Technisch wäre die Umstellung problemlos. Das haben die Banker bereits intern geprüft. Allerdings halten sie es für unwahrscheinlich, dass die Institute den Negativzins weitergeben, indem sie von ihren Kunden tatsächlich Gebühren für die Geldverwahrung verlangen. „Das ist nicht machbar“, sagt ein Bankvorstand. Sparer würden in Massen zu ausländischen Banken flüchten. Das Geld würde im Zweifel sogar in Banknotenbündeln in der eigenen Wohnung landen. Der Sparkassenverband DSGV spricht bereits von einem Lockprogramm für Wohnungseinbrecher.
Eine Welt voller Schulden
Staaten allerdings brauchen niedrige Zinsen, denn die Welt lebt auf Pump: 2007 waren die USA, Europa und Japan im Schnitt mit 73 Prozent ihrer Wirtschaftsleistung (BIP) verschuldet, heute sind es 110 Prozent. Spätestens die Finanzkrise mit ihren Konjunktur- und Bankenrettungsprogrammen hat die Schulden der Industrieländer anschwellen lassen, wie es sonst nur Kriege vermögen.
Ein Ende ist nicht in Sicht. Der Schuldenberg wächst immer weiter, allein in Europa um 100 Millionen Euro – pro Stunde. Das Wirtschaftswachstum ist nicht stark genug für höhere Einnahmen, mit denen sich die Schulden abzahlen ließen. Für niedrigere Ausgaben wiederum, einen harten Sparkurs, fürchtet die Politik, von den Wählern abgestraft zu werden. So bleiben nur zwei Wege, um die Schulden abzutragen: niedrige Zinsen und mehr Inflation.
Das Rezept funktionierte bereits nach dem Zweiten Weltkrieg. Damals waren die Industrieländer, etwa die USA und Großbritannien, durch den Krieg überschuldet. Regierungen und Zentralbanken gelang es aber, die Zinsen über Jahre hinweg unter die Inflationsrate zu drücken. Schon in der ersten Nachkriegsdekade schrumpfte etwa der Schuldenberg Amerikas von 116 auf 66 Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung. „Negative Realzinsen haben die Staatsschulden abgeschmolzen“, heißt es in einer viel beachteten Untersuchung der US-Ökonominnen Carmen Reinhart und Belen Sbrancia.
Löcher ins Vermögen
Niedrigzinsen fressen am Ersparten, Notenbanker denken über Minuszinsen nach, und die Merkel-Garantie gilt auch nicht mehr.
Forderung nach härterer Mietpreisbremse, Grund- und Grunderwerbsteuern steigen, historisch oft Zwangsabgaben.
In Krisenphasen oft verboten, Mehrwertsteuerpflicht und Abschaffung der Spekulationsfrist drohen.
Finanztransaktionsteuer drückt, Forderung nach Abgeltungsteuer von 25 auf 32 Prozent, Vermögensabgabe wird diskutiert.
Inflation und negative Realzinsen (Zinsen unterhalb der Inflationsrate) entfernen die Schulden zwar nicht nominell, aber real. Grob: Wenn in zehn Jahren alles fünf Mal so teuer ist, aber auch alle fünf Mal so viel verdienen, tun die heutigen Schulden nicht mehr weh. Für Sparer bedeutet dies finanzielle Repression: Die Zinsen reichen nicht, um die Inflation auszugleichen, gemessen an der Kaufkraft, schmilzt das Vermögen. Die Nachkriegszeit dient den Regierungen nun als Modell für die finanzielle Repression, die aktuell auf die Sparer zurollt.
Bedrohung 2: Einmalige Vermögensabgabe
Eine Lösung mit der Brechstange wäre, von Vermögenden eine einmalige Abgabe zu erheben und damit Schulden zu tilgen. Das hat es schon gegeben: den Lastenausgleich, der Flüchtlinge und Vertriebene entschädigen sollte. Dazu wurde zum 21. Juni 1948 (einen Tag nach der Währungsreform) das Vermögen festgestellt. Betroffen waren Konten, Wertpapiere und Immobilien über 5.000 Mark Freibetrag.