Russland-Sanktionen Warum wir Putins Reich als Absatzmarkt nicht brauchen

Saure Gurken: Russische und Deutsche Waren in einem Geschäft in Moskau. Quelle: dpa Picture-Alliance

Eine neue Datenanalyse zeigt, wie die Bedeutung Russlands für die deutsche Wirtschaft schon vor dem Überfall auf die Ukraine gesunken ist. Für einen Großteil der deutschen Exporte gäbe es aber eine Alternative, schreiben Holger Görg, Anna Jacobs und Saskia Meuchelböck in einem Gastbeitrag. 

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Die Invasion Russlands in die Ukraine Ende Februar 2022 hat schlagartig zu einer Neubewertung der politischen und wirtschaftlichen Beziehungen zu Russland geführt. Die Europäische Union, die USA und viele weitere Länder haben eine Reihe von Sanktionspaketen gegen Russland beschlossen. Die Sanktionen reichen von Maßnahmen gegen Einzelpersonen in Form von Reisebeschränkungen und dem Einfrieren von Vermögenswerten bis hin zu starken Einschränkungen im Transportsektor sowie Wirtschaftssanktionen, die auf Russlands Handels- und Finanzbeziehungen mit anderen Ländern abzielen. Sie ergänzen die weniger umfassenden Sanktionen, die bereits seit der Annexion der Krim durch Russland 2014 in Kraft sind und auf die Russland mit einem bis heute gültigen Importembargo für bestimmte Landwirtschafts- und Lebensmittelprodukte reagiert hatte.

von Karin Finkenzeller, Daniel Goffart, Maxim Kireev, Artur Lebedew, Angela Maier, Silke Wettach

Auf der Liste der Produkte, die nicht nach Russland exportiert werden dürfen, stehen mittlerweile unter anderem hochwertige Elektronikerzeugnisse, Halbleiter und Software, bestimmte Maschinen und Fahrzeuge, Ausrüstung für die Energiewirtschaft sowie die Luft- und Raumfahrtindustrie, Güter mit doppeltem Verwendungszweck (die sowohl militärisch als auch zivil eingesetzt werden können) und Luxusgüter. Die Importsanktionen betreffen unter anderem Kohle, Gold, Stahl, Eisen, Holz, Spirituosen und – mit Übergangsfristen und Ausnahmen – Erdöl. Der Europäische Rat (2022) gibt einen detaillierteren Überblick über die EU-Sanktionen gegen Russland.

Zudem hat eine Vielzahl von Unternehmen beschlossen, ihre Geschäfte mit Russland einzuschränken oder sich ganz aus dem Markt zurückzuziehen, selbst wenn sie nicht unmittelbar von den Sanktionen betroffen sind. Angaben der Yale School of Management (2022) zufolge, die Informationen zu den Geschäftsaktivitäten multinationaler Unternehmen in Russland auswertet, haben sich von knapp 130 untersuchten deutschen Unternehmen 24 komplett aus dem russischen Markt zurückgezogen, 39 haben vorübergehend ihr Russlandgeschäft nahezu vollständig eingestellt und weitere 22 haben ihr Engagement deutlich reduziert.

Die Sanktionen und der freiwillige Rückzug deutscher Unternehmen haben sich deutlich auf den Außenhandel mit Russland ausgewirkt. Laut Zahlen des Statistischen Bundesamtes lagen deutsche Exporte nach Russland im Zeitraum März bis Juni 2022 – also seit Ausbruch des Krieges – insgesamt 55 Prozent unter den Vorjahreswerten. Besonders drastisch gingen die Exporte von Kfz-Produkten (minus 95 Prozent ), Datenverarbeitungsgeräten (minus 77 Prozent ) und elektrischen Ausrüstungen (minus 71 Prozent ) zurück. Die Exporte von pharmazeutischen und landwirtschaftlichen Produkten stiegen dagegen im gleichen Zeitraum um rund 20 Prozent, was jedoch auf höhere Preise zurückzuführen ist. Die Importe aus Russland sind – insbesondere aufgrund höherer Preise für Rohstoffe – seit Ausbruch des Krieges um 47 Prozent im Vergleich zum Vorjahr gestiegen.
Lesen Sie auch: Viele Länder weltweit haben bislang noch keine Sanktionen gegen Russland verhängt. Eine Weltkarte zeigt, welche das sind.

Allerdings sind die importierten Mengen nahezu in allen Produktkategorien deutlich zurückgegangen, was für rückläufige Abhängigkeiten von russischen Lieferungen spricht. Eine Ausnahme sind landwirtschaftliche Erzeugnisse sowie Nahrungs- und Futtermittel, für die die importierten Mengen zwischen März und Juni mehr als 30 Prozent über dem Vorjahr lagen. In Anbetracht des Einbruchs der Exporte nach Russland stellt sich die Frage nach den Folgen für die deutsche Wirtschaft.

Zu den Autoren

Görg, Jacobs und Meuchelböck (2022) analysieren einen neuen Datensatz auf Unternehmensebene, um das Engagement deutscher Unternehmen auf dem russischen Markt zu untersuchen. Obwohl die Daten nur bis 2018 – und damit weit vor Kriegsbeginn – verfügbar sind, bieten sie wertvolle Einblicke in das Engagement deutscher Unternehmen in Russland. Bereits seit der Annexion der Krim 2014 hat Russland als Absatzmarkt merklich an Bedeutung verloren. So sank der Anteil Russlands an den Warenexporten auf rund zwei Prozent , vor 2015 hatte er noch bei über drei Prozent gelegen.

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