Wirtschaft von oben #184 – Lombok Während über Klimaschutz geredet wird, wird hier ein neuer Hotspot für Massentourismus ausgebaut

Für den Eventcharakter des Mandalika-Resorts auf Lombok haben die Planer eine Motorradrennstrecke entworfen. Im März 2022 fand dort der erste Grand Prix statt. Quelle: LiveEO/SPOT

Ab Dienstag steigt der G20-Gipfel im Urlaubsparadies Bali. Gastgeber Indonesien hat für den so wichtigen Tourismussektor eine ambitionierte Strategie: „Zehn neue Balis“ sollen entstehen. Satellitenbilder von der Nachbarinsel Lombok zeigen, wie vehement Investoren und Behörden die Megaprojekte durchsetzen. „Wirtschaft von oben“ ist eine Kooperation mit LiveEO.

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Welch ein Widerspruch: Wenn ab Dienstag auf der indonesischen Insel Bali der G20-Gipfel abgehalten wird, sprechen die Staatschefs in Folge der Weltklimakonferenz neben Sicherheitspolitik vermutlich auch über Klimaschutz. Gleichzeitig wird die benachbarte Insel Lombok unter Kritik von Einheimischen und Nichtregierungsorganisationen zu einem neuen Hotspot für Massentourismus ausgebaut. Indonesiens Präsident Joko Widodo, der ebenfalls am G20-Gipfel teilnimmt, will „zehn neue Balis“ schaffen, um den Tourismus in seinem Land noch stärker anzukurbeln.

Baustellen für Wellnesshotels und Villen, ein vergrößertes Beach Resort, eine neue Moschee in altem Stil und eine Rennstrecke für die Motorrad-Weltmeisterschaft: Exklusive Satellitenbilder von LiveEO zeigen die starken Veränderungen auf der Insel Lombok. Und jede der Bilderstrecken demonstriert, wie rabiat und schnell die Insel in den vergangenen Jahren umgebaut wurde.

Einst war Balis Nachbarinsel Lombok ein relativ wenig erschlossenes Gebiet, das vor allem Surfer anlockte – und zuletzt traurige Berühmtheit durch starke Erdbeben erlangte. Seit 2016 gehört Lombok zu jenen Inseln, die Indonesiens Regierung zu „zehn neuen Balis“ umwandeln will. Das ohnehin stark vom Tourismus abhängige Land soll noch stärker auf die Reisebranche setzen, so will es Präsident Widodo. Unter anderem aus dem nahe gelegenen China sollen mehr Besucher kommen.

Eine halbstündige Fährfahrt von Bali und dem G20-Gipfel entfernt wird also eine Insel nach Balis Vorbild komplett umgestaltet. Das belastet nicht zuletzt die Einheimischen und die Umwelt, kritisieren Betroffene, UN-Menschenrechtsexperten und Nichtregierungsorganisationen. Doch was genau plant die Regierung auf Lombok?


Das Herzstück der Umwandlung von Lombok ist das Mandalika Resort im Süden der Insel. Die Satellitenbilder zeigen, wie nach und nach eine riesige Hotelanlage entsteht. Das Mandalika Resort, Lomboks 3-Milliarden-Dollar-Projekt, gilt als größtes Projekt seiner Art in Südostasien. Es ist als Sonderwirtschaftszone angelegt, die jährlich 20 Millionen Touristen anlocken soll und von zahlreichen Hotels, einer professionellen Strecke für Motorradrennen und vielen Stränden gesäumt wird.

Für das Gebiet sind unter anderem auch ein Freizeitpark, ein Wasserpark, ein Yachthafen, eine Lagune und ein Golfplatz geplant. Das Resort erstreckt sich über mehr als 1000 Hektar. Das entspricht etwa der doppelten Fläche des alten Berliner Flughafens Tegel.

Seit 2016 wird die Transformation von Lombok von der Staatsregierung, lokalen Behörden und privaten Bauherren vorangetrieben. Und die Bauarbeiten in der Sonderwirtschaftszone werden noch mehr als ein Jahrzehnt weitergehen, heißt es.

Am Ende soll Mandalika mehr als 10.000 Hotelzimmer zählen. Schon heute einchecken können Gäste etwa im Pullman Mandalika Beach Resort in einem der 257 Zimmer. Ab 100 Euro pro Nacht sind Zimmer in dem Fünf-Sterne-Hotel online verfügbar, die Buchung läuft über einen Vertriebspartner in deutscher Sprache ab.

Das Hotel liegt direkt am Indischen Ozean, verfügt über ein „Wellness-Center“. Gab es noch vor drei Jahren in der Region kaum Unterkünfte auf gehobenerem Niveau, säumen die Luxushotels mit Spa und Meerblick inzwischen das Mandalika Resort.

Wer hier Urlaub macht, muss das gute Gewissen aber wohl zu Hause lassen: Einheimische berichten von Zwangsvertreibungen und Enteignungen. Viele seien nur teilweise für ihre Grundstücke entschädigt worden, heißt es.

Dies rief sogar UN-Menschenrechtsexperten auf den Plan. Sie veröffentlichten 2021 einen Report, in dem sie den Landraub kritisierten und von der Regierung in Jakarta Verbesserungen forderten. Olivier De Schutter, UN-Sonderberichterstatter für extreme Armut und Menschenrechte, sagte damals: „Farmer und Fischer wurden von ihrem Land vertrieben und mussten die Zerstörung ihrer Häuser, Felder und Wasserquellen sowie ihrer kulturellen und religiösen Stätten erdulden“.

