Großbritannien Innerparteilicher Putsch gegen Theresa May

Die britische Premierministerin Theresa May muss sich einem Misstrauensvotum stellen. Quelle: imago images

Drama für die britische Regierung: Schon am Abend könnte Premierministerin Theresa May ihr Amt verlieren. Noch hat sie Chancen die innerparteiliche Misstrauensabstimmung zu überstehen. Die Folgen einer Niederlage wären schwer abzusehen. Muss der Brexit verschoben werden?

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Die angeschlagene britische Premierministerin Theresa May gibt sich kämpferisch: „Ich werde mich diesem Votum stellen und alles was ich habe, für einen Sieg aufbieten“, erklärte sie am Mittwochmorgen kurz nach neun Uhr. Dann erinnerte sie das Land und ihre Partei daran, was auf dem Spiel steht: „Wir müssen das Ergebnis des Referendums von 2016 umsetzen, es besteht nun die Gefahr, dass der Brexit verzögert wird oder gar nicht mehr stattfinden kann“. Sprach's und verschwand wieder hinter der Tür der 10 Downing Street.

30 Minuten vorher hatte die Nation erfahren, dass May in weniger als 24 Stunden gestürzt werden könnte. Sie muss sich einem innerparteilichen Misstrauensvotum stellen, weil 48 Tories schriftlich ihre Ablösung gefordert haben. Durchaus möglich, dass die Premierministerin am Donnerstag und Freitag gar nicht mehr am EU-Gipfel teilnehmen wird, sondern nur noch ihren Stellvertreter David Liddington schickt, wenn sie heute Abend keine Mehrheit bekommen sollte. Denn wenn sie die Abstimmung verliert, wäre sie als Premierministerin nicht mehr zu halten. Im Raum steht nun auch eine Verschiebung des Ausstritts Großbritanniens aus der EU, der eigentlich in drei Monaten geplant ist. Unklar ist zudem, wie es mit der Ratifizierung des Scheidungsvertrags weitergehen wird.

In Großbritannien überschlagen sich derzeit die Ereignisse und das Brexit-Fiasko wird immer mehr zur tragischen Posse. Nachdem May überraschend die für Dienstag geplante Unterhaus-Abstimmung über den EU-Scheidungsvertrag abgesagt hatte und damit einer krachenden Niederlage zuvorgekommen war, brach sie zu einer hastig organisierten Tour nach Berlin, Den Haag und Brüssel auf, um dort um Konzessionen zu betteln. Überall aber schlug ihr eisige Ablehnung entgegen: Neuverhandlungen über den Entwurf werde es nicht geben, auch wenn man ihr gerne helfen würde, so die Botschaft. Nach ihrer Rückkehr nach London meldete sich dann Sir Graham Brady, der Vorsitzende des 1922-Ausschusses, eines einflussreichen Parteikomitees, gestern Abend bei May. Er hatte schlechte Nachrichten. Mindestens 48 Tories hätten ihm Briefe geschrieben, um ein Misstrauensvotum gegen sie in Gang zu setzen, teilte er ihr mit.

Sir Graham ist ein Hinterbänkler, von dem im Ausland noch nie jemand gehört hat. Doch er hält nun alle Fäden in der Hand und ähnlich wie bei Margaret Thatcher vor 28 Jahren könnte auch ihre Nachfolgerin nun trotz aller Kampfeslust recht rasch von der politischen Bühne abtreten müssen. Die 62-jährige May dürfte nach ihrer nervenaufreibenden Tour durch drei europäische Hauptstädte am Dienstagabend erschöpft und entmutigt gewesen sein.

Doch Diskretion ist bei derart heiklen Vorgängen erste Pflicht, deshalb ließ sich Sir Graham nichts über die Reaktion der Premierministerin entlocken. Er wollte auch nicht sagen, wie viele Briefe tatsächlich bei ihm eingegangen sind. So viel aber verriet er immerhin: „Die Premierministerin war sehr darauf erpicht, dass die Angelegenheit so schnell wie möglich in Angriff genommen wird“. Er habe dann entschieden, die Nachricht noch vor der Öffnung der Finanzmärkte zu veröffentlichen. Um sieben Uhr morgens meldet er sich bei der BBC.

Und so geht es nun weiter: Ihre geplante Stippvisite in Dublin, wo May am Mittwochnachmittag um Änderungen des Brexit-Abkommens werben wollte, wurde abgesagt. Stattdessen wird sich die Premierministerin um 17 Uhr Ortszeit im Ausschuss-Raum 14 des britischen Parlaments persönlich an ihre Fraktion wenden und dabei um Unterstützung werben. Sie wird dabei mit Sicherheit den Brexit in den Mittelpunkt stellen und betonen, dass es angesichts des knappen Zeitplans – der offizielle Austrittstermin ist der 29. März 2019 um 23 Uhr – verheerend wäre, kostbare Tage für den innerparteilichen Kampf um die Führung der konservativen Partei zu verschwenden.

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