Wirecard-Ausschuss am 18. März 2021 Hat es die 1,9 Milliarden Euro nie gegeben?

Quelle: Bloomberg

Der inhaftierte Ex-Chefbuchhalter von Wirecard will von nichts gewusst haben. Sein Kollege aus der Compliance-Abteilung sagt, dass das Geld auf den Treuhandkonten wohl nie existiert habe.

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Thema des Tages:
Buchhaltung, Drittpartnergeschäft, KPMG-Prüfung, Analysten

Die Zeugen:
- Stephan von Erffa, Ex-Chefbuchhalter von Wirecard
- Thomas Eichelmann, Ex-Aufsichtsratschef von Wirecard
- Daniel Steinhoff, Compliance-Chef von Wirecard
- Heike Pauls, ehemalige Wirecard-Analystin der Commerzbank

Stephan von Erffa, der ehemalige Chefbuchhalter von Wirecard, kam in Haft, nachdem der Skandal aufflog. Die Staatsanwaltschaft München sieht ihn als Teil der Bande, die für den Betrugsskandal verantwortlich ist. Von Erffa sagte im Ausschuss, dass er von betrügerischen Vorgängen bei Wirecard „keine Kenntnis“ habe: „Es war für mich unvorstellbar, dass sowas passieren konnte. Ich dachte, wir seien gut aufgestellt. Wir hatten viele Gremien wie Risk, Compliance, die Interne Revision oder den Aufsichtsrat, der stetig erweitert wurde. Es gab interne wie auch externe Prüfungen. Aber die Mechanismen haben nicht den Skandal verhindert, was mir wirklich sehr leidtut.“ Beim Drittpartnergeschäft sieht er sich ebenfalls getäuscht: „Wir hatten von den Drittpartnern als auch von den Treuhändern Bestätigungen über die Salden bekommen. Wir hatten also zwei unabhängige Quellen, die uns die Salden bestätigt haben.“ Die KPMG-Prüfung, die das Lügengebäude zum Einstürzen brachte, habe er lediglich „von der Außenlinie betrachtet“. Und: „Der Bereich, wo die Belege fehlten, lief nicht über meinen Tisch.“

Thomas Eichelmann, der im Januar 2020 den Aufsichtsratsvorsitz bei Wirecard übernommen hatte, berichtete dem Ausschuss, wie vehement sich Wirecard-Chef Braun gegen die Veröffentlichung des KPMG-Berichts gewehrt habe: Er las eine Whatsapp-Nachricht vor, die er von Braun zum KPMG-Bericht erhalten hat. Braun schrieb: Der Bericht sei schlicht falsch. Wirecard habe das Recht, auf die Richtigstellung zu drängen. Der Aufsichtsrat mache sich haftbar, wenn er zulasse, dass durch einen falschen Bericht Werte zerstört würden.

Frage des CDU-Abgeordneten Matthias Hauer: „Halten Sie es für denkbar, dass ein Vorstandschef von den Unregelmäßigkeiten nichts mitbekommen hat?“ Eichelmann: „Ich habe es auch nicht für möglich gehalten, bei einem Dax-Unternehmen Aufsichtsrat zu werden und dann die größte Nachkriegspleite mitzumachen. Um auf die Frage zurück zu kommen: Ich hätte mir nicht vorstellen können, dass so etwas an mir vorbei geht.“ Eichelmann sagte zudem: „Ich habe das Drittpartnergeschäft auch nicht verstanden, sonst hätte ich ja gemerkt, dass es nicht da ist.“

Daniel Steinhoff, Leiter der Compliance-Abteilung bei Wirecard, sagte aus, dass es nach seiner Kenntnis das Drittpartnergeschäft und das Geld auf den Treuhandkonten mit überwiegender Wahrscheinlichkeit nicht gegeben habe. „Wir haben das Geld nicht in den Bilanzen der Banken verorten können. Angebliche Bankunterlagen wiesen Schreibfehler auf.“ Bei den entsprechenden Nachweisen über Überweisungen auf die Konten soll es sich wahrscheinlich um Fälschungen gehandelt haben. Steinhoff: „Wir haben uns angeschaut, ob es zu den angeblich an Drittpartner vermittelten Kunden Kommunikation gibt. Wir haben aber zum überwiegenden Teil keine Kommunikation mit den angeblichen Kunden im Unternehmen gefunden. Wir haben keine Preis- oder Provisionslisten gefunden. Wir haben keine Händlerprüfung gefunden, keine Risikoanalyse.“ Es habe sich von den angeblich durch Wirecard an Drittpartner vermittelten Internethändlern keiner nach der Insolvenz gemeldet und Auszahlungen gefordert. Es habe sich auch keiner beschwert, dass sein Zahlungssystem nicht mehr funktioniere.

Steinhoff berichtete vom 35-Millionen-Euro-Kredit der Wirecard-Bank an Markus Braun. „Als ich davon hörte, habe ich Finanzvorstand von Knoop darauf angesprochen. Er sagte, das gehe mich nichts an. Das sei mit dem Aufsichtsrat so abgestimmt.“ Daniel Steinhoff über den Wirecard-Skandal: „Herr Marsalek wird das nicht alles selbst organisiert haben. Da wird eine Organisation um ihn herum gewesen sein.“

Heike Pauls hatte als Analystin der Commerzbank die Wirecard-Aktie 199-mal zum Kauf empfohlen. Sie galt als glühender Wirecard-Fan, geißelte kritische Berichterstattung über den Zahlungsabwickler als „Fake-News“. Den Job bei der Commerzbank hat sie inzwischen verloren. Vor dem Ausschuss sagte sie: „Ich bin bei Wirecard einem Betrug aufgesessen, so wie andere auch und stehe vor einem beruflichen Scherbenhaufen und werde nie wieder einen Job finden, wenn mein Ruf durch das Arbeitsgericht nicht wieder hergestellt wird.“ Sie habe mit Wirecard nicht gemeinsame Sache gemacht. „Ich sehe keine Verantwortung bei mir.“ Pauls hatte sich in ihrer aktiven Zeit häufig mit dem Management ausgetauscht. „Es ist Aufgabe des Analysten Investoren-Feedback an das Unternehmen weiterzureichen. Viele Investoren haben mich gebeten, Verbesserungsvorschläge weiterzureichen.“

Der große Wirecard-Liveblog zum Nachlesen: So berichteten die WiWo-Reporter aus dem Wirecard-Untersuchungsausschuss

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Mehr zum Thema: Bei dem mittlerweile insolventen Wirecard-Konzern wurde seit jeher getäuscht. Das zeigt das Buch „Die Wirecard-Story“ zweier WirtschaftsWoche-Reporter. Die Erfolgsgeschichte war zu schön, um wahr zu sein. Von Anfang an.

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