Schleppende Regierungsbildung Berlin liegt auf Eis

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Lieber Bahnhöfe als Haushalt

Noch trister ist die Lage im Finanzministerium. Die Beamten sehen sich gern als Mitarbeiter des Neben-Kanzleramts. Derzeit wird an der Berliner Wilhelmstraße allerdings weniger entschieden als in der Verwaltung einer kleinen Gemeinde.

Werner Gatzer, Haushalts-Staatssekretär und Architekt der schwarzen Null, hat das Haus bereits verlassen: Er kümmert sich nun lieber um die Bahnhöfe der Deutschen Bahn als um den Etat der Bundesrepublik. Sein früherer Kollege Thomas Steffen ist gedanklich bereits teilweise in den Vorstand der Bundesbank gewechselt, heißt es. Und Johannes Geismann, Staatssekretär Nummer drei, will nichts entscheiden. „Er kreuzt auf Vorlagen weder Ja noch Nein an“, spottet ein Beamter, „sondern schreibt meist ein R drauf.“ R wie Rücksprache.

Und der geschäftsführende Minister Peter Altmaier (CDU)? Nun, der Kanzleramtschef leidet unter einer fast schon legendären Entscheidungsschwäche. Immerhin hat sich seit dem Wechsel von Wolfgang Schäuble ins Bundestagspräsidium die Stimmung im Ministerium gebessert. Altmaier ist fast immer gut gelaunt, schüttelt vielen die Hand – auch den Pförtnern.

Mehr kommuniziert wird auch im Verkehrsministerium. Während der ehemalige Ressortchef Alexander Dobrindt (CSU) zumeist völlig losgelöst vom Rest des Hauses agierte, ist der geschäftsführende Minister Christian Schmidt (CSU) leutseliger. Aus seiner Zeit als Nur-Landwirtschaftsminister sind allerdings vor allem missglückte Versuche überliefert, Weltpolitik zu betreiben („An apple a day keeps the Putin away“). Zwar steht der Nachweis noch aus, dass er inhaltlich fundierter arbeiten kann. Doch sein zusätzlicher Job macht Schmidt erkennbar mehr Spaß als sein eigentlicher. Er dürfte ins Verkehrsministerium gekommen sein, um möglichst zu bleiben.

Beim wohl einflussreichsten Staatssekretär des Berliner Betriebs spiegelt sich das Hin und Her der Möchtegernkoalitionäre in den eigenen Karriereplänen: Jochen Flasbarth (SPD) war schon immer egal, wer unter ihm Umweltminister ist. Dass es ihm dabei nicht nur um die Rettung der Welt, sondern auch um sich ging, ahnten viele.

Nun wissen es fast alle. Als eine Jamaika-Koalition wahrscheinlich war, besorgte sich Flasbarth eine Anschlussverwendung: Er ist seit November Chef der bundeseigenen Gesellschaft für Zwischenlagerung. Die ist für die Unterbringung der Atomfässer zuständig, bis eines fernen Tages ein Endlager gefunden ist. Flasbarths Posten ist dem Vernehmen nach großzügig dotiert, allerdings längst nicht so interessant wie seine bisherige Tätigkeit. Deshalb ließ er sich eine große Tür offen. Den Endlager-Job macht der SPD-Mann erst mal ehrenamtlich, er ist nach wie vor Umwelt-Staatssekretär. Im Ministerium ahnen einige, dass er dies im Falle einer erneuten großen Koalition auch bleiben möchte.

Dann kann er etwa Brigitte Zypries Vorträge über die klimaschädlichen Folgen des Fliegens halten – wenn die dann nicht längst auf Teneriffa sein sollte.

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