Robert Habeck wird gleich mehrere tausend Meter über der Wüste schweben, auf dem Weg von Doha nach Abu Dhabi, aber Berlin holt den Wirtschaftsminister trotzdem mühelos wieder ein. Habeck sitzt in einer Konferenzecke des Regierungsfliegers, es ist Sonntagabend, die ersten zwei Tage seines Golfbesuchs sind fast vorüber. Er wirkt erschöpft. Und gleichzeitig aufgekratzt.
Der Minister weiß natürlich um die Symbolik seiner Reise. Ein Grüner, ausgerechnet, fliegt in die Emirate, um für Deutschland eilig neue Gaslieferungen zu organisieren. Aber Robert Habeck findet, dass Robert Habeck das nicht schlecht gemacht hat. Auch aus der Wirtschaftsdelegation ist Lob für den neuen grünen Pragmatismus zu hören. Erste politische Erfolge deuten sich an. Heikle Themen, wie die Menschenrechtslage in Katar, hat er weder ausgespart noch überbetont – ein Crashkurs in Realpolitik.
Aber diese Zeiten schenken ihm keine Ruhe. Auf der Reise überschneiden und verstärken sich die Themen, Konflikte und Probleme. Energie- und Außenpolitik, Kriegssanktionen – dazu noch Stress made in Germany. Auch die Ampel ist schließlich mittlerweile eine völlig normale Koalition, die ihren Zwist über Energiepreisentlastungen offen auf dem Marktplatz der Ideen austrägt. Habeck wollte das erst nicht, wollte intern sondieren und verhandeln, um dann einen abgestimmten Vorschlag vorzeigen zu können. Aus und vorbei. Seitdem Christian Lindner mit seinem Tankrabatt vorlegte, geht es munter hin und her zwischen SPD, FDP und auch den Grünen.
Habeck seufzt. Entlastung sei richtig, sagt er im Flieger, aber bitte gezielt. Vor allem – es folgt ein gezielter ordnungspolitischer Gruß an den FDP-Finanzminister – müssten „Marktsignale erhalten bleiben“. Sollte nicht vielmehr der Verbrauch teuer Energie adressiert werden? Der Grüne macht keinen Hehl aus seiner unverminderten Sympathie für ein Tempolimit, spricht über das absehbare Ende von Gasheizungen und mehr Geld für Sanierungen. „Die Wirklichkeit“, sagt er, „hat den Koalitionsvertrag an vielen Stellen überholt.“ Je nach Perspektive kann man das als Verheißung oder als Bedrohung interpretieren.
Auf schmalem Grat
Eine der Weisheiten des Politikbetriebs lautet: Die großen Bewährungsproben stehen weder im Kalender noch auf dem Papier. Habeck weiß jetzt, was damit gemeint ist. Ohne den Krieg in der Ukraine wäre er nicht hier. Und ohne den beispiellosen Sanktionskatalog gegen Russland, der folgte, müsste er nun nicht auch noch darüber nachdenken, wie hart er die Emirate wegen ihrer, nun ja, nicht ganz eindeutigen Haltung zu russischem Geld kritisiert. Dieselben Emirate, die er zeitgleich als Partner der Energiewende ganz eng an die Bundesrepublik binden will, muss. Schon wieder: ausgerechnet.
Am Montagmittag besichtigt Habeck in Abu Dhabi das ökologische Vorzeigequartier Masdar City. Hier geht es endlich um die Projekte, die einem Grünen besonders wichtig sind: Moderne Industrie, angetrieben durch Wasserstoff, erneuerbare Energien, synthetisches Kerosin. Die saubere Zukunft. Doch selbst dort, am Rande eines Solarparks, grätscht ihm die Gegenwart dazwischen. Die Menschenrechte. Der jüngste Besuch Baschar al-Assads in Abu Dhabi. Und auch das russische Geld.
Er habe zwar keine Belege für die Behauptungen, dass Vermögen aus Russland seit Kurzem verstärkt nach Katar, Abu Dhabi und andere Emirate fließe, sagt Habeck. Aber er habe „gehört, dass das zunimmt“. Und dann: „Ich erwarte, dass die Emirate nicht von unseren Sanktionen profitieren.“
Gerade Dubai gilt als Lieblingszuflucht reicher Russen und Oligarchen. Die Emirate dürften nicht zum „Profiteur der amerikanischen und europäischen Sanktionen werden“, unterstreicht Habeck noch einmal. Er sei jedoch froh, „dass die arabischen Führer sehr klar waren, dass die russische Invasion in der Ukraine ein Akt der Aggression war und gegen das Völkerrecht verstößt“. Sagt’s und wandelt weiter auf dem schmalen Grat zwischen Kritik und Annäherung.
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