Wirtschaft von oben #209 – BYD in China Diese Bilder sollten deutschen Autobauern Angst einjagen

In kürzester Zeit hat BYD in Zhenjiang diese drei Batteriefabriken sowie ein Autowerk hochgezogen. Quelle: LiveEO/Pleiades

Der chinesische Elektroauto-Hersteller BYD baut in nie dagewesenem Ausmaß Autofabriken, um VW und Toyota vom Thron zu stoßen. Das zeigt eine exklusive Satellitenbildanalyse. Wirtschaft von oben ist eine Kooperation mit LiveEO.

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Viele Deutsche haben vom chinesischen Autohersteller BYD (Build Your Dreams) wahrscheinlich noch nie etwas gehört. Dabei war BYD im vergangenen Jahr nach Tesla schon der zweitgrößte Elektroautobauer der Welt – und wächst viel schneller als Tesla. In China verkauft das Unternehmen rund fünfzehn Mal so viele E-Autos wie Volkswagen. Nun zeigen Satellitenbilder von LiveEO, dass BYD sich mit diesen Erfolgen noch lange nicht zufriedengibt. Erstmals ist auf den Aufnahmen zu sehen, wie das Unternehmen an mehreren Standorten parallel gewaltige Autowerke hochzieht.

Die Kapazitäten der Werke sind so groß, dass BYD schon in diesem Jahr mehr Autos bauen dürfte als BMW oder Mercedes. Und das Unternehmen, an dem Starinvestor Warren Buffett schon seit 2008 Anteile hält, rückt mit dem neuen Turbowachstum sogar den Branchengrößten VW und Toyota gefährlich auf die Pelle. Expandiert BYD wie geplant mit seiner Produktion auch ins Ausland, könnte das Unternehmen bald selbst zum größten Autobauer der Welt aufsteigen. 

Die Satellitenbilder zeigen, dass BYD vor allem die Pandemiejahre genutzt hat, um den groß angelegten Angriff auf die westlichen Autobauer vorzubereiten. Die hatten in dieser Zeit ihre Investitionen eher gebremst. Die Null-Covid-Strategie der Regierung in Peking dürfte besonders 2021 und 2022 dem Unternehmen geholfen haben, die Fabrikprojekte weitgehend ungestört voranzutreiben.



Das nagelneue Werk in Hefei etwa, in der Provinz Anhui, wird mit 4,3 Milliarden Dollar mehr als doppelt so teuer wie Giga Shanghai von Tesla. Genau genommen wird der Standort aus drei nahezu identischen Fabriken bestehen, die BYD nebeneinander baut. Im ersten Teil startete im vergangenen Sommer die Produktion, im zweiten Ende März.

Allein diese gewaltige Fabrik soll bald eine Kapazität von 1,32 Millionen Autos pro Jahr haben, berichten chinesische Medien mit Bezug auf BYD-Angaben. Das entspreche einem Jahresumsatz von rund 23 Milliarden Dollar. Zum Vergleich: Im größten BMW-Werk (Spartanburg, USA) werden jährlich rund 400.000 Autos gebaut, im größten VW-Werk (Wolfsburg) etwa 800.000 Autos. 

Die Bilder zeigen nun, wie rasant die Fabrik, die rund 20 Kilometer nördlich der Fünf-Millionen-Metropole Hefei liegt, in die Landschaft gebaut wird.


Im Sommer 2021 ist an jener Stelle außer ein paar alten Werkhallen eines Industrieparks, Ackerflächen und einigen Dörfern nicht viel zu sehen. Knapp zwei Jahre später sind die Dörfer und Felder verschwunden. An ihrer Stelle stehen zum Teil riesige Werkhallen. Einige sind knapp einen dreiviertel Kilometer lang. Nebenan hat BYD dutzende Wohnheime für tausende von Arbeitern bauen lassen, die die Autos in der Fabrik montieren.

Auf dem neuesten Satellitenbild des BYD-Werks in Hefei vom 1. Mai sind nun neben den zwei weitgehend fertigen Bauabschnitten schon die Erdarbeiten für Phase drei zu sehen.

