Die Brennstoffzelle im Auto: Zukunftstechnologie oder Notlösung?

Eine Wasserstofftankstelle
Die Zahl der Firmenbosse, die sich an diesem kalten Winterabend im Schweizer Nobel-Skiort Davos versammeln, ist beeindruckend: die Chefs der Ölmultis Shell und Total, des Autoherstellers Hyundai, der Gaseproduzenten Linde und Air Liquide und nicht zuletzt der Verwaltungsratsvorsitzende von Toyota. Sie alle haben sich die große Bühne des Weltwirtschaftsforums ausgesucht, um einer uralten und fast schon vergessenen Technik neues Leben einzuhauchen. Die Brennstoffzelle - und damit Wasserstoff - soll der Autoantrieb der Zukunft werden.
„Das ist ein weltweiter Vorstoß“, sagt Air-Liquide-Chef Benoît Potier und macht damit die Tragweite der Wasserstoff-Initiative (Hydrogen Council) deutlich. Aus Wasserstoff erzeugt die Brennstoffzelle emissionsfrei Strom - und hält dabei länger durch als eine Batterie. Zudem geht das Auftanken viel schneller.
Wasserstoff ist der große Hoffnungsträger der Autobranche. In einer Umfrage der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG unter 1000 Managern weltweit schlossen sich 78 Prozent der Meinung an, dass Brennstoffzellen-Autos den wahren Durchbruch für Elektromobilität bringen würden. Dazu passt, dass 62 Prozent glauben, dass normale batterieelektrische Fahrzeuge an der Infrastruktur scheitern werden - also an der oft noch fehlenden Möglichkeit des schnellen Ladens.
„In der Branche herrscht Einigkeit, dass die Brennstoffzelle die einzig sinnvolle Lösung ist“, sagt Autoexperte Peter Fuß von der Beratungsgesellschaft Ernst & Young. Bei der aktuellen Technik treibt die Brennstoffzelle den Elektromotor aber nicht direkt an, sondern lädt zunächst eine Batterie als Zwischenspeicher auf. „Die Technologie ist bequemer als der reine Batteriebetrieb“, erklärt Fuß. So dauert das Tanken nur wenige Minuten.
Allerdings ist die Infrastruktur kostspielig. „Eine Wasserstofftankstelle kostet 1 Million Euro“, rechnet Fuß vor. Auch die Technologie im Auto sei noch relativ teuer angesichts der niedrigen Stückzahlen. Zudem wird in der Brennstoffzelle der aktuellen Generation das teure Edelmetall Platin verbaut.
Bislang ist das Angebot an Wasserstoffautos entsprechend überschaubar. Toyota und Hyundai haben als einzige Hersteller Autos mit Brennstoffzelle in Großserie. Daimler will in diesem Jahr einen sportlichen Geländewagen mit Wasserstofftechnik auf den Markt bringen - allerdings als Plug-in-Hybrid. Das Auto hat eine Batterie, die an der Steckdose aufgeladen wird, aber auch einen Wasserstofftank.

In einer Videobotschaft hat Akio Toyoda, der Vorstandsvorsitzende von Toyota, das Brennstoffzellenauto "Mirai" enthüllt. Auf deutsch bedeutet der Name "Zukunft". Die WirtschaftsWoche berichtete bereits vorab über Namen und Preis des mit Spannung erwarteten Modells.

Das Wasserstoffauto läuft unter der Abkürzung FCV für "Fuel Cell Vehicle". Der Konzern forscht bereits seit mehr als 20 Jahren an der umweltfreundlichen Brennstoffzellentechnologie. Es soll in Japan für umgerechnet etwa 48.000 Euro auf den Markt kommen. Ursprünglich war der Verkaufsstart für 2015 geplant - nun soll der Mirai aber schon ab dem 15. Dezember 2014 über japanische Straßen rollen.

Für September 2015 ist die Markteinführung in den USA und Europa geplant. In Europa wird der Wagen rund 79.000 Euro kosten. Im Juni hatte ein Konzernsprecher angekündigt, dass es für Deutschland zunächst nur eine limitierte Serienproduktion von einigen Hundert Autos geben soll.

Wie unsere Redaktion berichtete, plant BMW im Rahmen der Kooperation mit Toyota ein eigenes Brennstoffzellenauto. Insider rechnen damit, dass der Wasserstoff-BMW mehr Leistung bringen wird als der Mirai. Einem Bericht des britischen "Autocar"-Magazins zufolge soll das Modell BMW i5 heißen.

Beim Mirai handelt es sich um eine viertürige Limousine, die auf dem Modell Sedan aufbaut. Das Wasserstoffauto soll 154 PS Leistung bringen. So soll auch Fahrspaß garantiert sein.

