




Eigentlich soll die US-Wirtschaft das neue Zugpferd der Weltwirtschaft werden. Doch so richtig will sie diese Rolle nicht einnehmen - auch nicht knapp einen Monat nachdem die US-Notenbank Fed erstmals seit 2006 die Zinsen wieder leicht erhöht hat. Deshalb sind richtige Impulse für die globale Wirtschaft nicht in Sicht, das Wachstum der Weltwirtschaft plätschert dahin. Das liegt auch daran, dass die Schwellenländer längst nicht mehr so stark wachsen wie noch vor einigen Jahren. Vor allem China wird immer mehr zum Problemfall.
Kein Wunder, dass das langsame Weltwirtschaftswachstum auch auf der diesjährigen Tagung der American Economic Association (AEA), dem größten Ökonomentreffen der Welt, das dominierende Thema war. 12.000 Ökonomen aus aller Welt diskutierten in San Francisco, warum die Weltwirtschaft mehr als sieben Jahre nach der Lehman-Pleite und nach jahrelanger Nullzinspolitik der Zentralbanken noch immer viel langsamer wächst als in früheren Aufschwungphasen. Manche Teilnehmer nahmen gar das böse R-Wort von einer drohenden Rezession in den Mund.
Zwar wurde dies nur als Risikoszenario diskutiert. Doch der jüngste Kurseinbruch an den Aktienmärkten verleiht diesem Szenario eine unerwartete Dramatik.
In den USA hat sich die Wirtschaft zwar rascher von der Finanzkrise erholt als in Europa. Doch von einem fulminanten Aufschwung kann in Amerika keine Rede sein. Waren in der Vergangenheit nach schweren Rezessionen im Aufschwung Wachstumsraten von vier bis fünf Prozent üblich, so müssen sich die USA derzeit mit halb so hohen Raten zufrieden geben. Einig waren sich die Ökonomen, dass sich daran so schnell nichts ändern werde. Uneinigkeit herrschte hingegen über die Gründe für das bescheidene Wachstum.
Politik hält auf
John Taylor, Professor an der Universität von Stanford, machte die schlechte Wirtschaftspolitik der Regierung in Washington für das blutleere Wachstum verantwortlich. Die Politiker hätten die Lektion der Achtzigerjahre vergessen. Diese laute: Deregulierungen und Steuersenkungen verhelfen der Wirtschaft zu höherem Wachstum. Seit Jahren fahre der Zug in die falsche Richtung, monierte Taylor. Zusätzliche Regulierungen und höhere Steuern nähmen der Wirtschaft die Luft zum Atmen. Daher sei eine angebotspolitische Reformoffensive erforderlich, bei der die Steuersätze gesenkt und die Steuerbasis verbreitert werden müssten. Zudem sollten die Sozialleistungen kritisch unter die Lupe genommen werden.
Hingegen sei der Versuch gescheitert, durch eine ultralockere Geldpolitik mehr Wachstum zu generieren. “Die Politik der quantitativen Lockerung sowie der Versuch der Fed, die Zinserwartungen der Märkte zu steuern, waren Misserfolge”, kritisierte Taylor die Politik der US-Notenbank Fed.
Stimmen zur Zinswende der Fed
"Die heutige Entscheidung der Fed, die Zinsen zum ersten Mal seit fast zehn Jahren zu erhöhen, ist ein historischer Moment. Die Zinsanhebung markiert das offizielle Ende der globalen Finanzkrise für die USA und bildet den Auftakt zu einer Normalisierung der amerikanischen Geldpolitik. Dieser Schritt wurde allgemein erwartet. Vor dem Hintergrund, dass auf dem US-Arbeitsmarkt nahezu Vollbeschäftigung herrscht und im kommenden Jahr ein Anstieg der Inflation erwartet wird, war eine Anhebung der Zinsen längst überfällig. Diejenigen, die die Zinsanpassung kritisch sehen, lassen außer Acht, dass die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen durchaus Zinssätze zwischen zwei und drei Prozent und eine Fed-Bilanz ohne Überschussreserven rechtfertigen - eine Zinspolitik, die weit entfernt vom Krisenmodus ist, der selbst heute noch dominiert."
"Diese Entscheidung der Fed war fällig. Angesichts der guten wirtschaftlichen Situation können die USA einen langsamen Ausstieg aus der Politik des billigen Geldes gut verkraften. Die Auswirkungen auf die Schwellenmärkte dürften begrenzt bleiben, solange die Notenbank nur moderat an der Zinsschraube dreht. Insgesamt wird die Erhöhung zwar nicht ganz ohne kurzfristige Folgen bleiben. Allerdings sind diese leichter verkraftbar als die Risiken neuer Finanzmarktblasen.
