
Durch eine Brille schauen und Dinge sehen, die aus dem Computer stammen - ein alter Traum von Technik-Visionären soll jetzt wahr werden. Denn Unternehmen wie Facebook und Samsung haben Datenbrillen auf den Markt gebracht, die ihre Nutzer in andere Welten versetzen. Auch Apple und die Google-Mutter Alphabet bauen angeblich eigene Modelle
Die Geräte erweitern die reale Welt mithilfe von Computergrafiken - Augmented Reality genannt - oder schaffen gleich eine virtuelle Realität, in der nichts mehr echt ist. Sie versetzen Menschen mitten hinein in Computerspiele - wer sich umdreht, sieht, was hinter ihm ist. Und bald beamen sie uns sogar in komplett virtuelle Städte, in denen Menschen sich treffen, wo sie lernen und konsumieren. Das Fernziel: die perfekte Illusion, in der wir digitale Dinge fühlen, riechen, schmecken.
Computerbrillen, glaubt Facebook-Chef Mark Zuckerberg, könnten "die nächste große Plattform" nach dem Smartphone werden. Das Internet hat die Welt vernetzt - die virtuelle Realität lässt ganz neue Welten entstehen. Die Technik, glaubt Zuckerberg, werde den Menschen "die Macht geben, alles zu erleben". Ein Internet nicht nur für den Kopf, sondern für alle Sinne.
Im Jahr 2015 steckten Investoren 700 Millionen Dollar in Start-ups, die Datenbrillen und Co. entwickeln; im Januar und Februar 2016 flossen gar 1,1 Milliarden Dollar Wagniskapital. Allen ist klar: Im Netz wird ein Paralleluniversum geschaffen. Die Entwicklung der neuen virtuellen Welten steht erst am Anfang, aber sie werden unser Leben tief greifend verändern.
Kinofilme zum Hineinsetzen, Flugsimulatoren, virtuelle Häuser: Wir stellen sechs Ideen vor aus Deutschland, den Niederlanden und Österreich - von Unternehmern, die ein neues virtuelles Universum erschaffen wollen.
Der Kinogründer
Die Kinopremiere hat gerade begonnen, da verliert Zühre Oraon den Boden unter ihren Füßen. Irritiert schaut die Studentin hinab, auf Hochhäuser, auf Straßenschluchten. “Ich fliege”, ruft sie, “mitten über Manhattan.” Blick nach rechts, da steht das One World Trade Center. Blick nach links, da fließt der Hudson River. Unten schieben sich Taxis über die Fifth Avenue.
Virtual-Reality-Brillen
Ob Oculus Rift, Playstation VR oder HTC Vive: Alle Virtual-Reality-Brillen funktionieren nach dem gleichen Prinzip. Im Sichtfeld zeigt ein Bildschirm die virtuelle Umgebung an, Linsen sollen für einen Rundum-Effekt sorgen. Das Bild wird bei jeder Bewegung des Kopfes angepasst – Sensoren messen jede Veränderung, der Computer errechnet blitzschnell das neue Bild.
Gründer Palmer Luckey baute eine erste Datenbrille aus Smartphone-Komponenten zusammen. Inzwischen hat die Facebook-Tochter die Technik so verfeinert, dass 2016 eine erste Verbraucherversion von Oculus Rift fertig wird. Oculus hat den Preis für die lange erwartete 3D-Brille mit 699 Euro in Europa höher als von Experten erwartet angesetzt.
Samsung bietet die Datenbrille Gear VR bereits jetzt als Zubehör fürs Smartphone an – es wird in die Halterung geschoben und dient als Display, die zwei Linsen in der Brille sorgen für die 3D-Optik. Damit ist das System nicht so leistungsfähig wie Konkurrenzprodukte, aber mobil. Die Technik stammt übrigens von Oculus VR.
Der Elektronikhersteller HTC entwickelt seine Virtual-Reality-Brille Vive gemeinsam mit dem Spielespezialisten Valve. Um die Position des Spielers möglichst genau zu ermitteln, werden im Raum zwei Lasersensoren montiert, die mit den Sensoren am Gerät permanent in Kontakt sind. Eine Besonderheit: Nutzer können sich damit im Raum bewegen. Einführung: Ende 2015.
Die virtuelle Realität muss nicht teuer sein: Mit Cardboard hat Google eine zusammenfaltbare Pappkonstruktion entwickelt, in die Nutzer ihr Smartphone schieben können. Eine App bereitet die Bilder passend auf. Technisch sind die anderen Systeme überlegen, Cardboard lässt aber erahnen, welche Möglichkeiten es gibt.
In ihrer virtuellen Welt ist Zühre ein Vogel über New York, in Wirklichkeit sitzt sie auf einem Drehstuhl in einem brandneuen Filmtheater, dem Virtual Reality Cinema in Amsterdam. Der Vorführraum ist taghell, durch die bodentiefen Fenster spähen vom Bürgersteig aus Spaziergänger hinein, aber davon bekommen Zühre und die anderen Zuschauer nichts mit.
Die Studentin trägt einen Kopfhörer auf den Ohren und eine Videobrille im Gesicht, genau wie die anderen fünfzig Gäste. Sie recken die Hälse, schauen um sich, zucken zurück, als jage sie ein Phantom. Fünfzig Menschen wie auf einem Drogentrip: Der Körper noch auf Erden, der Geist längst in anderen Sphären.
Jip Samhoud, der Mann, der das neuartige Kino gegründet hat, steht zwischen seinen entrückten Gästen und lächelt zufrieden: Ein Magier, dem ein Zaubertrick gelungen ist. “In anderen Kinos schaust Du einen Film”, sagt er, “bei uns wirst Du Teil des Films.” Samhoud teleportiert sein Publikum mühelos in den Himmel über Afrika, dann auf einen Asteroiden, bald mitten auf eine Bühne, auf der Akrobaten ein Seil hinaufklettern.
Schon bald will der Niederländer weitere Kinos eröffnen, unter anderem in Berlin. Hollywoodstudios haben den Trend erkannt, angeblich plant etwa Starregisseur Steven Spielberg ein Virtual-Reality-Projekt. Wer mit Raumschiff Enterprise durchs All fliegen will, könnte per Datenbrille das Filmspektakel eines Tages viel noch viel intensiver erleben. Und wer Horrorfilme nicht mag, bekommt im Kino ganz sicher noch viel mehr Gänsehaut als bisher.
Der Spielehersteller
Noch verblüffendere Illusionen als bisher versprechen auch die Macher von Computerspielen. “Man lebt in der Welt, statt auf einen zweidimensionalen Bildschirm zu schauen”, schwärmt Avni Yerli, Mitgründer des Spielespezialisten Crytek. Die Frankfurter waren bislang schon für extrem realitätsnahe Grafiken in Spielen wie Crysis bekannt und wollen das Spielerlebnis mittels Virtual Reality noch steigern.
Was dabei alles möglich ist, zeigt eine Crytek-Demo: Auf dem futuristischen Planeten klettert der Spieler eine steile Felswand hinauf, orange leuchtende Schmetterlinge flattern umher, plötzlich stürzt von oben krachend ein Gesteinsbrocken herab und ein gigantischer Schatten erscheint: ein gigantischer Flugsaurier segelt ins Tal.