Laut Toyota-Konzernchef Toyoda kommt der Mirai mit einer einzigen Tankfüllung rund 500 Kilometer weit - und liegt damit bei einer ähnlichen Reichweite wie herkömmliche Benziner.

Ein Blick auf den Brennstoffzellen-Stack, der den FCV antreibt. Als Kraftstoff dient bei dieser Technologie Wasserstoff, der zum Beispiel aus Müll gewonnen werden kann. So soll das Auto, das lediglich Wasserdampf ausstößt, die Umwelt schonen und auch die Abhängigkeit vom Erdöl verringern.

Ein Blick ins Innere des Antriebs. Zu sehen ist der Hochdruck-Wasserstofftank (gelb). Er speichert den Wasserstoff bei einem Druck von 700 bar - dafür ist er in drei Schichten mit Kohlefaser verstärkt. In einer chemischen Reaktion wird in den Brennstoffzellen aus Wasser- und Sauerstoff Elektrizität gewonnen, die wiederum den Elektromotor des Autos antreibt. Der Wagen soll laut Toyota in nur drei Minuten aufgetankt sein.

Akio Toyoda nannte die Einführung des Mirai einen "Wendepunkt" in der Autoindustrie. Ausgiebige Crashtests sollen die Sicherheit der Brennstoffzellentechnik garantieren. Doch in Deutschland steht der neue Antrieb vor einem ganz anderen Problem...
Wer ein Wasserstoffauto fährt, findet kaum Tankstellen. In ganz Deutschland gibt es aktuell nur 16 Zapfsäulen für Wasserstoff.
Die Bundesregierung fördert den Aufbau von Tankstellen und auch die Initiative „H2 Mobility“, zu der sich unter anderem Daimler, Air Liquide und Linde sowie die Ölkonzerne OMV, Shell und Total zusammengeschlossen haben. Sie wollen bis 2023 bundesweit 400 Wasserstofftankstellen aufbauen. Bislang gibt es in Deutschland noch weniger als 30 Stück - dem stehen schon knapp 3000 Ladestationen und gut 14.000 Tankstellen für fossile Kraftstoffe gegenüber.
Doch zumindest ein Problem gibt es bei der Brennstoffzelle nicht. „Bei den Tankstellen hat man sich sehr früh auf internationale Standards geeinigt“, sagt Ulf Groos vom Fraunhofer ISE in Freiburg. Sprich: Es gibt ein einheitliches Tanksystem. Auch könne man schon heute mit einem Brennstoffzellen-Auto quer durch Deutschland fahren. „Sie müssen es nur planen. Man geht davon aus, dass es in Deutschland etwa 1000 Tankstellen braucht bis zu einer guten Abdeckung.“
Dabei hängt den Brennstoffzellen-Autos auch noch der Ruf an, gefährlich zu sein. „Wasserstoff selbst ist zwar explosiv, aber leicht und flüchtig“, so Groos. Im Vergleich zu flüssigen Brennstoffen oder auch Batterien stelle das Gas daher keine grundsätzlich höhere Gefahr dar.
Auch die Energiebilanz führen Kritiker ins Feld. Denn solange wenig Strom aus erneuerbaren Ressourcen zur Verfügung steht, wird für die Produktion von elementarem Wasserstoff viel CO2 freigesetzt. Das räumt selbst Linde-Chef Aldo Belloni in Davos ein: „Wir müssen Wege finden, das mit erneuerbaren Energien zu tun.“
Welche Technologie am Ende das Rennen macht, scheint noch offen. „Derzeit setzen die Autohersteller auf batterieelektrische Autos aus Angst vor einem Aus des Diesels“, sagt Experte Fuß. „Sie müssen auf die Technologie setzen, die da ist - ob sie wollen oder nicht. Nur so werden sie die CO2-Grenzwerte für 2021 erreichen können.“
Der frühere Daimler-Entwicklungschef Thomas Weber hält das Rennen für offen: „Die Brennstoffzell-Technologie hat nach wie vor den Hauptvorteil der schnellen Betankung, wie der Kunde es heute vom Verbrenner kennt.“ Ein Meilenstein sind laut Weber, der bei Daimler das Thema Brennstoffzelle über Jahre vorantrieb, die Olympischen Spiele 2020 in Tokio. „Da haben die asiatischen Hersteller bereits angekündigt, der Welt zu zeigen, wie gut Elektromobilität mit Brennstoffzelle funktionieren kann.“
Bis zur Marktreife sieht Wasserstoff-Forscher Groos aber noch einige Jahre: „Ich gehe davon aus, dass Mitte 2020 einiges passiert vor dem Hintergrund der angekündigten Markteinführungen von Audi, BMW, Daimler, Ford, GM, Honda, Hyundai, Nissan, Toyota und Volkswagen.“