Die Entscheidung der Amerikaner dürfte es zudem der EZB erleichtern, ihren übertriebenen Aktionismus der letzten Monate zu überdenken. Denn Geld zum Nulltarif allein lässt die Unternehmen hierzulande nicht investieren, dazu brauchen sie vielmehr bessere wirtschaftspolitische Rahmenbedingungen."
"Klar ist, dass sich im Zuge der Normalisierung des Zinsniveaus die Preisblasen an Anleihe-, Aktien- und Immobilienmärkten zurückbilden werden. Bei diesem Prozess lauern erhebliche Gefahren eines sprunghaften Verlaufs, nicht zuletzt auch für die Devisenmärkte und die in US-Dollar verschuldeten Schwellenländer. Es nützt aber nichts, aus Furcht davor den Ausstieg aus der ultra-expansiven Zentralbankgeldversorgung immer weiter hinauszuzögern. Je länger die künstlich niedrigen Zinsen bestehen bleiben, umso mehr Verzerrungen entstehen und desto schmerzhafter würde eine noch spätere Korrektur. Von einer Normalisierung ist die US-Geldpolitik immer noch meilenweit entfernt. Entscheidend wird jetzt sein, wann die Marktteilnehmer den nächsten Schritt erwarten."
"Wir sind auf dem Weg in die Normalität. Die US-Konjunktur läuft solide, der Arbeitsmarkt hat Vollbeschäftigung erreicht und die Kerninflation ist jetzt schon hoch genug, um mit dem Zinserhöhungszyklus zu starten. Mit dem Zinsschritt beginnt die Fed, Handlungsspielraum für neue Herausforderungen zurückzugewinnen. Denn ein langfristig starker Dollar und ein dauerhaft niedriger Ölpreis bringen durchaus Schwierigkeiten für die US-Wirtschaft."
"Mit der Zinsentscheidung der Fed ist der lange erwartete Einstieg in eine restriktivere Geldpolitik da. Für nächstes Jahr ist mit weiteren Zinsschritten zu rechnen. Gleichwohl wird die US-Zentralbank unter den Notenbanken der großen Volkswirtschaften wohl erst mal alleine bleiben - die EZB hat ja jüngst sogar ihre expansive Politik noch zeitlich ausgeweitet. Angesichts der Risiken für die Finanzstabilität wäre eine Abkehr von der Politik des billigen Geldes wünschenswert."
"Ich finde die Zinserhöhung angemessen, im Grunde überfällig. Der Pfad der Zinserhöhungen im kommenden Jahr dürfte relativ flach bleiben. Gegenwind von den Finanzmärkten, etwa auch ein stärkerer Dollar, dürften das Tempo der Zinserhöhungen drosseln. Für die EZB heißt der Schritt der Fed erst einmal nicht viel."
"Die Zinserhöhung spiegelt ein begründetes Vertrauen der Mehrheit der US-Notenbanker in die Beschäftigungslage und die Aussichten auf eine mittelfristige Rückkehr der Inflation zur Zielmarke von zwei Prozent wider. Die Fed dürfte jedoch mit einem zweiten Zinsschritt warten, bis sich die Inflation erhöht hat."
"Letztlich möchten die US-Währungshüter die Nullmarke bei den Zinsen hinter sich lassen, um beim nächsten Abschwung über die nötige Zinsmunition zu verfügen. Janet Yellen wird im kommenden Jahr sehr behutsam mit weiteren Zinserhöhungen vorgehen. In Anbetracht der fragilen Lage im verarbeitenden US-Gewerbe bleiben weitere Zinsschritte aber eine Gratwanderung."
"Man könnte sich jetzt darüber streiten, ob die sehr kleine Zinsveränderung tatsächlich die große Wende ist - oder nur ein kleines geldpolitisches Trostpflaster für die angespannte Weltwirtschaft. Wie geht es jetzt weiter? Drei Faktoren stehen im Fokus: die US-Inflation, die US-Konjunktur und die Weltwirtschaft."
"Für die EZB hat der Zinsentscheid der Fed keine Signalwirkung - dazu sind auch die konjunkturellen Rahmenbedingungen zu unterschiedlich. Die Kapitalmarktzinsen im Euroraum werden wohl noch für sehr lange Zeit auf ihrem extrem niedrigen Niveau verharren."
"Unstrittig ist (...), dass der Startschuss für die Leitzinserhöhungen das Ende eines historisch einmaligen geldpolitischen Experiments darstellt. Da es keine Blaupausen für die Rückabwicklung einer solch ultraexpansiven Kurssetzung gibt, ist diese per se mit Unsicherheit verbunden und dürfte für Schwankungen an Kapital- und Devisenmärkten sorgen. Anfällig sind dabei traditionell die Volkswirtschaften und Währungen der Schwellenländer."
