Bis zum letzten Moment hat EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström verhandelt. Am Mittwoch traf sie sich mit ihrem wichtigsten US-Ansprechpartner, Handelsminister Wilbur Ross, in Paris, um die Abschottung des US-Markts für Stahl und Aluminium zu verhindern. Doch der Einsatz war vergeblich.
Die von den USA verhängten Strafzölle auf die Einfuhren von Stahl und Aluminium aus der EU sind in Kraft getreten. Auf Importe werden nun Zölle in Höhe von 25 Prozent bei Stahl und zehn Prozent bei Aluminium fällig. Auch Mexiko und Kanada sind betroffen.
Wie wird Europa nun reagieren? EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker und Malmström betonen seit Wochen, dass sie auf das aktuelle Szenario vorbereitet sind. Mitte Mai hat die EU bei der Welthandelsorganisation eine Liste mit Gütern angemeldet, auf die sie im Gegenzug einen Zoll von 25 Prozent erheben kann, wenn die USA zu protektionistischen Maßnahmen greifen.
Wie die EU auf die neuen US-Zölle reagieren könnte
Die US-Regierung macht ihre Drohungen ernst und verhängt ab Freitagmorgen neue Zölle auf Stahl- und Aluminiumlieferungen aus der Europäischen Union. Seit Beginn des Streits im März bereitet die EU-Kommission, die die Handelspolitik im Namen aller 28 Staaten leitet, den Ernstfall vor. Die Pläne werden nun Realität:
Die Kommission will am 1. Juni bei der WTO gegen die US-Maßnahmen klagen. Der Schritt ist bereits mit den Mitgliedsstaaten abgestimmt. Die WTO entscheidet bei Handelskonflikten zwischen ihren Mitgliedern. Allerdings können bis zu einem Urteil drei Jahre ins Land gehen. Die Erfolgsaussichten sind zudem unklar, da US-Präsident Donald Trump argumentiert, die Zölle dienten der nationalen Sicherheit seines Landes. Damit hätte die Genfer Organisation kaum Befugnisse. Die Kommission widerspricht der Argumentation. Zudem läuft die WTO Gefahr, bald nicht mehr entscheidungsfähig zu sein. Die USA blockieren nämlich die Neuberufung von Richtern für die Revisionsinstanz.
Gleichzeitig hat die EU eine Reihe von Gegenschlägen in der Schublade. Dazu gehören Zölle auf ur-amerikanische Produkte wie Whiskey, Motorräder oder Jeans. Die Strafabgaben im Volumen von 2,8 Milliarden Euro wurden bei der WTO angemeldet und können ab dem 20. Juni fällig werden. In einer zweiten Stufe können ab 2021 weitere US-Waren im Wert von 3,6 Milliarden Euro von Abgaben getroffen werden. Damit nimmt Brüssel insgesamt US-Waren im Wert von 6,4 Milliarden Euro ins Visier - genau der Zollwert, mit dem Washington nun Stahl und Aluminium aus Europa belegt.
Zudem will die Brüsseler Behörde europäische Stahlhütten vor Dumping-Einfuhren schützen. Die Furcht dahinter ist, dass Stahl, der in den USA wegen der nun höheren Preise keine Abnehmer mehr findet, früher oder später in Europa landet. Die Kommission untersucht seit Ende März den Markt und kann bis Ende des Jahres Schutzmaßnahmen verhängen.
Quelle: Reuters
Die Liste beginnt mit Mais und endet mit Sportbooten, jeweils feinsäuberlich mit der achtstelligen Nummer versehen, mit der Handelsexperten Güter klassifizieren. Erdnussbutter, Orangensaft, Bourbon Whiskey – die Produkte wurden von den Handelsexperten der EU-Kommission so ausgesucht, dass sie maximale politische Wirkung entfalten – etwa weil sie in US-Bundesstaaten produziert werden, die für Trump bedeutsam sind. Die Liste ist mit europäischen Herstellern abgesprochen, die bis Ende März dazu Stellung nehmen konnten.
Brüssel hatte dann auch gleich angekündigt, auf die US-Entscheidung zu reagieren und im Gegenzug Zölle auf US-Produkte wie Motorräder, Whiskey oder Jeans zu erheben. Trump brachte daraufhin Einfuhrzölle von bis zu 25 Prozent auf Autos ins Spiel. Frankreichs Wirtschaftsminister Bruno Le Maire hatte noch am Donnerstag bekräftigt, es werde eine starke Antwort der EU geben. Ross warnte die Europäer dagegen vor einer Eskalation, falls sie mit Vergeltungszöllen antworten.
Nach den Regeln der WTO könnte die EU die Gegen-Zölle bereits ab dem 20. Juni verhängen. Das Regelwerk der WTO sieht auch vor, dass Importbeschränkungen in Form von Quoten mit Zöllen ausgeglichen werden.
Wie EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker umgehend nach Trumps Ankündigung erklärte, werde die Union zudem Klage bei der Welthandelsorganisation WTO einreichen. „Die USA lassen uns keine andere Wahl“, sagte er. „Das ist ein schlechter Tag für den Welthandel.“ Für Juncker ist die Lage klar: „Dies ist Protektionismus, klar und einfach.“ Die EU habe deutlich gemacht, dass sie nicht verhandeln wird, solange sie bedroht wird. Die USA spielten in die Hände derer, die für die Überkapazitäten auf den weltweiten Stahlmärkten verantwortlich sind, sagte Juncker, ohne China namentlich zu erwähnen. Ross hatte erklärt, China sei nicht der einzige Verantwortliche für Überkapazitäten. Die USA kaufen den meisten Stahl vom Nachbarn Kanada.
Der Luxemburger machte aus seiner Entrüstung über das Verhalten der Trump-Administration keinen Hehl. Vor Vertretern deutschsprachiger Medien sagte er: „Man hört nicht zu und man denkt, man kann die Europäer klein reden und klein machen.“
Wie genau die EU über die Klage bei der WTO hinaus reagieren wird, dürfte sich im Detail erst nach der Sommerpause entscheiden, heißt es in EU-Kreisen. Die EU-Kommission wird sich mit den 28 Mitgliedsstaaten beraten, ehe sie einen Vorschlag macht. Die müssen mehrheitlich zustimmen, ehe die EU zu einem Gegenschlag ausholen kann. Sollte es keine Mehrheit geben, wird das Verfahren kompliziert. Zuletzt hatten sich einige Mitgliedsstaaten wie etwa die Niederlande aber für ein entschlossenes Auftreten gegenüber Trump ausgesprochen, weil der auf Verhandlungsangebote nicht reagiere.
Im Exportorientierten Deutschland ist der Angst vor einem Handelskrieg jedoch sehr viel ausgeprägter – zumal Trump Zölle auf Pkw ins Auge fasst, die gerade die deutsche Wirtschaft stark treffen würden. Entsprechend reagierte auch der Aktienindex Dax. Der Leitindex weitete seine lange Zeit nur moderaten Verluste am Nachmittag deutlich aus und erreichte bei 12.547 Punkten seinen tiefsten Stand seit April.
Mit Material der dpa