Fleischersatz-Produkte Jetzt wird der Veggie-Boom zum Wirtschaftsfaktor

Kommen in Deutschland immer öfter auf den Tisch: Pflanzliche Fleischersatzprodukte. Quelle: imago images

Die hiesige Produktion von Fleischalternativen wächst stark, der Fleischkonsum sinkt. Mehr als 70 Unternehmen arbeiten in Deutschland an alternativen Proteinen – und hoffen auf ein Milliardengeschäft.

  • Teilen per:
  • Teilen per:

Zu einer „Mett-Gala“ luden Anfang Mai in Köln der Wursthersteller Rügenwalder Mühle und die Fast-Food-Kette Burger King ein. Mittelpunkt des PR-Events: Ein neuer „Mett-King-Burger“, hergestellt aus vegetarischem Hackfleisch. Es ist eine von vielen Innovationen, mit denen deutsche Lebensmittelhersteller zur Zeit das Fleisch neu erfinden. Oder besser: überflüssig machen.

Der Markt mit vegetarischen oder veganen Alternativen zum Fleisch wächst. Im Jahr 2022 produzierten die Unternehmen hierzulande 6,5 Prozent mehr Fleischersatzprodukte als im Vorjahr, wie das Statistische Bundesamt (Destatis) meldet. Im Vergleich zum Jahr 2019 stieg die Produktion sogar um 72,7 Prozent.

Veggie-Burger, Schnitzel aus Erbsenmasse – inzwischen erreicht der Wert solcher Produkte, hergestellt in Deutschland, rund 537 Millionen Euro. Tierisches Fleisch sorgt zwar immer noch für 80 Mal mehr Einnahmen als die neue Konkurrenz (42,4 Milliarden Euro im Jahr 2022). Doch im Jahr 2019 war der Wert der hiesigen Fleischproduktion noch 150 Mal größer als jener der vegetarischen Produkte.

Der Appetit auf Fleischersatzprodukte steigt. Doch es hapert an Rohstoffen: Soja schadet der Umwelt, Erbsen sind zu teuer. Nun will ein britischer Agrarunternehmer aus Kohlabfällen Proteine für Burger und Drinks machen.
von Sascha Zastiral

Denn die Deutschen greifen immer öfter zu Veggie-Alternativen – und seltener zu herkömmlichem Fleisch. Lag der Pro-Kopf-Verzehr von Waren aus Schwein, Rind und Co. in Deutschland im Jahr 2012 noch bei 60,9 Kilogramm, so waren es im Jahr 2022 nur noch 52 Kilogramm. 

Steaks aus der Spinnmaschine

Ein Trend, der inzwischen zahllose Unternehmen zu Innovationen antreibt. Mehr als 70 Start-ups und etablierte Hersteller entwickeln in Deutschland pflanzliche Alternativen zu tierischen Produkten, weltweit sind es mindestens 1150, so das Fazit eines neuen Reports der NGO Good Food Institute (GFI), die den neuen Lebensmittelsektor fördert. 

So entwickeln die Gründer von Project Eadon aus Berlin Steaks aus Pflanzenmasse, die sie mit Textilmaschinen fertigen. Formo aus Berlin entwickelt Milchprodukte mit Hilfe von Mikroorganismen. Ordinary Seafood aus Potsdam  arbeitet an Thunfisch, Lachs und Shrimps aus Erbsen und Soja.

Dabei kommen grundsätzlich drei Technologien zum Einsatz. Am weitesten verbreitet sind Technologien, bei denen Pflanzenmasse, etwa Erbsen oder Soja, tierische Produkte ersetzt. In Supermärkten, Burger-Restaurants und Kantinen haben sich schon zahlreiche solche Produkte etabliert. Gründer arbeiten an neuen Produkten wie Fleisch aus Pilzfasern  oder kakaofreier Schokolade aus Hafer.

Am Markt noch nicht zu haben, aber womöglich künftig geschmacklich und qualitativ noch näher dran am tierischen Original: Produkte aus der Präzisionsfermentation mit Mikroben, wodurch etwa Kaffeebohnen und Ölpalmen überflüssig werden könnten. Und kultiviertes Fleisch und Fisch aus Zellen im Bioreaktor – mindestens 156 Unternehmen weltweit arbeiten daran.

579 Millionen Euro haben Investoren laut GFI-Studie im vergangenen Jahr europaweit in Start-ups gesteckt, die an solchen Technologien arbeiten – ein Rekord. Doch umständliche, langwierige Zulassungsprozesse in Europa sind für die Gründer eine hohe Eintrittshürde in den Markt – erste Produkte aus Fermentation und Zellkulturen kommen darum in den USA und Singapur auf den Markt.

Konsumenten sind laut der Studie den Innovationen gegenüber  aufgeschlossen: 57 Prozent der Deutschen können sich laut einer OpinionWay-Umfrage im Auftrag von GFI vorstellen, kultiviertes Fleisch zu kaufen. Bei den Deutschen unter 25 Jahren sind es sogar 82 Prozent.

Heute schon konsumieren der Umfrage zufolge 41 Prozent der Deutschen mindestens einmal pro Monat Fleisch auf pflanzlicher Basis. 25 Prozent möchten künftig mehr dieser Produkte kaufen, so die Untersuchung. Eine repräsentative Umfrage der Uni Hamburg ergab sogar, dass 62 Prozent der Deutschen einer Steuer von 19 Cent pro Kilogramm Fleisch zustimmen würden. Wichtigster Grund: das Tierwohl.

Werkzeughersteller Russland enteignet Maschinenbauer DMG Mori

Weil die Bundesregierung eine Investitionsgarantie gab, fordert der Konzern jetzt Schadensersatz. Der Vorfall in Russland ist aber nicht das einzige Thema, das am Standort in Bielefeld derzeit für Wirbel sorgt.

Gehalt „Wer pfiffige Ideen hat und hart arbeitet, sollte dafür auch belohnt werden“

In Unternehmen herrscht ein verqueres Leistungsdenken, sagt Interimsmanager Ulvi Aydin. Er fordert, High Performern mehr zu zahlen als den Chefs: „Es gibt Leute, die mehr leisten als andere – das sollte man anerkennen.“

Aktien Fünf gefallene Börsenstars mit der Hoffnung auf ein Comeback

Mehrere frühere Börsenlieblinge sind jetzt günstig zu haben. Ihre Kursschwäche hat Gründe – aber es gibt gute Argumente für eine Erholung. Fünf Turnaround-Ideen für Mutige.

 Weitere Plus-Artikel lesen Sie hier

Ohnehin werden tierische Produkte immer teurer: Für die meisten Milchprodukte und Eier mussten die Verbraucher im November 2022 satte 34 Prozent mehr zahlen als im Vorjahresmonat, die Preise für Fleisch stiegen um 19,8 Prozent.

Lesen Sie auch: Fleisch aus Zellkulturen und Milch aus dem Bioreaktor – was in Singapur und den USA schon auf dem Markt ist, scheitert in der EU an komplizierten Zulassungsprozessen. Wie Europa einen Zukunftsmarkt ausbremst.

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%