Vegane Food-Innovation Diese Unternehmen haben das Ei neu erfunden

Veganz hat ein so genanntes Stangenei entwickelt, wie es in der Lebensmittelindustrie verwendet wird: Eine lange Rolle, außen Eiweiß, innen Eigelb. Schneidet man sie in Scheiben, sieht es aus wie eine Scheibe eines gekochten Eis. Quelle: PR

Gleich zwei Unternehmen aus Deutschland werben dieser Tage damit, das bessere Ei erschaffen zu haben – aus pflanzlichen Zutaten. Schon diesen Monat gibt es Kostproben, erste Produkte bald im Handel.

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Vermutlich hat der Mensch schon Eier gegessen, bevor er den Faustkeil erfand, und seitdem gab es am Grundnahrungsmittel nichts wesentlich zu verbessern. Nun aber wollen zwei Unternehmen aus Berlin den Beweis antreten, dass das Hühnerei reif für ein Update ist.

Das Start-up Perfeggt wie auch die Supermarktkette für vegane Lebensmittel Veganz kündigen dieser Tage unabhängig voneinander die ersten veganen Ei-Alternativen aus Deutschland an. Ähnlich wie vegane Burger-Buletten sollen die pflanzlichen Eier nachhaltiger und gesünder sein als das Original.

Die beiden Unternehmen starten dabei mit verschiedenen Varianten: Veganz hat ein so genanntes Stangenei entwickelt, wie es in der Lebensmittelindustrie verwendet wird: Eine lange Rolle, außen Eiweiß, innen Eigelb. Schneidet man sie in Scheiben, sieht es aus wie eine Scheibe eines gekochten Eis. Das pflanzliche Produkte schmecke und rieche wie herkömmliches Ei, verspricht Veganz-Chef Jan Bredack.

Patent auf Proteinmischung

Die Gründer von Perfeggt verfolgen einen anderen Weg: Ihre Ei-Innovation kommt als flüssiges Produkt daher, wie verquirltes Ei, und man soll sie verpackt in der Frischetheke im Supermarkt kaufen können. Ein Rührei oder Omelette ist daraus schnell gemacht. „In seiner Textur, Festigkeit, Farbe und Geschmack kommt es dem tierischen Lebensmittel sehr nah“, sagt Tanja Bogumil, CEO und Co-Gründerin von Perfeggt.

Demnächst können Verbraucher sich davon einen Eindruck machen: Ab dem 18. Februar präsentiert Perfeggt seine Ei-Alternative im foodlab Hamburg erstmals der Öffentlichkeit. Die Basis der Perfeggt-Produkte ist eine Kombination pflanzlicher Eiweiße und Fette, unter anderem aus der Ackerbohne. 

Die Gründer von Perfeggt. Quelle: PR

„Das so entwickelte Proteinsystem haben wir nun durch ein Patent gesichert“, sagt Gründerin Bogumil. Auch Veganz hat sein Stangenei patentieren lassen – und plant für dieses Jahr den Verkaufsstart in Supermärkten und Restaurants.

Ein Multimilliardenmarkt   

Es geht um einen gewaltigen Markt: Allein in Deutschland werden jährlich 19,9 Milliarden Eier verbraucht – 239 pro Kopf. Sie landen nicht nur gekocht auf dem Frühstückstisch, sondern werden in zahlreichen Lebensmitteln industriell verarbeitet. 

Mit ihren Ei-Alternativen wollen die Gründer den Trend zu umweltfreundlicherer und gesünderer Ernährung vorantreiben. „Unsere Lebensmittelindustrie ist nicht nachhaltig“, sagt Bogumil, „ich bin überzeugt, dass wir das ändern müssen und auch können.“ Anders als für Milch und Wurst gebe es für das Hühnerei noch kaum nachhaltigere Alternativen. 

„Grund dafür ist aber nicht, dass es dafür keinen Markt gäbe“, sagt Bogumil, „sondern vor allem, dass das Ei als Produkt so komplex ist. Es ist nicht leicht, es adäquat durch ein rein pflanzliches Produkt zu ersetzen.“ Zusammen mit ihren beiden Co-Gründern, die auf jahrzehntelange Erfahrung in der Lebensmittelindustrie zurückblicken, glaubt sie nun, die richtige Formel gefunden zu haben.

