Schon die schrille Farbe des Dreirades mit Dach ist ein Hingucker. Doch spätestens wenn sich das Gefährt namens i-Road von Toyota wie ein Motorrad in die Kurve legt und dabei immer bedrohlicher neigt, schauen alle Passanten im französischen Grenoble hin.
Die Bewohner der Universitätsstadt werden sich an die zweisitzige Kreuzung zwischen Motorrad und Auto gewöhnen müssen. Denn Toyota ist mit dem i-Road gekommen, um zu bleiben. Der weltgrößte Autohersteller testet hier seit Anfang Oktober sein neues Carsharing-Angebot mit 70 der ungewöhnlichen Wägelchen einschließlich einiger vierrädriger Varianten, voll vernetzt mit dem lokalen Nahverkehr.
Der i-Road soll die Lücke zwischen Auto und Fahrrad füllen. Mit seinem Wendekreis von nur drei Metern – gelenkt wird mit dem dicken Hinterrad – und einer Breite von 85 Zentimetern wieselt der moderne Kabinenroller durch jede Gasse der Altstadt von Grenoble. Und pustet dabei keine Abgase in die Luft, denn für den Schwung sorgen zwei elektrische Radnabenmotoren mit drei PS (zwei Kilowatt). Eine Akkuladung reicht für etwa 50 Kilometer.
Die Carsharing-Angebote im Überblick
Zahl der Fahrzeuge: mehr als 3100
Verbreitung: 140 Städte
Fahrzeugtypen: viele
Carsharing-Typ: stationär
Kosten pro km: 18–20 Cent
Sonstige Kosten: 1500 Euro Selbstbeteiligung, bei Unfall, Reduktion gegen Aufpreis möglich
Zahl der Fahrzeuge: 2000
Verbreitung: 100 Städte
Fahrzeugtypen: 25 verschiedene
Carsharing-Typ: stationär
Kosten pro km: ab 18 Cent
Sonstige Kosten: regional verschieden
Zahl der Fahrzeuge: mehr als 1.500 (herstellerübergreifend)
Verbreitung: deutschalndweit
Fahrzeugtypen: verschieden
Carsharing-Typ: Peer-to-Peer
Kosten pro km: Tagespauschale
Sonstige Kosten: keine Angabe
Zahl der Fahrzeuge: 800
Verbreitung: Berlin, Hamburg, München, Frankfurt am Main, Gelsenkirchen, Bochum, Essen, Dortmund, Herten, Recklinghausen, Bottrop
Fahrzeugtypen: Kia Rio, Toyota Yaris
Carsharing-Typ: stationär
Kosten pro km: ab 22 Cent
Sonstige Kosten: 1000 Euro Selbstbeteiligung bei Unfall - kann aber auf Null Euro reduziert werden, wenn man pro Stunde 75 Cent zusätzlich zahlt oder maximal 7,50 Euro am Tag.
Zahl der Fahrzeuge: 3500
Verbreitung: Berlin, Hamburg, München, Stuttgart, Düsseldorf, Köln, Ulm, Frankfurt
Fahrzeugtypen: Smart, Smart e-Drive
Carsharing-Typ: flexibel
Kosten pro km: 29 Cent pro Minute
Sonstige Kosten: 500 Euro Selbstbeteiligung bei Unfall, Reduktion gegen Aufpreis möglich
Zahl der Fahrzeuge: 2950
Verbreitung: München, Berlin, Köln, Düsseldorf, Hamburg, Wien, San Francisco
Fahrzeugtypen: BMW 1er, BMW X1, BMW ActiveE, MINI, MINI Cabrio, MINI Clubman, MINI Countryman
Carsharing-Typ: flexibel
Kosten pro km: ab 24 Cent pro Minute
Sonstige Kosten: 750 Euro Selbstbeteiligung bei Unfall, Reduktion gegen Aufpreis möglich
Zahl der Fahrzeuge: 350
Verbreitung: Berlin
Fahrzeugtypen: Citroen C-zero (elektro)
Carsharing-Typ: flexibel
Kosten pro km: 28 Cent
Sonstige Kosten: 500 Euro Selbstbeteiligung bei Unfall, Reduktion gegen Aufpreis möglich
Zahl der Fahrzeuge: 280
Verbreitung: 21 Städte
Fahrzeugtypen: Kompaktklasse, Vans
Carsharing-Typ: stationär
Kosten pro km: 10 Cent plus Benzin
Sonstige Kosten: 1000 Euro Selbstbeteiligung bei Unfall, Reduktion gegen Aufpreis möglich
Zahl der Fahrzeuge: 200
Verbreitung: Hannover
Fahrzeugtypen: VW Golf
Carsharing-Typ: stationär
Kosten pro km: 20 Cent
Sonstige Kosten: 100 Euro Selbstbeteiligung bei Unfall, Reduktion gegen Aufpreis möglich
Zahl der Fahrzeuge: keine Angabe
Verbreitung: deutschlandweit
Fahrzeugtypen: alle Peugeot-Modelle
Carsharing-Typ: bei Händlern
Kosten pro km: ab 33 Cent
Sonstige Kosten: keine Angaben
Alle großen Hersteller mischen mit
Aber auch Volkswagen, Ford sowie Peugeot und Citroën fehlen nicht: Praktisch alle großen Hersteller mischen mit – manche wie Daimler und BMW sehr ernsthaft, andere wie VW oder der französische PSA-Konzern etwas halbherzig. Die Autobauer, so der Eindruck, haben die einst grüne Idee des Autoteilens für ihre Zwecke gekapert.
