Wirtschaft im Weitwinkel
EZB: Warum es kaum noch Spielraum für eine Zinsanhebung gibt Quelle: imago images

Chance vertan: Zinsen bleiben niedrig

Die negativen Einlagenzinsen der EZB belasten Unternehmen und Banken, die Gelegenheit, diese „Sondersteuer“ nun abzuschaffen, hat die Notenbank verstreichen lassen. Warum es für eine Zinsanhebung kaum Spielräume gibt.

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Die Inflation im Euro-Raum ebbt weiter ab. Im Januar erreichte die jährliche Rate nur noch einen Anstieg von 1,4 Prozent, nach 1,6 Prozent im Dezember 2018. Der Grund für die Abwärtsbewegung liegt wie schon in den Vormonaten in den Energiepreisen, die im Vorjahresvergleich mittlerweile nur noch einen moderaten Preisdruck ausüben. Mit der erneuten Abschwächung der Inflationsrate wachsen auch die Zweifel, ob die Europäische Zentralbank (EZB) ihr Inflationsziel von „nahe aber unter zwei Prozent“ erreicht.

Die Hoffnungen des EZB-Präsidenten Mario Draghi lagen zuletzt auf denjenigen Ländern, die derzeit mit einem erhöhten Fachkräftemangel zu kämpfen haben und ein steigendes Lohnwachstum aufweisen – dazu gehört vor allem auch Deutschland. Die Lohndynamik bleibt hier – aber auch in vielen anderen Euroländern – bisher jedoch bestenfalls auf einem soliden Niveau. In Deutschland blieb die harmonisierte Inflationsrate im Januar stabil bei 1,7 Prozent. Damit ist zumindest in den kommenden Monaten in der Euro-Zone kein nennenswerter Auftrieb bei der Inflationsrate zu erwarten.

Das zeigt auch ein Blick auf die sogenannte Kernrate – also jene Komponente für die schwankungsärmeren Preise von Dienstleistungen und nicht-energetischen Industriegüter. Sie ist auch ein Gradmesser, inwiefern sich die Lohndynamik in einen höheren Preisdruck übersetzt. Seit Jahren pendelt die Kernrate jedoch innerhalb eines Korridors von 0,6 bis 1,3 Prozent. Ein Aufwärtstrend ist hier nicht abzulesen. Im Januar stieg die Kernrate zwar leicht an. Sie blieb aber auch mit 1,2 Prozent auf einem gedämpften Niveau.

Wenig Inflation und Wachstum, Zinserhöhung obsolet

Der Ausblick für das laufende und das kommende Jahr bleibt entsprechend vorsichtig. Die Inflation sollte in den kommenden zwei Jahren nicht merklich ansteigen, sondern weiterhin um die 1.5 Prozent pendeln und damit auch sichtbar unterhalb der EZB-Zielmarke bleiben. Für erhöhte Volatilität könnten wie in den vergangenen Jahren der Ölpreis sowie ein Stück weit auch die Nahrungsmittelpreise sorgen. Ein nachhaltiger Anstieg auf Werte oberhalb der Zwei-Prozent-Marke ist nicht wahrscheinlich.

Für die EZB sind das keine guten Nachrichten. Eigentlich hatte die EZB den Markt darauf vorbereitet, im September dieses Jahrs einen milden Zinsanhebungszyklus zu beginnen. Die überraschende Wachstumsabkühlung und die nachlassende Inflationsdynamik dürfte diesen Plan nun obsolet machen. Die EZB geht mit dem vorliegenden Datenkranz die Argumentation für eine oder gar mehrere Zinsanhebungen verloren. Nun rächt sich, dass man nicht früher mit Zinsanhebungen begonnen hat. Die wirtschaftlichen Daten hätten dies eigentlich zugelassen. Aber dieses zeitliche Fenster scheint sich nun schnell zu schließen.

Der zinspolitische Handlungsspielraum ist bei einer weiteren konjunkturellen Abkühlung sehr begrenzt. Und wenn man eine weitere Absenkung in den negativen Bereich ausschießt, gibt es für die EZB eigentlich keinen Handlungsspielraum bei der Zinspolitik. Zudem bleibt der Einlagesatz mit -0,4 Prozent weiterhin negativ. Dieser wirkt mittlerweile wie eine Sondersteuer auf Banken sowie Unternehmen und verringert damit die Wettbewerbsfähigkeit des Euro-Raums. Eigentlich wollte die EZB dieses Problem elegant mit den angekündigten Zinsanhebungen lösen, aber daraus wird jetzt wohl nichts.

Die Lage

Die EZB kann dieses Dilemma lösen. Jedoch müsste der EZB- Rat dafür die Art der Zinspolitik ändern. Seit Bestehen der EZB werden die Zinsentscheidungen immer durch den wirtschaftlichen Datenkranz und die entsprechenden Erwartungen begründet. Man reagiert also auf wirtschaftliche Entwicklungen und Veränderungen in der Erwartungsbildung. In der aktuellen sehr speziellen Phase könnte die EZB für einen begrenzten Zeitraum auf eine normative Begründung übergehen – also eine limitierte Zinsanhebung mit dem Umstand begründen, dass die seinerzeit aus guten Gründen eingeführten negativen Zinsen im Einlagesatz nun mehr schaden als Nützen.

Hierfür müsste der EZB-Rat nun die Kommunikationspolitik ändern. Ob Zentralbankchef Draghi in seiner Amtszeit, die im Oktober 2019 ausläuft, hierfür noch die Kraft findet, ist sehr fraglich. Man kann nur hoffen, dass sein Nachfolger in den Wochen nach der Amtsübernahme hier schnell einen anderen Politikstil findet und damit die unnötige Belastung des Euro-raums durch die negativen Zinsen pragmatisch beendet.

Leider ist ein solches Szenario nicht sehr wahrscheinlich. Damit werden wir noch einige Jahre mit dem vorliegenden, sehr niedrigen Zinsumfeld umgehen müssen.

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