Städteranking 2018 Dauersieger München: Die Kehrseiten des Erfolgs

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„Es gibt keinen schöneren Flughafen in Europa als München“

Die Lufthansa will München deshalb nach und nach zu einem Drehkreuz für den Asienverkehr ausbauen und dazu mehr Fluggeräte vom Typ A380 an den Flughafen im Süden verlegen. „Es gibt keinen schöneren Flughafen in Europa als München“, schwärmt Spohr. Insgesamt 13.000 Mitarbeiter arbeiten in München für die Lufthansa. Weil der Carrier auf den Langstrecken zunächst immer mehr Großraumflugzeuge einsetzen will, kann die dritte Startbahn etwas später als ursprünglich geplant kommen. Aber Ende des nächsten Jahrzehnts brauche man sie, sagt Spohr.

Ich habe einmal vier Jahre in Singapur gelebt. Während meiner ersten Monate in München entdeckte ich auf den ersten Blick eine Reihe von Parallelen. In beiden Städten fühlt man sich überaus sicher. Man sieht auf den Straßen deutlich mehr Polizei als etwa in Berlin oder Köln. Die Politik ist hier wie dort so interventionistisch wie pragmatisch; das Bildungsniveau ist in Bayern und in Singapur hoch, die Infrastruktur besser als in vielen anderen Städten.

Doch wo Singapur sich ständig neu erfindet, ständig nach Wegen sucht, noch besser zu werden, Lehrpläne umbaut, Gesetze ändert, damit Uber in der Stadt fahren darf, und das Internet noch schneller macht, herrscht in München, verwöhnt von den Erfolgen der Vergangenheit, eine gewisse Lethargie, auch Ratlosigkeit darüber, wie mit den Folgen des Booms für die Menschen umzugehen ist.

Ich war gerade wieder in Singapur und war erstaunt über die Aktivitäten beim Wohnungsbau. Sicher, es werden viele teure Condominiums – Apartmentanlagen mit Pool, Fitnessraum und Security – gebaut. Singapur hat aber auch einen im Großen und Ganzen funktionierenden sozialen Wohnungsbau. In dem südostasiatischen Stadtstaat leben bei hoher Qualität auf einem Quadratkilometer knapp 8000 Menschen, in Paris sind es sogar 22.000, in München gerade Mal 4400. Viel Luft nach oben sollte man meinen.
Doch in München schauen die Stadtoberen teils hilflos teils verzweifelt zu, wie der Freistaat seine einzige öffentliche Wohnungsbaugesellschaft an einen Hedgefonds verkauft.

Gebaut werden in München fast nur noch Wohnungen im Hochpreissegment, auch wegen der wenigen verbliebenen Flächen. Wer Immobilienentwickler oder Behördenvertreter fragt, warum man nicht – wie in Singapur – einfach in die Höhe baut, erntet Unverständnis. Das habe in Deutschland den Beigeschmack von Ghetto, sagt ein Makler. Die Stadt verweist auf Stadtbild und Denkmalschutz. Außerdem gilt in München noch die Verordnung, nach der in der Innenstadt nicht höher als die Frauenkirche gebaut werden darf. Es sind Vorstellungen wie aus einem Märchen aus dem 18. Jahrhundert. Und damit will München sich nun fürs globale Zeitalter rüsten.

Die Top Ten der deutschen Städte
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Wer wirklich langfristig denkt, der würde das in der Fläche kleine München vergrößern: im Norden bis Ingolstadt, im Westen bis Augsburg, im Südosten bis Rosenheim, so dass eine echte Metropole entstünde. Schon jetzt pendeln wegen der hohen Immobilienpreise jeden Tag Tausende aus den umliegenden Städten nach München.

Doch solche Überlegungen scheitern am kleinlichen, provinziellen Denken der betroffenen Gemeinden und Städte. Da wird dann gestritten über Gewerbesteuersätze, S-Bahn-Anbindungen oder Zuständigkeiten für die Sozialhilfe. „Wenn man mit einem Bürgermeister redet, geht das gut“, sagt Christian Breu, Geschäftsführer des Planungsverbandes Äußerer Wirtschaftsraum München, „mit 20 Bürgermeistern geht das nicht mehr gut.“ Die Erweiterung der Stadt scheitert an Eigeninteressen, an einem Kartell der Bremser, Besitzstandswahrer und Bedenkenträger.

Wir ziehen übrigens in absehbarer Zeit wieder nach Peking. Dort werden richtig viele Wohnungen gebaut, jedes Jahr eröffnet eine neue U-Bahnlinie, und das Internet ist inzwischen auch schneller.

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