Tauchsieder
Die CDU hat Armin Laschet zu ihrem neuen Vorsitzenden gekürt. Der NRW-Ministerpräsident  erhielt 52,6 Prozent der abgegebenen Delegiertenstimmen, setzte sich in einer Stichwahl mit 521:466 Stimmen gegen Friedrich Merz durch. Quelle: dpa

Immer. Weiter. So.

Die CDU hat sich entschieden: für Armin Laschet statt Friedrich Merz und Norbert Röttgen. Für Kontinuität statt Kante und Kontur. Für Herz statt Ego und Kopf. Das reicht für den Partei-Erfolg. Aber auch für Deutschland?

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Das Wichtigste gleich vorweg.

Erstens: Die CDU hat einen neuen Vorsitzenden, einen Kanzlerkandidaten hat sie noch nicht.

Zweitens: Die CDU hat sich stilistisch für Herz statt Ego und Kopf entschieden, für Teamgeist statt Breitbeinigkeit und Diskurslust, für moderierte Gruppenarbeit statt Frontalunterricht und Hauptseminar – kurz: für Politik statt Wirtschaft und Wissenschaft. 


Drittens: Die CDU hat inhaltlich für ein Weiter-so statt für einen Bruch und programmatische Schärfe optiert, für inhaltsarme Kontinuität statt behauptete Kante und intellektuelle Kontur – für Kommata im Parteiprogramm statt für Frage- und Ausrufezeichen oder auch nur für ein: Punkt, Absatz.

Viertens: Die CDU geht gestärkt aus dem parteiinternen „Wahlkampf“ hervor – ganz im Gegensatz zur SPD, die nach der Wahl ihrer Vorsitzenden beinahe schon ruiniert war. Und ist.

Fünftens: Die Union hält nach Armin Laschets Wahl zum CDU-Parteivorsitzenden alle Trümpfe in der Hand mit Blick auf die Bundestagswahl im Herbst. Sie ist und bleibt der Hegemon in der deutschen Parteipolitik – und wird sich ihre  Regierungspartner auf Zeit auch im Jahr 2021 aussuchen können.

Und jetzt der Reihe nach. Die CDU hat Armin Laschet zu ihrem neuen Vorsitzenden gekürt. Der NRW-Ministerpräsident  erhielt 52,6 Prozent der abgegebenen Delegiertenstimmen, setzte sich in einer Stichwahl mit 521:466 Stimmen gegen Friedrich Merz durch. Im ersten Wahlgang stimmten 385 Delegierte für Merz, 380 für Laschet und 224 für Norbert Röttgen. Beide Ergebnisse sind vor allem: kein Vertrauensbeweis für Armin Laschet. Eine deutliche Mehrheit der CDU-Delegierten (61,4 Prozent) votierte im ersten Wahlgang für einen der beiden anderen Kandidaten.

Sie wollten die Partei nicht vom Favoriten der Bundeskanzlerin, der bisherigen Parteivorsitzenden und des Konrad-Adenauer-Hauses und auch nicht vom Regierungschef des bevölkerungsreichsten deutschen Bundeslandes geführt sehen. Sondern von einem rebellischen Outlaw, den nicht mal mehr Wolfgang Schäuble für geeignet hielt oder einem helmutschmidthaften Außenpolitiker ohne Marktplatzqualitäten.

Anders gesagt: Armin Laschet war der Wunschkandidat der CDU-Spitze, aber er ist nicht der Traumkandidat der CDU. Friedrich Merz und Norbert Röttgen sind jetzt raus aus dem Rennen um eine Kanzlerkandidatur, übrigens auch Jens Spahn, der sich in der „einfachen Mitgliedern“ vorbehaltenen Fragerunde nach den Reden der drei Kandidaten zu einer grotesken Wahlempfehlung für Laschet hinreißen ließ. Aber am bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder (CSU) kommt die CDU nach Lage der Dinge nicht vorbei, wenn die Union in den nächsten Monaten ihren Kanzlerkandidaten bestimmt – vor allem dann nicht, wenn die Laschet-CDU bei den Landtagswahlen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz (14. März) nicht wenigstens ein Bundesland zurückerobert. 

Armin Laschet hat eine ausgezeichnete, jedenfalls die richtige Rede zum richtigen Zeitpunkt gehalten: hochemotional, persönlich, herzlich, warm, fast rührend – und garniert mit feinen Spitzen, die seine Wettbewerber empfindlich trafen. Laschet rahmte seine Rede mit einer Erzählung über den Vater, eines Bergmannes, der geprägt (gewesen) sei vom kameradschaftlichen Miteinander, stets angewiesen auf die Verlässlichkeit der Mannschaft unter Tage. Und Laschet strickte seinen Vortrag um das Leitmotiv des „Vertrauens“. Es gehe ihm, so Laschets Kernbotschaft, um das interaktiv zu Erreichende und gesellschaftlich Auszuhandelnde, um gemeinsam erarbeitete Lösungen. Und Laschet scheute sich nicht einmal, Angela Merkels „Sie kennen mich“ zu steigern, ins Tautologisch-Absurde zu überdrehen: „Ich bin Armin Laschet und darauf können sie sich verlassen.“

Nein, die CDU benötige „keinen CEO“ und keine „One-Man-Show“, sagte er an die Adresse von Merz, die CDU benötige einen Kapitän, „der führt und zusammenführt“. Nein, der CDU-Parteichef müsse nicht polarisieren, so Laschet weiter, er müsse bloß Klartext reden können – und das tat er dann auch: „Vertrauen bekommt man nicht geschenkt, man muss es sich erarbeiten“, so Laschet, diesmal mit Blick auf beide, auf Merz und Röttgen: „Dafür reichen nicht bloß markige oder schöne Worte“ (lieber Friedrich, lieber Norbert), dafür reiche kein „‚müsste, könnte, sollte“, das ist noch keine Politik“ (lieber Friedrich, lieber Norbert). Nein, nein, man müsse schon auch „das Handwerkszeug einer Politik der Mitte beherrschen (lieber Friedrich, lieber Norbert), die Fähigkeit zur Einigung“. Das waren Wirkungstreffer. Das waren Handkantenschläge. Das war Laschets Sieg. 

Zumal Friedrich Merz abermals unterstrich, dass er ein lausiger Redner ist – und eine programmatische Leerstelle. Er befleißigte sich einmal mehr der Phraseologie eines altmaskulinen Wirtschaftskapitäns, in dessen Adern deutlich zu viele Selbstherrlichkeitskörperchen zirkulieren und stimmte im typischen Parteiredenstil aus dem vorigen Jahrtausend das ganz große Drama an. Merz sieht die „Gesellschaft im Ausnahmezustand“ – und bot sich der CDU in seiner Rede daher als so etwas wie ihr Leitstern und Herausforderer an – als Mann auf der Kommandobrücke, der auch im tosenden Sturm schwieriger Zeiten das Beste aus sich und seiner Mannschaft heraus zu kitzeln weiß.

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