Microsoft-Präsident „Wir hoffen, uns an Gaia-X zu beteiligen“

Microsoft-Präsident Brad Smith hofft weiterhin auf gute Geschäfte in Deutschland. Quelle: REUTERS

Microsoft-Präsident Brad Smith stellt in Berlin sein Buch vor. Ein Kapitel liest sich wie ein Bewerbungsschreiben an die Bundesregierung. Die Hoffnung: Microsoft weiterhin in Deutschland gute Geschäfte machen zu lassen.

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Brad Smith gibt sich geläutert. „Die Techbranche muss mehr Verantwortung übernehmen“, sagt er. Es sei an der Zeit, auch über Probleme zu sprechen, die neue Technik mit sich bringe. Smith ist Präsident und oberster Jurist von Microsoft, eine Art Außenminister des Konzerns. An diesem Donnerstag ist er nach Berlin gekommen, um sein Buch vorzustellen, das nun auf Deutsch erscheint: „Tools and Weapons“ heißt es, Werkzeuge und Waffen. Beides, so beschreibt er es bezogen auf verschiedene Themen, kann Technik sein. Auf Deutsch trägt das Buch den Zusatz: Digitalisierung am Scheideweg.

Es richte sich an Menschen, die weder tief in der Welt der Technikkonzerne steckten, noch in der politischen, sagt Smith. Für die deutsche Version stimmt letzteres allerdings nur für 16 der 17 Kapitel. Ihr hat Smith ein eigens auf Deutschland zugeschnittenes Kapitel beigefügt, die Überschrift lautet: Digitale Souveränität in einer vernetzten Welt. Es ist eine Art freundliches Bewerbungsschreiben an die Bundesregierung, Microsoft auch weiterhin in Deutschland gute Geschäfte machen zu lassen.

Das Kapitel ist die Reaktion auf das im vergangenen Jahr deutlich gewordene Bestreben der Bundesregierung, die digitale Souveränität Deutschlands zu erhalten – oder überhaupt erst wieder herzustellen. Denn längst dominieren wenige Anbieter die Digitaltechnik, die Plattformen, Betriebssysteme und Clouddienste – Google, Amazon, Facebook und Microsoft, dazu auch immer stärker chinesische Unternehmen. Deutschland und anderen europäischen Ländern bleibt dagegen meist nur noch die Rolle abhängiger Nutzer.

Mittlerweile hat die Bundesregierung das als Wettbewerbsnachteil ausgemacht. Derzeit entstehen rund um Maschinendaten viele neue Geschäftsmodelle, und im Grunde wäre das eine große Chance für deutsche Unternehmen. Nur: Die Konzerne, die bereits die meisten Konsumentendaten gesammelt haben (also die US-amerikanischen und chinesischen), verfügen mittlerweile über so ausgefeilte Infrastruktur, dass sie auch Industriedaten am besten verarbeiten können.

Daher wächst das Unbehagen gegen die Marktbeherrscher – und zwar auf unterschiedlichen Technikfeldern. Die EU-Kommission veröffentlichte vergangenes Jahr eine Risikoanalyse in Bezug auf die Netze für den Mobilfunkstandard 5G – und warnte vor „Abhängigkeit von Drittanbietern“ und einer „Monokultur“. Gemeint, wenn auch nicht ausdrücklich genannt, war der chinesische Netzwerkausrüster Huawei.

Ohne Microsoft nicht arbeitsfähig

Auch die Bundesverwaltung ist „in hohem Maße“ von einem Anbieter „abhängig“, zu dem Schluss kam eine strategische Marktanalyse im Auftrag des Bundesinnenministeriums. Der besagte Anbieter ist Microsoft. Windows und das Office-Paket werden demnach von 96 Prozent aller Behörden benutzt. Anders ausgedrückt: Ohne den US-Konzern wäre die deutsche Bundesverwaltung nicht arbeitsfähig.

Das birgt Gefahren: Die Abhängigkeit könnte dazu führen, dass Microsoft die Preise beliebig erhöht. Knapp 73 Millionen Euro zahlte der Bund 2018 für Lizenzen, fast 26 Millionen Euro mehr als vorhergesehen. Erst vergangenes Jahr wurden die Verträge trotzdem verlängert – auch mangels Alternativen. „Wir wollen keine Verwaltungsdaten in einer Microsoft-Cloud speichern“, sagte gerade Klaus Vitt, Beauftragter der Bundesregierung für Informationstechnik dem Tagesspiegel. Microsoft habe angekündigt, seine Produkte in Zukunft nur noch in der öffentlichen Cloud anzubieten: „Das betrachten wir als Erhöhung der Abhängigkeit.“

von Jürgen Berke, Matthias Hohensee, Michael Kroker, Thomas Kuhn, Andreas Menn

Was also tun? Um solche Abhängigkeiten künftig zu verringern, will Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) eine europäische Infrastruktur aufbauen, um Daten zu speichern und auszuwerten. Als Alternative zu Microsoft sowie Amazon und Google, die mit ihrem Cloud-Angebot bisher den Markt dominieren. Einen klingenden Namen hat das Projekt schon: Gaia-X. Auch führende Beamte des Innenministeriums hoffen auf dessen Erfolg.

