Cybersicherheit Statt eines Rauswurfs braucht es Rückgrat, Frau Faeser!

Nancy Faeser Quelle: imago images

Obwohl die Vorwürfe gegen BSI-Chef Arne Schönbohm nicht stichhaltig sind, verweigert Innenministerin Nancy Faeser ihrem Spitzenbeamten die Rückendeckung und gefährdet so selbst Deutschlands Cybersicherheit. Ein Kommentar.

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„Deutschlands Cybersicherheit ist in Gefahr“, ätzte am vergangenen Freitagabend der Komiker Jan Böhmermann in der ZDF-Sendung „Magazin Royale“. Zumindest mit dieser Einschätzung hatte der Entertainer recht. Was sich seither an politischem Theater rund um Deutschlands wichtigste Cybersicherheitsbehörde, das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI), und dessen Chef Arne Schönbohm abspielt, hat wirklich das Zeug, Deutschland im Kampf gegen Cyberattacken dauerhaft zu schädigen.

Schuld daran aber ist, anders als von Böhmermann konstruiert, nicht Schönbohm, sondern dessen Vorgesetzte Bundesinnenministerin Nancy Faeser. Durch ihre Weigerung, nach dem ZDF-Bericht, der den BSI-Chef in die Nähe russischer Geheimdienstkreise rückt, klar Position zu beziehen, beschädigt sie mit ihrem Schweigen das BSI und seinen Chef. Denn wären die Vorwürfe stichhaltig, hätte sich Faeser unmittelbar von Schönbohm distanzieren können, ihn umgehend absetzen müssen. Genau das aber sind die Vorwürfe nicht. Und Faeser weiß das.

Dennoch diskreditiert die Ministerin nicht bloß den BSI-Chef, indem sie die Causa wider besseres Wissen nicht einfach abhakt. Die Hängepartie lähmt zugleich die Arbeit des BSI. Denn das verharrt nun ausgerechnet in einer Zeit akuter Cyberbedrohungen, etwa durch staatliche Hacker aus Russland, in Schockstarre. 

Keine Frage, Schönbohm ist ein Beamter, der sich mit seiner öffentlichen Präsenz und der relativen Unabhängigkeit seiner Positionen im Politikbetrieb keineswegs nur Freunde gemacht hat. Ein Behördenchef, der auch mal nicht ganz auf Linie seiner vorgesetzten Behörde ist. Und der den Ausbau von Personal und Kompetenzen des BSI vehementer fordert, als dem ihm übergeordneten Ministerium mitunter lieb ist. Kritiker halten ihm zudem bis heute sein Studium der BWL statt der Informatik oder Mathematik vor: Er sei zu viel Manager und zu wenig IT-Spezialist. Man kann sich an dem Mann mit Fug und Recht reiben, doch nichts davon rechtfertigt eine Absetzung – oder Faesers Hängepartie.

Tatsächlich war Böhmermanns vermeintlicher Paukenschlag im ZDF nur eine aufwendig inszenierte Aneinanderreihung von Geraune ohne Belege konkreten Fehlverhaltens. Mehr noch, die Vorwürfe eines angeblich von Schönbohm zu verantwortenden Versagens des BSI beim Schutz von Bundestag, Gerichten, Landes- oder Kommunalbehörden belegt nur, dass Böhmermann die Rechtslage nicht kennt. Offensichtlich haben sich seine Autoren beim ZDF gar nicht damit befasst, dass das BSI an den genannten Stellen per Gesetz ausdrücklich gar nicht zuständig ist. All das ist in der Chefetage des Bundesinnenministeriums bekannt, und natürlich muss Ministerin Faeser auch das wissen.

Dass Böhmermann es nicht besser weiß, kann man – wohlwollend – „schlechte Recherche“ seiner Redaktion nennen, die sich eines komplexen Themas angenommen hat, von dem sie nichts versteht. Man könnte es aber auch, wie es Fachleute aus der IT-Sicherheitsszene und aus deutschen Sicherheitsbehörden inzwischen tun, als gezielte Kampagne zur Schwächung des BSI und seines Präsidenten bewerten, bei der sich das ZDF und ihr Obersatiriker womöglich nur als Ausführende anderer Interessen haben instrumentalisieren lassen.

So sorgt etwa im Berliner Politikbetrieb gerade für Stirnrunzeln, dass dem Vernehmen nach unmittelbar nach der ZDF-Sendung mehrere Beschwerden und Unterlassungserklärungen des IT-Sicherheitsunternehmens Kaspersky gegen Schönbohm und weitere hochrangige Beamte beim BSI eingegangen sind. Der IT-Dienstleister will auf Anfrage „möglicherweise laufende Beschwerden nicht kommentieren“, betont, weiterhin auf „kooperativen Dialog zu setzen“ und verweist ansonsten aufs BSI. Dort bestätigt man zwar den Eingang der Schreiben, äußert sich aber weder zu den Adressaten noch zum Inhalt.

Das zeitliche Zusammentreffen mit Böhmermanns Attacken kann Zufall sein, ist aber zumindest auffällig. Immerhin hatte das BSI im Frühjahr vor Kasperskys Produkten gewarnt, weil sich ein Missbrauch der Software durch russische Geheimdienst- oder Hackerkreise angesichts des auch im Cyberraum geführten Krieges gegen die Ukraine nicht ausschließen lasse. Das derlei Positionen einen „konstruktiven Dialog“ nicht gerade erleichtern, versteht sich von selbst.

Längst, so drängt sich der Verdacht auf, geht es in der Causa Schönbohm nicht mehr um das Thema Cybersicherheit, sondern um die Person des BSI-Chefs, der offensichtlich demontiert werden soll, selbst wenn das Vorgehen die Arbeitsfähigkeit seiner Behörde und den Schutz des Bundes und seiner Behörden gegen Cyberangriffe aufs Spiel setzt.

Der eigentliche Skandal ist, dass sich die verantwortliche Ministerin vor diesen Karren spannen und vom Geraune einer Satiresendung treiben lässt, anstatt Rückgrat zu beweisen und ihrem Top-Beamten den Rücken zu stärken, damit sich das BSI wieder seinen eigentlichen Aufgaben widmen kann.

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Solange sie das nicht tut, bleibt Faeser selbst die größere „Gefahr für Deutschlands Cybersicherheit“.

Lesen Sie auch: Die Bundesregierung wusste seit März um die Nähe des IT-Unternehmens Protelion zu russischen Geheimdienstkreisen und unternahm monatelang nichts, um Kunden vor möglichen Cybergefahren zu warnen.

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