"Die Entscheidung war längst überfällig. Allerdings hat die US-Notenbank signalisiert, dass sie nur sehr langsam die Zinsen in den kommenden Jahren erhöhen wird. Die Geschwindigkeit der erwarteten graduellen Zinserhöhung könnte sich als zu langsam erweisen und die Risiken für die Finanzstabilität in den USA erhöhen. Die Prognose für die US-Wirtschaft ist gut, die Geldpolitik der USA jedoch für die kommenden Jahre weiterhin sehr expansiv."
"Die Zinserhöhung der US-Notenbank ist eine gute Nachricht: Sie zeigt, dass die Fed dem konjunkturellen Aufschwung in den USA vertraut und die Folgen der Finanzkrise zum größten Teil als überwunden ansieht. Die amerikanische Notenbank hat die Marktteilnehmer sorgfältig auf den Zinsschritt vorbereitet."
"Die Fed betritt mit ihren Zinsschritt ganz klar Neuland: Noch nie hat sich eine US-Notenbank auf den Weg in einen Zinserhöhungszyklus gemacht, wenn die Raten für das Wirtschaftswachstum so niedrig waren und die eigene Bilanz so aufgeblasen. Die Tatsache, dass die Rücklagen von Finanzinstituten bei der Zentralbank seit 2007 von 15 Milliarden auf 2,5 Billionen Dollar angestiegen sind, macht den Weg für die Fed nicht einfacher. Wir erwarten aber nicht, dass die Fed ihre Bilanz zurückfahren wird, bevor sie nicht noch einige Zinsschritte gegangen ist.
Dass die Fed ihren Zinserhöhungszyklus startet, so kurz nachdem die EZB ihre Geldpolitik noch weiter gelockert hat, unterstreicht unseren positiven Ausblick für den US-Dollar, von dem wir glauben, dass er im kommenden Jahr die Parität zum Euro erreichen und auch unterschreiten wird."
"Die Entscheidung der Fed ist eindeutig ein Zeichen der Zuversicht in die US-Wirtschaft. In den kommenden Monaten wird die US-Notenbank genau beobachten, wie die Wirtschaft und die Märkte reagieren werden. Ein entscheidender Faktor wird die Reaktion des US-Dollar sein. Viele Beobachter erwarten, dass höhere Zinsen zu einem festeren Dollar führen. Diese Einschätzung teile ich nicht unbedingt: Sollten wir 2016 nur wenige, beispielsweise zwei Zinsschritte sehen, gehe ich von einem schwächeren US-Dollar aus."
"Die Fed hat endlich damit begonnen, die Zinsen anzuheben. Nachdem jetzt diese eine Unsicherheit aufgelöst wurde, werden sich die Fragen nun um die Geschwindigkeit der Erhöhungen im nächsten Jahr drehen. Die Fed hat für das kommende Jahr vier Erhöhungen in Aussicht gestellt, was bedeutend mehr ist als der Markt erwartet hat. In den vergangenen Jahren, waren es die Vorhersagen der Fed, die falsch waren, und der Markt hatte Recht behalten. Wir könnten letztlich am Wendepunkt stehen, an dem der Markt beginnt, die Vorhersagen der Fed ernster zu nehmen."
Ähnlich argumentierte der Harvard-Ökonom Martin Feldstein. Zwar habe die US-Wirtschaft einige strukturelle Stärken, die es ihr erlaubten, schneller zu wachsen als die Wirtschaft in Europa. Dazu zählte Feldstein neben der Kultur des Unternehmertums den flexiblen Arbeitsmarkt und die führende Stellung der USA in der Spitzenforschung. Dagegen gingen von den nach wie vor hohen Staatsschulden sowie dem mangelhaften Bildungssystem unterhalb der Eliteunis bremsende Effekte auf das Wachstum der US-Wirtschaft aus. Für die nächsten Jahre erwartet Feldstein daher nur Wachstumsraten von maximal 2,5 Prozent.
Das größte Risiko für die US-Wirtschaft sieht Feldstein in der Niedrigzinspolitik der US-Notenbank. Die Fed habe die Zinsen nach unten gedrückt, um die Anleger aus den Staatsanleihen in andere Assetklassen wie Aktien und Immobilien zu drängen. Der dadurch ausgelöste Preisanstieg bei Aktien und Immobilien hat die Vermögen der Bürger wachsen lassen und ihre Konsumlaune verbessert.