigt, dafür mehr zu zahlen“, sagte Klöckner im ARD-„Morgenmagazin“.

Zugleich verteidigte sie die geplanten schärferen Vorgaben, derentwegen die Bauern auf die Straße gehen. Dazu gehören weitere Düngebeschränkungen zum Schutz des Grundwassers. „Es ist zu viel Nitrat – an einigen Stellen – im Grundwasser, das liegt auch an der Düngung“, sagte Klöckner. Deutschland habe eine Klage gegen die EU-Kommission verloren - und müsse die Verordnung jetzt nach einem Zweitverfahren umsetzen. Beim Insektenschwund sieht sie auch andere Verursacher neben der Landwirtschaft: Vorgärten nur mit Steinen, Lichtverschmutzung und Flächen-Versiegelung.

Schulze sagte, den Landwirten werde „enorme Wertschätzung“ entgegengebracht. Sie verwies auf die milliardenschwere EU-Agrarfinanzierung. Es gebe deutliche Probleme, etwa beim Grundwasserschutz und mit der biologischen Vielfalt. Politik und Bauern redeten viel miteinander, das werde öffentlich aber teils anders dargestellt.

Der Bundestagsfraktionschef der Grünen, Anton Hofreiter, warf den Bauern vor, sie verfolgten einen „falschen Ansatz“. „So etwas wie das Artensterben oder die Verschmutzung des Grundwassers gehen nicht weg, indem man es ignoriert“, sagte er RTL/N-TV. „Noch weniger Naturschutz machen, noch mehr Dünger ausbringen, das ist nicht die richtige Antwort.“ Hofreiter sagte zugleich: „Man muss die Landwirte verstehen. Sie stehen nach Jahren falscher Agrarpolitik wirklich mit dem Rücken zur Wand.“ Sowohl das Landwirtschaftsministerium als auch der Bauernverband hätten auf immer größere Betriebe gesetzt. Das habe dazu geführt, dass es immer weniger Höfe gebe.

Die FDP forderte, das Agrarpaket auf Eis zu legen. FDP-Agrarexperte Gero Hocker warf Klöckner einen „Ausverkauf der Landwirtschaft in Deutschland“ vor. Die Politik bei Tierwohl, Insektenschutz und Düngeverordnung führe zur Verlagerung der Produktion ins Ausland, sagte er der Deutschen Presse-Agentur. „Tieren, Insekten und Grundwasser wird damit ein Bärendienst erwiesen.“ Karlheinz Busen (FDP) mahnte, auf das „Signal der Überforderung“ zu hören. Um ein Höfesterben zu verhindern, müsse die Politik „beim Erlass neuer Gesetze einfach einmal für ein paar Jahre die Füße stillhalten.“

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