Wirtschaft von oben #122 – Werften Wo die neuen Containerschiffe gebaut werden

Noch sind die Containerschiffe bloß Rumpf und Gerippe. Doch in zwei oder drei Jahren sollen sie als neue Handelskolosse über die Weltmeere fahren. Hier, in der Werft vom südkoreanischen Schiffsbauer Daewoo, lässt auch Deutschlands größte Reederei Hapag-Lloyd ihre Schiffe fertigen. Quelle: LiveEO/Skywatch

Die Kapazitäten sind knapp, das Geld ausnahmsweise nicht, also bestellen die Reeder neue Containerschiffe. Die Werften in Asien freuen sich über die Aufträge. Doch wenn die neuen Frachter in ein paar Jahren seetauglich sind, könnte es zu viele Schiffe geben. „Wirtschaft von Oben“ ist eine Kooperation mit LiveEO.

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Im Dezember war es vorbei mit der Zurückhaltung. Jahrelang hatten die Reeder kaum neue Containerschiffe bestellt. Dann wagte sich mit Hapag-Lloyd die erste der großen Reedereien nach vorne und kündigte eine neue Order an: sechs Schiffe, mit einer Kapazität von über 23.000 Standardcontainern. Das ist die maximale Größe, die Ingenieure heute zu bauen vermögen. Kosten: rund eine Milliarde Dollar.

Rund neun Monate später ist der Deal nur noch einer von vielen. Mittlerweile haben beinahe alle großen Anbieter neue Frachter bestellt – allein die Reederei MSC hat 51 Schiffe in ihrem Orderbuch stehen. Selbst Hapag-Lloyd hat auf seine Bestellung im Dezember noch eine draufgesetzt und weitere weitere sechs Schiffe geordert. Gebaut werden sollen sie beim südkoreanischen Schiffsbauer Daewoo. Dessen Werft ist auf dem exklusiven Satellitenbild von LiveEO unten zu sehen und scheint bereits im Juni ordentlich zu tun gehabt zu haben.

Es ist eine Einkaufstour, die ihres gleichen sucht. Nach Daten des Branchenverbandes BIMCO befanden sich Ende August 619 Containerschiffe in Auftrag – 381 davon sind in diesem Jahr bestellt worden. Damit hat sich die Zhal der Schiffsbestellungen in einem Jahr mehr als verdoppelt. Die Frachter, die nun in den Auftragsbüchern stehen, könnten mehr als fünf Millionen Container transportieren.


Der Bestellboom dürfte vor allem die Werften freuen. Ihre Fertigungsdocks über Jahre belegt, viele Werften geben gar keine Kostenvoranschläge für Neubauten mehr raus, heißt es aus der Branche. Vor allem die Werften in Asien profitieren: Südkorea, Japan und insbesondere China gelten als größte Schiffsbauer der Welt. Die exklusiven Satellitenbilder von LiveEO zeigen Einblicke in einige Werften dieser Länder.


Wie lange die Reeder an ihren Bestellungen Freude haben werden, ist allerdings unklar. Die neue Einkaufslust könnte weitgehende Folgen haben: Schon in der Vergangenheit hatte die Branche mehr Schiffe bestellt, als eigentlich nötig. Noch 2010 standen Schiffe mit rund 30 Prozent der Kapazität der bereits existierenden Flotten in den Orderbüchern, wie der Dienstleister Clarkson Research Services ausrechnete. Als sich die Finanzkrise ausbreitete, die Wirtschaft weltweit litt und auch die Nachfrage nach Schiffstransporten zusammenbrach, gerieten auch die Reeder in Seenot. Die Preise – in der Schifffahrt Raten genannt – sanken auf Tiefststände und blieben auch über Jahre dort.

Mittlerweile hat sich die Situation umgekehrt. In der Coronakrise gaben viele Menschen ihr Geld für Renovierungen statt für Reisen aus, für Heimtrainer statt für das Fitnessstudio. So stieg die Nachfrage nach in Asien produzierten Konsumgütern und auch nach den Schiffstransporten. Weil gleichzeitig Fabriken und Häfen ihr Arbeitstempo wegen den Schutzmaßnahmen gegen das Coronavirus drosseln mussten, herrscht mittlerweile Chaos. Es mangelt an Containern, die Schiffe sind überbucht und auch verspätet, tausende Waren warten in den Häfen, weltweit leiden Unternehmen unter Engpässen und unter den Frachtraten, die sich seit Beginn der Pandemie häufig verzehnfacht haben.