Microsoft kann der staatlich angeschobenen Alternative naturgemäß wenig abgewinnen. Eine „eingezäunte Cloud“ helfe Europa sicher nicht, warnte Deutschland-Chefin Sabine Bendiek schon im Sommer. Es würde viel Zeit und jede Menge Geld kosten, eine eigenständige europäische Cloud komplett neu zu bauen – ohne dass damit gesichert wäre, dann „mit den um Längen enteilten Technologieführern mithalten zu können“. Allerdings plant die Bundesregierung ausdrücklich nicht, eine Konkurrenz-Cloud aufzubauen. Vielmehr sollen bestehende Angebote vernetzt und es auch Dritten ermöglicht werden, sich daran zu beteiligen.

Brad Smith schlägt in seinem Buch nun versöhnlichere Töne als Bendiek an. Zunächst schmeichelt er Deutschland, lobt die „Wahrung traditioneller Werte“ und die „stabile und entschlossene Führung“, unter der das Land floriere. Und er zeigt Verständnis dafür, dass „angesichts der Allgegenwärtigkeit außerhalb von Europa entwickelter digitaler Technologien und den sich daraus ergebenden Datenströmen“ der Schutz der Hoheitsgewalt über deutsche Daten neue Priorität erlangt habe. Dass man daher den Wert der Daten deutscher Unternehmen schützen und den Kontrollverlust über das in diesen Daten steckende Wissen verhindern wolle.

Smith lobt sogar Gaia-X explizit als „wichtiges Projekt“. Er warnt allerdings auch davor, auf führende Technologien zu verzichten, nur weil sie nicht aus Deutschland oder Europa stammten. Eine solche Herangehensweise verlangsame „jeden Aspekt wirtschaftlicher Entwicklung und nationaler Sicherheit“. Das Ziel solcher Sätze ist klar: Microsoft will weiterhin mitspielen. „Natürlich hoffen wir, dass Microsoft die Gelegenheit erhalten wird, sich an dem Projekt zu beteiligen“, sagt Smith in Berlin.

Auf die Nutzer-Rolle festgelegt

Wenn Regierungen über regionale Lösungen sprechen, gehe es ihnen um drei Ziele, glaubt Smith. Erstens darum, die nationale Sicherheit und Regierungsdaten zu schützen. Zweitens wollten Regierungen verständlicherweise digitale Nachhaltigkeit garantieren – also, dass die Technik, die sie verwenden, nicht irgendwann eingestellt wird oder ihnen nicht mehr zur Verfügung steht. „Drittens geht es darum, Wachstumschancen für eigene Unternehmen zu sichern“, sagt Smith. Damit liegt der Microsoft-Präsident sicher nicht falsch. Industriepolitik, egal ob in Sachen künstlicher Intelligenz, Batteriezellen oder Kohleausstieg, liegt der Bundesregierung und vor allem Wirtschaftsminister Altmaier alles andere als fern.

Allerdings liegen die deutsche und andere europäische Regierungen wohl auch nicht falsch, wenn sie sich um ihre digitale Souveränität sorgen. Europa werde bestimmen, welche Technikkonzerne weltweit florieren, schmeichelt Smith. Dank der Kunden, die entschieden, welchen Produkten und Unternehmen sie vertrauen. Und wegen der Regierungen, die, wie bei der Datenschutzgrundverordnung, die Regulierung prägen würden.

Das beschreibt Deutschland und Europa aber weiterhin in der Rolle der Nutzer und Abnehmer, nicht als Region, deren Unternehmen selbst neue Lösungen schaffen und sich damit weltweit durchsetzen. Smith gibt sich zwar Mühe, beides gleich zu setzen: Diejenigen, die neue Technik entwickeln – und die, die diese als Nutzer verteilen und durch ihre Anwendungen auch selbst definieren. Dass das nicht das Gleiche ist, muss jedoch auch Smith klar sein.

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