Er war gerade gelandet, da musste Olaf Scholz bereits das erste Statement abgeben. Unterwegs, auf dem zehnstündigen Flug nach Kanada, hatte der deutsche Finanzminister und Vizekanzler erfahren, dass US-Präsident Donald Trump jetzt Ernst macht. Dass er keine weitere Frist gewährt. Dass stattdessen ab Juni europäische Unternehmen beim Export von Stahl und Aluminium in die USA Zölle zahlen müssen. Dass auch für Kanada und Mexiko keine Ausnahme mehr gilt.
Und so wiederholte Scholz noch vor Beginn des Treffens der G7-Finanzminister und Notenbankchefs in Whistler, was seine Kabinettskollegen in Berlin wenige Stunden zuvor erklärt hatten: „Das ist kein guter Tag für die transatlantischen Beziehungen“, sagte der SPD-Politiker. Die Entscheidung der Trump-Regierung sei „falsch und rechtswidrig“, die Europäische Union aber darauf vorbereitet. Man werde klug reagieren.
Nur wenig später konnte Scholz diese Ankündigung der US-Regierung persönlich überbringen: Bei einem Gespräch mit seinem amerikanischen Amtskollegen Steven Mnuchin, von dem es heißt, Donald Trump höre auf ihn. Scholz schätzt den US-Finanzminister als einen Gesprächspartner, mit dem er offen und ehrlich sprechen könne, ist aus Umfeld des SPD-Politikers zu hören.
Wie die EU auf die neuen US-Zölle reagieren könnte
Die US-Regierung macht ihre Drohungen ernst und verhängt ab Freitagmorgen neue Zölle auf Stahl- und Aluminiumlieferungen aus der Europäischen Union. Seit Beginn des Streits im März bereitet die EU-Kommission, die die Handelspolitik im Namen aller 28 Staaten leitet, den Ernstfall vor. Die Pläne werden nun Realität:
Die Kommission will am 1. Juni bei der WTO gegen die US-Maßnahmen klagen. Der Schritt ist bereits mit den Mitgliedsstaaten abgestimmt. Die WTO entscheidet bei Handelskonflikten zwischen ihren Mitgliedern. Allerdings können bis zu einem Urteil drei Jahre ins Land gehen. Die Erfolgsaussichten sind zudem unklar, da US-Präsident Donald Trump argumentiert, die Zölle dienten der nationalen Sicherheit seines Landes. Damit hätte die Genfer Organisation kaum Befugnisse. Die Kommission widerspricht der Argumentation. Zudem läuft die WTO Gefahr, bald nicht mehr entscheidungsfähig zu sein. Die USA blockieren nämlich die Neuberufung von Richtern für die Revisionsinstanz.
Gleichzeitig hat die EU eine Reihe von Gegenschlägen in der Schublade. Dazu gehören Zölle auf ur-amerikanische Produkte wie Whiskey, Motorräder oder Jeans. Die Strafabgaben im Volumen von 2,8 Milliarden Euro wurden bei der WTO angemeldet und können ab dem 20. Juni fällig werden. In einer zweiten Stufe können ab 2021 weitere US-Waren im Wert von 3,6 Milliarden Euro von Abgaben getroffen werden. Damit nimmt Brüssel insgesamt US-Waren im Wert von 6,4 Milliarden Euro ins Visier - genau der Zollwert, mit dem Washington nun Stahl und Aluminium aus Europa belegt.
Zudem will die Brüsseler Behörde europäische Stahlhütten vor Dumping-Einfuhren schützen. Die Furcht dahinter ist, dass Stahl, der in den USA wegen der nun höheren Preise keine Abnehmer mehr findet, früher oder später in Europa landet. Die Kommission untersucht seit Ende März den Markt und kann bis Ende des Jahres Schutzmaßnahmen verhängen.
Quelle: Reuters
Für Scholz bleibt es trotzdem eine schwierige Situation: Er soll helfen, den Handelsstreit möglichst schnell zu beenden – obwohl er weiß, dass dieser Prozess lange dauern wird.
Rund 40 Minuten sprach Scholz mit Mnuchin, hieß es anschließend aus Regierungskreisen. Dabei habe er deutlich gemacht, dass die EU Gegenpart und Verhandlungspartner der USA sei, nicht die einzelnen Mitgliedsstaaten. Diese Botschaft sei angekommen.
Die Strafzölle sind nicht das einzige Thema, bei dem sich Europa und die USA voneinander entfremden. Seit Trump das Atomabkommen mit dem Iran einseitig aufgekündigt hat, fürchtet die EU, dass europäische Firmen vom US-Markt ausgeschlossen werden, wenn sie weiter Geschäfte mit dem Iran betreiben. Auch das habe Scholz mit Mnuchin besprochen, hieß es nach dem Gespräch. Sein Vorwurf: Mit Sanktionen für europäische Unternehmen greifen die USA die Souveränität Europas an. Das sei nicht legitim.
Der direkte Austausch mit Mnuchin war erst der Auftakt mehrerer bilateraler Gespräche, die Scholz in Whistler führen will. Denn bei Treffen wie diesem läuft es meistens so: Es gibt das, was auf der Tagesordnung steht. Oft sind das Debatten zu ökonomischen Entwicklungen, von langer Hand geplant und vorbereitet. In Whistler diskutieren die Minister etwa den Umgang mit Kryptowährungen, den Schutz vor Cyberangriffen auf IT-Infrastruktur im Finanzsektor, oder die Frage nach finanziellen Rücklagen für Naturkatastrophen.
Und dann gibt es es das, was die Aktualität diktiert. Neben den Strafzöllen und dem geplatzten Iran-Deal steht momentan aus europäischer Sicht vor allem die Lage in Italien im Fokus. Es wird daher erwartet, dass Scholz unter anderem mit Frankreichs Wirtschafts- und Finanzminister Bruno Le Maire eine gemeinsame Haltung zur neuen italienischen Regierung abstimmen wird.