Menschen seien bedroht und „ohne Entschädigung von ihrem Land vertrieben“ worden, teilweise ohne vorherige Ankündigung der Behörden. „Eine großangelegte Tourismusentwicklung, die die Menschenrechte mit Füßen tritt, ist mit dem Konzept der nachhaltigen Entwicklung grundsätzlich nicht vereinbar“, so De Schutter. Das staatliche Tourismus-Unternehmen ITDC wies die Vorwürfe zurück und gab an, dass Menschenrechte und Umweltschutz berücksichtigt würden.


So kam es im Februar auch zu Protesten von Einheimischen anlässlich der Einweihung einer MotoGP-Rennstrecke, die ebenfalls im Mandalika Resort liegt. MotoGP ist die Motorrad-Weltmeisterschaft, die ähnlich der Formel 1 um den Planeten tourt – und inzwischen auch auf Lombok Halt macht. Baubeginn der Strecke war 2019, im November 2021 fanden die ersten Rennen statt. Vor dem MotoGP-Debüt im Frühjahr versammelten sich Einheimische zu mehreren Demonstrationen gegen die Entwicklung in Lombok, von der sie sich ausgeschlossen fühlen.
Bei einem Protest nahmen laut Medienberichten mehrere hundert Jugendliche teil, verbrannten nahe der Rennstrecke Reifen. Bei den Protesten, an denen sich auch Taxifahrer beteiligten, ging es allerdings nicht um die Enteignungen: Die Einheimischen forderten, im Rahmen der anstehenden Rennen beschäftigt und beispielsweise als Fahrer für das Event eingesetzt zu werden.

Bei dem Motorrad-Rennen im Februar zeugten die Reaktionen einiger Fahrer zudem davon, dass die indonesische Insel womöglich nicht der beste Ort für die Rennstrecke ist. Bei fast 45 Grad Celsius in der Luft – und 65 Grad auf dem Asphalt – quälten sie sich über die Strecke. Fahrer Aleix Espargaro: „Das sind Werte, bei denen es sowohl für den Körper, aber auch für das Material anfängt gefährlich zu werden“.

Obwohl Indonesiens Bevölkerung als motorradverrückt gilt, liegt hier der Vergleich zum Emirat Katar nahe, wo ab Ende November die Fußball-WM stattfindet – bei Wüstenhitze in klimatisierten Stadien.

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So schnell, wie die Rennstrecke nach Bekanntwerden der touristischen Mega-Pläne der Regierung hochgezogen wurde, laufen auch die Bauarbeiten für neue Hotels und Wohngebiete auf Lombok:


Es heißt, in den kommenden Jahren sollten durch die Bauarbeiten und die Touristen auf der Insel eine halbe Million Arbeitsplätze entstehen. Während vielerorts die Arbeiten an Baugrundstücken und Wohnhäusern noch laufen, bieten zahlreiche Firmen bereits Villen zum Verkauf oder zur Miete an.

Makler schwärmen vom „Traum, ein kleines Stück vom Paradies“ zu besitzen. Je nach Größe und Ausstattung der Villa und Nähe zum Strand beginnen die Kaufpreise im niedrigen sechsstelligen Dollar-Bereich. Ob die vorherigen Eigentümer für ihr Land entlohnt oder ohne Abfindung enteignet wurden, geben die Vermarktungsagenturen freilich nicht an.
Die Satellitenbilder von LiveEO zeugen auch davon, wie innerhalb kurzer Zeit eine Moschee aus dem Boden gestampft wurde:


Die Nurul-Bilad-Moschee ist mit 1500 Plätzen für Gläubige zwar winzig im Vergleich zu den größten Moscheen Indonesiens. Dennoch soll sie binnen kurzer Zeit zur Touristenattraktion avancieren, insbesondere aufgrund ihrer Architektur, die an historische Moscheen aus Lomboks Norden erinnert und authentisch anmuten soll – dabei begannen die Bauarbeiten für die Moschee erst nach der 2016 gestarteten Kampagne der „10 neuen Balis“ durch Präsident Widodo.

Eine Reise durch das muslimische Indonesien mag selbst für Agnostiker eine spirituelle Erfahrung sein. Nachhaltig ist der Tourismus in den Mega-Projekten wie Lombok jedoch längst nicht. Das liegt nicht zuletzt an den zahlreichen Vertreibungen und Enteignungen von Einheimischen. Und auch, wenn zunehmend vermeintlich ökologische Reisen auf Lombok vermarktet werden: Die Insel hat seit Jahren ein massives Plastikproblem.

Das dürfte durch zunehmenden Tourismus auf der einst recht abgeschiedenen Insel eher schlimmer als besser werden. Vor der Pandemie kletterte etwa die Zahl der Touristen aus China in Indonesien in ungeahnte Höhen. Und der Tourismus-Minister wirbt seit Jahren um chinesische Investments für die neuen Tourismus-Projekte.

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Kritik von Umweltschützern zog auch die Rinca Insel auf sich, ebenfalls Teil der Tourismus-Pläne der Regierung. Denn zur Unterhaltung von Touristen wird dort ein Park dem Dinosaurier-Film „Jurassic Park“ nachempfunden. Dafür wurden eigens einige der letzten lebenden Riesenechsen, Komododrachen, in den Nationalpark verfrachtet. Kritiker fürchten, dass deren natürlicher Lebensraum eingeschränkt werden könnte. Sie werfen der Regierung vor, das Leben der Tiere den ambitionierten Plänen für neue Tourismus-Hotspots unterzuordnen.

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