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Um möglichst viele Auto- und Batteriewerke in Rekordtempo hochziehen zu können, nutzt der Autobauer ein standardisiertes Fabriklayout. Das unterscheidet sich je nach Standort nur minimal. Dadurch lassen sich die Produktionsorte auch leicht aus dem Weltall identifizieren.

Im Fall des ersten Werkteils in Hefei hat es gerade einmal zehn Monate vom ersten Spatenstich bis zu dem Tag gedauert, an dem das erste Auto vom Band rollte. Das Tesla-Werk im deutschen Grünheide brauchte bis zur Eröffnung etwa 28 Monate – ohne, dass es eine zusätzliche Wohnanlage für Mitarbeiter benötigte.

Der Standort in Hefei ist aber nur ein Teil einer größeren Offensive, mit der BYD sich mittelfristig zum weltgrößten Autobauer mausern will. Aus dem ebenfalls riesigen neuen Werk in Zhengzhou, in der Provinz Henan, rollte chinesischen Medien zufolge am 6. April das erste E-Auto. Hier hat es von der Vertragsunterzeichnung bis zum Produktionsstart 17 Monate gedauert. Das Werk soll aktuell eine Kapazität von knapp einer halben Million Fahrzeuge jährlich haben.


Ein hochaufgelöstes Satellitenbild zeigt um die 50 Wohnheimblocks für Arbeiter, die das Gelände säumen. Es ist eine regelrechte Stadt, die sogar ihr eigenes Klärwerk besitzt. Der Standort besteht dabei nicht nur aus dem Autowerk, sondern auch aus drei nahezu identischen Batteriefabriken, die aus dem All betrachtet an eckige Hufeisen erinnern.

Mehrere Dörfer und große Flächen Ackerland mussten für die Fabrik weichen, zeigen die Satellitenbilder. Und auch hier ist noch deutlich Raum für Expansion. Anders als das Stammwerk in Shenzhen, das mitten in der Stadt liegt und aus allen Nähten platzt, baut BYD die neuen Fabriken aktuell mit reichlich Abstand zu den Metropolen.


In Zhengzhou ist offenbar eine Erweiterung wie in Hefei geplant. In den kommenden Jahren soll auch dieser Standort eine Kapazität von mehr als einer Million Autos pro Jahr erreichen. 

2021 hat BYD 700.000 Autos verkauft. 2023 sollen es bereits drei Millionen sein, wie Gründer und Chairman Wang Chuanfu kürzlich bei einer Investorenkonferenz verkündete. Sollte BYD dieses Ziel erreichen, wäre das Unternehmen an BMW und Mercedes (jeweils rund zwei Millionen Fahrzeuge) vorbeigezogen. Angesichts der enormen Kapazitäten der neuen Werke könnte BYD dann Marktführer wie Volkswagen (acht Millionen Fahrzeuge) oder Toyota (zehn Millionen Fahrzeuge) ins Visier nehmen.

Ein weiterer Standort, an dem nach Standardmuster eine neue Produktion hochgezogen wird, liegt nahe Jinan, etwa 300 Kilometer südlich von Peking. Westlich vom Flughafen der Stadt errichtet BYD eine Autofabrik, östlich des Flughafens mehrere Batteriefabriken, die das Autowerk beliefern sollen.


Auch an diesem laut Branchendiensten 2,1 Milliarden Dollar teuren Standort hat die Produktion bereits begonnen und soll demnächst weiter hochgefahren werden auf 300.000 Autos jährlich.


Am nördlichen Rand des Werkes sind auf dem neuesten Satellitenbild schon die nächsten Erdarbeiten zu erkennen. Vermutlich wird es BYD auch hier nicht bei einem Bauabschnitt belassen.

Das Tempo, mit dem BYD zurzeit expandiert, ist in der Autobranche beispiellos und lässt selbst die Tesla-Erfolge verblassen. So verdoppelte der Konzern im vergangenen Jahr eigenen Angaben zufolge seine Belegschaft von 288.000 auf 570.000 Mitarbeiter, nachdem sie ein Jahrzehnt lang nur leicht zugelegt hatte. Dieses enorme Wachstum dürfte vor allem durch das dominierende Autogeschäft getrieben sein. BYD stellt unter anderem auch Busse, Gabelstapler und Solarzellen her.