Auf die Finanzen der Reeder wirkte sich das positiv aus: In diesem Jahr könnten die Gewinne in der Branche die Marke von 100 Milliarden Dollar erreichen, prognostizierte kürzlich der Branchendienst Drewry. Zum ersten Mal seit Jahren sind die Kassen der Reedereien gut gefüllt. Das Geld geben sie nun für Schiffe aus.


Die sollen größer sein als je zuvor: Viele der Bestellungen haben eine Kapazität von bis zu 24.000 Standardcontainern. Auch Schiffe mit einer Größe von 13.000 Standardcontainern sind gefragt.

Bis die Schiffe die Werften verlassen, kann es jedoch noch dauern. Die Lieferfristen liegen bei zwei bis drei Jahren. Ob die Nachfrage nach Schiffstransporten dann immer noch so hoch ist, ist fragwürdig. So könnte die Einkaufstour womöglich die nächste Phase des Schweinezyklus mit neuen Überkapazitäten einläuten.

Rolf Habben Jansen, Vorstandsvorsitzender von Deutschlands größter Reederei Hapag-Lloyd gibt sich gelassen: „Es ist nicht so schlimm, wenn wir ein bisschen Spiel im System haben“, sagte er kürzlich bei einer öffentlichen Fragestunde für Kunden. Weil auch in der Schifffahrt bald strengere Umweltauflagen gelten, würden viele alte Schiffe vom Markt verschwinden. „Wir sollten nicht vergessen, dass die Verschrottung gerade sehr gering ist“, sagt er.


Doch auch was die Neubauten angeht, steckt die Industrie beim Thema Umweltfreundlichkeit in einem Dilemma. Nach den Plänen der UN-Organisation für Schifffahrt IMO sollen bis 2030 die Treibhausgasemissionen der Schifffahrt um 40 Prozent sinken, bis 2050 auf mindestens 50 Prozent im Vergleich zur 2008 ausgestoßenen Menge. Allerdings ist bis heute unklar, mit welcher Technologie die Branche diese Ziele erreichen kann. Nur läuft den Reedereien die Zeit davon: Normalerweise bleiben Containerschiffe mindestens zwanzig Jahre in Betrieb – sie werden also auch 2030 noch fahren.

Viele Reedereien setzen nun auf verflüssigtes Erdgas, LNG. Auch Hapag-Lloyds neue Schiffe sollen sowohl mit Schiffsdiesel, als auch mit LNG fahren können. Allerdings kritisieren Umweltverbände, dass die Branche allein mit LNG ihre Ziele kaum erreichen werde können. Das verflüssigte Gas gilt eher als Übergangstechnologie, bis andere Antriebsformen ausgereifter sind.

Die weltgrößte Reederei Maersk hat sich deshalb lange zurückgehalten. Seit 2015 hatte der dänische Konzern keine Schiffe mehr bestellt. Nun überraschte die Reederei im August mit einer Großbestellung von acht Schiffen. Deren Besonderheit: Die Schiffe sollen sowohl mit Schiffsdiesel als auch mit Methanol betrieben werden können. Der Schritt ist gewagt, bisher sind Schiffe mit Methanolantrieb kaum erprobt. Jedes der Schiffe hat eine Kapazität von 16.000 Containern und kostet gleich 175 Millionen Dollar. Damit seien die Schiffe rund 10 Prozent teurer als andere, schätzt Maersk selbst.

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Die Reederei hofft, dass sie die Konkurrenz so beim Thema Umweltfreundlichkeit überholen kann. Doch dazu braucht die Reederei erst mal genug grünes Methanol, also mithilfe von erneuerbaren Energien produziertes Methanol. Bisher ist das nicht flächendeckend verfügbar. Die Reederei investiert deshalb fleißig. Zusammen mit Partnern will Maersk mit Hilfe von Solarfarmen Ethanol per Hydrolyse herstellen. Auch in ein Start-up, dass Müll in Methanol umwandeln will, hat Maersk investiert. Noch bleibt Maersk etwas Zeit: Die großen Methanolschiffe sollen erst ab 2024 die Werft in Südkorea verlassen.

Die Rubrik entsteht in Kooperation mit dem Erdobservations-Start-up LiveEO – dieses ist eine Beteiligung der DvH Ventures, einer Schwestergesellschaft der Holding DvH Medien, ihrerseits alleiniger Anteilseigner der Handelsblatt Media Group, zu der auch die WirtschaftsWoche gehört.

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