Deutschland werde künftig in der europäischen Währungsunion eher überdurchschnittliche Inflationsraten aufweisen, sagte Jens Ulbrich, der Leiter der volkswirtschaftlichen Abteilung der Bundesbank, vor dem Finanzausschuss des Bundestags. „Die EZB macht eine Geldpolitik für den Durchschnitt der Euro-Zone. Eine höhere, deutsche Inflationsrate ist sogar gut für die Euro-Zone, da sich dann die Wettbewerbsfähigkeit der Mitgliedsländer der Währungsunion angleicht“, bekräftigt ein hochrangiger Bundesbanker.
Viele Ökonomen treibt diese neue Toleranz auf die Barrikaden. „Die Politik der ,etwas höheren‘ Inflation ist ein wirtschaftlich und politisch gefährlicher Weg, der nicht beschritten werden darf“, schrieben zwölf angesehene deutsche Wirtschaftswissenschaftler in einem Mitte der Woche veröffentlichten Aufruf. Wer statt bisher zwei auch „vier oder gar sechs Prozent“ Inflation toleriere, um so die hohen Staatsschulden real zu entwerten und schmerzlos zu reduzieren, riskiere eine folgenreiche Lohn-Preis-Spirale. „Inflation ist wie Zahnpasta: Ist sie einmal aus der Tube, bekommt man sie nur schwer wieder hinein“, zitieren die Autoren den ehemaligen Bundesbank-Präsidenten Karl Otto Pöhl. Die EZB wird, so viel ist klar, ihre Geldpolitik nicht an der robusten Konjunktur in Deutschland ausrichten, sondern auf schwache Länder wie Spanien Rücksicht nehmen: „Die Geldpolitik der EZB wird in den nächsten Jahren für Deutschland daher eher zu expansiv sein“, sagt Alessandro Bee, Ökonom bei der Bank Sarasin.
Wohnen wird nicht billiger
Jürgen Michels, Ökonom der Citigroup, rechnet damit, dass die EZB ihre Geldpolitik noch weiter lockern wird. „Ich erwarte, dass die EZB noch mehrere Dicke Berthas in diesem Jahr zünden und in absehbarer Zeit die Zinsen noch weiter senken wird.“ Als „Dicke Bertha“ bezeichnete EZB-Chef Mario Draghi die Programme, die den Banken die astronomische Summe von einer Billion Euro zur Verfügung stellten.
Gegen Bertha hilft nur Beton, denken viele Deutsche.
Fest steht: Wohnen wird nicht billiger, egal, ob zur Miete oder als Eigentümer, der Hypothekenraten abstottern muss. Vermögensverwalter Schott rät deshalb nach wie vor „fast uneingeschränkt zu solide gepreisten und finanzierten selbst bewohnten Immobilien“. Bei Immobilien zur Kapitalanlage ist er deutlich zurückhaltender: „Hier überschätzen viele die Möglichkeiten künftiger Mietsteigerungen sowie die hohen Kosten für die Instandhaltung.“
Im-mobil - un-beweglich
Oliver Moll vom Hamburger Immobilien-Verwalter Moll & Moll Zinshaus, der auf Verkauf und Verwaltung großer Mietshäuser für private Kapitalanleger spezialisiert ist, führt sein Unternehmen in dritter Generation; Seine Preisdaten reichen mehr als 100 Jahre zurück. „Solche Kaufpreise haben wir in Hamburg noch nie gesehen“, sagt Moll. „Traditionell hatten wir hier durchschnittlich 12 bis 17 Netto- Jahreskaltmieten; heute sehen wir kaum noch ein Objekt für weniger als die 22-fache, manchmal 25-fache Mieteinnahme eines Jahres.“ Eine Mietrendite von mehr als 1,5 Prozent nach Steuern ließen diese Preise nicht mehr zu.
Aber: „Menschen, die Millionen auf dem Tagesgeldkonto oder in Geldmarktfonds geparkt haben, braucht man mit Argumenten wie einer schlechten Mietrendite nicht zu kommen; das interessiert die überhaupt nicht; sie haben schlicht Angst um ihr Geld“, sagt der Regensburger Vermögensverwalter Frank-Rüdiger Griep. Übersehen wird dabei leicht, dass großer Immobilienbesitz auch Gefahren birgt: „Wer sein ganzes Geld aus Angst vor hoher Inflation in Immobilien steckt, macht es, wie der Name schon sagt, unbeweglich. Sie sind für Neider oder einen klammen Staat, der Steuern erhöhen muss, gut sichtbar“, sagt der Hamburger Analyst Andreas Otto.