Schon melden sich die ersten Zweifler, die fragen: Führt Carsharing wirklich zu weniger Autoverkehr, weil die Nutzer bewusster entscheiden, wann sie ein Fahrzeug brauchen? Oder legen sie jetzt auch kürzeste Strecken mit dem Pkw zurück, statt in Bus und Bahn einzusteigen? Sind die knappen Parkplätze in unseren Städten bald mit den Mietautos zugepflastert?
Smartphones machen Carsahring praktikabel
Die Absicht der Autohersteller ist klar. Sie setzen auf einen Markt, der gerade boomt, und wollen sich ein möglichst großes Stück vom Kuchen abschneiden. Der Bundesverband Carsharing registrierte vor wenigen Tagen den millionsten Nutzer in Deutschland.
Und der Run geht weiter. Die Unternehmensberatung Roland Berger erwartet, dass das Geschäft mit den geteilten Autos bis 2020 um jährlich 30 Prozent auf bis zu 5,6 Milliarden Euro Umsatz wachsen wird.
Einer der wichtigsten Gründe für den Boom: Noch nie war Carsharing dank Smartphones so einfach wie heute. Auf dem Handy sieht der Kunde, wo welche Fahrzeuge stehen. Er kann sie reservieren, bei Flinkster und Car2Go demnächst sogar mit dem Telefon aufschließen, bei Mu von Peugeot lässt sich vom Rad bis zum Transporter einfach alles teilen.
Immer neue Angebote sollen Kunden locken. Derzeit können sie zwischen zwei prinzipiellen Formen des Carsharings wählen: Bei den stationären Angeboten wie Flinkster, dem größten Carsharing-Anbieter Deutschlands, müssen Kunden im Voraus ein Auto buchen, es an einer Station abholen und dort in der Regel auch wieder abgeben.
Überziehen ist teuer
Die Preise sind relativ niedrig, nur unangemeldetes Überziehen der Leihzeit ist schmerzhaft teuer. Bei Free-Floating-Angeboten, wie die Branche sie mehr schlecht als recht gedenglischt nennt, etwa von Car2Go und DriveNow, sind die Fahrzeuge quer über eine Stadt wie Köln oder Berlin verteilt.
Der Kunde sieht auf seinem Smartphone, wo ein Fahrzeug in seiner Nähe verfügbar ist, öffnet es mit Chipkarte oder Handy, steigt ein und stellt es später einfach wieder im Stadtgebiet ab. Die Flexibilität ist komfortabel, kostet aber zusätzlich.
Wer sich als Nachzügler im Markt behaupten will, muss sich von der Konkurrenz klar abheben. So wie es Toyota mit seinen witzigen Fahrzeugen in Grenoble versucht. Volvo beispielsweise will ab 2016 ein Angebot organisieren, bei dem die Kunden der Schwedenmarke untereinander ihre Fahrzeuge tauschen.
„Wenn ich auf Reisen bin und mein Volvo würde etwa auf dem Parkplatz am Flughafen stehen, warum soll ich ihn dann nicht per Smartphone an ausgewählte Nutzer verleihen können?“, deutet Konzernchef Hakan Samuelsson die Richtung des Angebots an.