Wunderstoff Ei

Es wäre eine erstaunliche Leistung, stecken in jedem gewöhnlichen Hühnerei doch gut 40 verschiedene Eiweiße und mehr als hundert verschiedene Geschmacksstoffe. Sie geben Eiern ganz spezielle Eigenschaften, die beim Kochen eine wichtige Rolle spielen: Eier dienen als Emulgatoren, die Wasser und Fett zusammenhalten – etwa in Mayonnaise. 

Sie können bei richtiger Verarbeitung proteinhaltiges Gel bilden, das etwa Pudding seine wackelige Konsistenz und das entsprechende Mundgefühl gibt. Kocht man Eier, dann gerinnen die Eiweiße – der entstehende Eischnee gibt Omelettes oder Backwaren die gewohnte Fluffigkeit.

Das alles mit pflanzlichen Ausgangsstoffen nachzuahmen, ist eine Wissenschaft für sich. „Ein Ei-Ersatz, der alle Funktionen von Eiern bieten würde, wäre für die Lebensmittelindustrie und die Verbraucher sicherlich von großem Wert“, heißt es beim Good Food Institut (GFI), einer NGO für alternative Nahrungsmittel. In manchen Funktionen, etwa der Bindekraft und Emulsion bei Backwaren, könnten pflanzliche Ei-Alternative heute sogar schon besser sein als das tierische Produkt.

Auch wenn es bis zum veganen Spiegelei noch ein weiter Weg sein mag, die nun verfügbaren Alternativen bieten schon viele Vorteile. Abermillionen Legehennen müssten künftig nicht mehr dafür gezüchtet werden. Das hieße auch: Weniger Kohlendioxid, Exkremente und Antibiotika, die in die Umwelt gelangen. „Wir arbeiten mit hochwertigen Rohstoffen und produzieren regional“, sagt Perfeggt-Chefin Bogumil.

Auch die Konsumenten könnten profitieren. So sollen die pflanzlichen Eier von Veganz 80 Prozent weniger Fett, aber 18 Prozent mehr Eiweiß enthalten als konventionelle Eier. Gut also für eine proteinreiche Ernährung. Wer hohe Cholesterin-Werte hat, könnte also künftig ohne Sorgen Rührei frühstücken, und auch gefährliche Salmonellen-Infektionen wären Vergangenheit. 

Auch für die Lebensmittelindustrie dürften die neuen Produkte von Interesse sein. Denn konventionelle Eier unterliegen Preisschwankungen – kommt es beispielsweise wie in den USA 2014 zu Vogelgrippe-Epidemien, müssen Millionen Hühner notgeschlachtet werden, die Eierpreise gehen in die Höhe. Pflanzliche Rohstoffe dürften sich verlässlicher verarbeiten lassen.

Ziel der Gründer ist es nun, „aus dem pflanzlichen Ei eine etablierte Produktkategorie zu machen“, sagt Perfeggt-Chefin Bogumil. Bei Veganz wiederum soll nach dem Stangenei ein Rührei-Ersatz auf Erbsenproteinbasis erscheinen, verpackt in einer Flasche zum Dosieren direkt in der Pfanne. 

Preislich sollen die Ei-Alternativen von Perfeggt im Bereich von Milch- und Fleischalternativen liegen. Die sind meist etwas teurer als die tierischen Produkte. Verstärkter Wettbewerb könnte künftig dafür sorgen, dass die Preise sinken. 

Zumal weltweit Gründer an Ei-Alternativen arbeiten. Das US-Start-up Just beispielsweise hat im Oktober die Europazulassung für seine wichtigste Zutat, die Mungbohne, erhalten, und plant den Start auf dem europäischen Markt. Und auch die Schweizer Supermarktkette Migros hat in ersten Filialen vegane Eier ins Sortiment genommen. 

Mehr zum Thema: Vegane Ernährung – kommt nun das Wettrüsten auf dem Lebensmittelmarkt?

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