Würden chinesische Hersteller ihren Marktanteil in China bis 2030 von 50 auf 75 Prozent erhöhen, würde das allein europäische Autobauer mehr als sieben Milliarden Euro an jährlichen Nettogewinnen kosten, warnt eine gerade veröffentlichte Studie des Kreditversicherers Allianz. Deutsche Produzenten seien aufgrund ihrer Marktposition besonders betroffen. Die Allianz versucht in dem Papier die möglichen finanziellen Auswirkungen des extremen Wachstums chinesischer E-Auto-Hersteller auf europäische Autobauer abzuschätzen. 

In der Stadt Xiangyang hat BYD Auto in den vergangenen Monaten zwei neue Fertigungen für E-Auto-Batterien aufgebaut. Fabriken für weitere Fahrzeugkomponenten sollen folgen. Investitionssumme hier: 1,5 Milliarden Dollar. Die Batterien braucht BYD für die eigenen Fahrzeuge, liefert sie aber auch anderen Herstellern zu.


BYD gehört zu den fünf größten Herstellern von E-Auto-Batterien weltweit. Autobauer schätzen an den Lithium-Eisen-Phosphat-Akkus von BYD, dass sie sicher und langlebig sind – und ohne den teuren sowie meist nicht nachhaltig geförderten Rohstoff Kobalt auskommen. 

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Kaum ein Autohersteller hat so große Kompetenz in der Batterieentwicklung wie BYD. Die Wurzeln des Unternehmens liegen in der Produktion von Handyakkus. Seit den 1990er-Jahren forscht es mit enormem Aufwand an der Technik, beschäftigt angeblich heute zehntausende Batterieentwickler. 

Autos produzierte BYD bislang an fünf Standorten: In Shenzhen bei Hongkong, in der alten Kaiserstadt Xian, im zentralchinesischen Changsha und in Changzhou bei Shanghai. Das Wachstumspotenzial an diesen städtischen Standorten ist aufgrund ihrer Lage allerdings inzwischen begrenzt. In Changsha hat das Unternehmen seine bereits bestehende Autofabrik zuletzt um mehrere Werkhallen erweitert, indem es Freiflächen auf dem eigenen Werksgelände bebaut hat.


Ein weiteres Werk, das BYD nach dem neuen standardisierten Layout aufgebaut hat, steht südlich der Stadt Fuzhou am Fluss Chongren. Auch diese Fabrik hat neben einer E-Auto-Produktion ihr eigenes Batteriewerk. Im ersten Schritt sollen 200.000 Autos jährlich vom Band laufen. Um schneller zu sein, hat das Unternehmen zwei große Hallen, die bereits seit Jahren auf dem Gelände standen, in die Autofabrik integriert.

Neueste Satellitenbilder zeigen nun, dass der Autobauer wohl auch hier bereits daran arbeitet, den Standort zu erweitern.


Noch baut BYD die neuen Werke vor allem, um den Heimatmarkt zu bedienen. Mittelfristig möchte das Unternehmen aber in anderen Märkten ähnlich dominant werden wie in China. Der Vertriebschef der Marke BYD in Deutschland, Lars Pauly, sagte im Interview mit der WirtschaftsWoche: „BYD hat das Ziel, ein großer Player in Deutschland im Bereich Elektroautos zu werden. So wie BYD auch in China ein großer Player ist.“

Um das zu erreichen, müsste BYD wohl Produktionskapazitäten in Europa aufbauen. Denn der Import von chinesischen Fahrzeugen ist mit hohen Kosten verbunden. Neue BYD-Fabriken in Europa – das wäre dann die nächste Stufe der Turboexpansion.

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Einen ersten Schritt ins Ausland geht BYD gerade. In Thailand gab es im März den ersten Spatenstich für ein neues Autowerk, das erste des Unternehmens außerhalb von China. Es soll 2024 mit der Produktion starten und jährlich bis zu 150.000 Fahrzeuge ausliefern. Ob es dabei bleiben wird? Angesichts dieser Bilder wohl eher nicht.

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