Abgas-Manipulationen Daimler steckt immer tiefer im Skandalsumpf

Daimler in Gefahr Quelle: Bloomberg

Nach VW könnte auch Daimler auf einen Dieselskandal zusteuern. Nach den neuen Vorwürfen des Kraftfahrt-Bundesamtes prüft die Staatsanwaltschaft Stuttgart eine Ausweitung ihrer Ermittlungen gegen Daimler-Mitarbeiter.

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Es läuft nicht gut für Daimler-Chef Dieter Zetsche in diesen Tagen. „Bei uns wird nicht betrogen, bei uns wurden keine Abgaswerte manipuliert“, hatte Zetsche 2016 versprochen. Nun aber wird ein Abgasskandal wird immer wahrscheinlicher und es stellt sich die Frage, wie lange Zetsche sich auf dem Chefsessel noch halten kann.

„Das Kraftfahrt-Bundesamt hat wegen des Verdachts einer unzulässigen Abschalteinrichtung für das Daimler-Modell Vito eine amtliche Anhörung eingeleitet“, teilte das dem Kraftfahrt-Bundesamt übergeordnete Bundesverkehrsministerium der WirtschaftsWoche mit. „Amtliche Anhörung“ klingt eher harmlos, doch diese Maßnahme der Aufsichtsbehörde hat es in sich. Es ist die letzte Eskalationsstufe vor einem amtlichen Rückruf des Modells, den Daimler dann annehmen könnte und damit offiziell des Abgasbetrugs überführt wäre, oder sich vor Gericht dagegen wehren müsste. Daimler hat bereits angekündigt, sich mit „allen rechtlichen Mitteln“ zur Wehr zu setzen.

Seit Monaten schon streiten sich das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) und Daimler über die Frage, ob das Modell Vito, ein Transporter, illegale Abgastechnik enthält. Wenn Daimler im Rahmen der amtlichen Anhörung den Verdacht der Behörde nicht ausräumen kann und sich der Behörde weiter widersetzt, dürfte die Angelegenheit vor Gericht landen. „Dann wird öffentlich gestritten und es werden nicht mehr hinter verschlossenen Türen Absprachen mit dem Amt oder dem Verkehrsministerium getroffen“, sagt ein Insider. „Das ist im Interesse der Aufklärung, aber sicherlich nicht im Interesse von Daimler.“

Daimler bestätigte „technische Gespräche“ mit dem KBA. Wie die WirtschaftsWoche aus Kreisen des Unternehmens erfuhr, hat das KBA im Rahmen der Untersuchung bereits Fragen an Daimler geschickt. Das Unternehmen habe diese bereits beantwortet, sagte der Daimler-Insider. Aufgrund der laufenden Gespräche wollte sich Daimler nicht weiter äußern. Bislang haben deutsche Behörden noch kein Fahrzeug von Daimler von Amts wegen zurückgerufen, das Unternehmen hat sich auf freiwillige Serviceaktionen beschränkt.

Ob es nun doch so kommt, entscheidet sich in einem achtstöckigen Bürogebäude in Flensburg. In Großbuchstaben prangt der Namenszug des Kraftfahrt-Bundesamts über der braun-grauen Eingangspforte. Im Innern lagert in meterlangen Regalen mit Hängeregistern die lebhafte Geschichte des automobilen Wirtschaftswunderlands.  Lange galten die rund 1000 Beamten hier als zahm und industriefreundlich. Doch das KBA hat aufgerüstet, holt verdächtige Autos ins Testlabor, lässt Schadstoffe messen.

So geschehen beim Transporter Vito. Dessen Dieselabgase, so der Verdacht, soll Daimler im Betrieb auf der Straße nicht ausreichend gereinigt haben. Um die Abgase weitgehend von Stickoxiden zu befreien, müssten die Autos eine ausreichende Menge der Harnstofflösung AdBlue einspritzen. Doch in vielen Autos gibt es wenig Platz für einen großen Tank. Volkswagen hat das Problem gelöst, indem Autos die Abgase nur im Zulassungstest vollständig reinigten, die AdBlue-Dosierung auf der Straße aber herunterfuhren. Das Vorgehen war illegal, hat den Konzern Milliarden und Ex-Chef Martin Winterkorn den Job gekostet.

Das sind die Bestseller von Daimler
Platz 5: S-Klasse Quelle: picture alliance
Platz 4: E-Klasse Quelle: dpa
Platz 3: C-Klasse Quelle: Daimler AG
Platz 2: Kompaktwagen Quelle: REUTERS
Platz 1: SUVs Quelle: Daimler AG

Hat auch Daimler manipuliert? Der Autobauer verneint das entschieden, bestätigt aber Gespräche mit dem KBA zu „circa 1000 Fahrzeugen“. Konkret gehe es um den Vito Tourer mit der Schadstoffnorm Euro 6 aus alter Produktion. 1000 Autos sind wenig. Doch „ich gehe davon aus, dass es um deutlich mehr Fahrzeuge geht“, sagt ein wichtiger Insider. Wenn das KBA Daimler erst mal eine Abschalteinrichtung nachgewiesen habe, würde das auch bei anderen Modellen leichter fallen. „Daimler würde zum Wiederholungstäter und wäre überführt", sagt ein Insider. Kurz: Der Fall Vito könnte zum Präzedenzfall werden.

Daimler sieht das anders. Es sei „nicht möglich“, von einer Baureihe auf eine andere zu schließen. Zudem sei der Vito mit einer Motorenvariante des Kooperationspartners Renault unterwegs, die in keinem anderen Mercedes-Fahrzeug eingebaut sei. Tatsächlich muss Daimler die Abgasreinigung für jede Kombination aus Motor und Getriebe neu anpassen. Dieselmotoren von Renault hat der Autobauer jedoch auch bei mehreren Kompaktmodellen, in der C-Klasse und im Kastenwagen Citan verbaut. Diese Motoren sind in Tests mehrfach durch extrem hohe Stickoxidemissionen aufgefallen.

Die möglichen Manipulationen bei Daimler sind auch ein Thema für die Staatsanwaltschaft Stuttgart.  Sie ermittelt gegen zwei namentlich bekannte, aber auch unbekannte Mitarbeiter von Daimler. Schon im Mai 2017 durchsuchten 23 Staatsanwälte, 230 Kräfte des Landeskriminalamts sowie Polizisten elf Orte in Baden-Württemberg, Berlin, Niedersachsen und Sachsen nach Unterlagen und Datenträgern. Nach Recherchen von „Süddeutscher Zeitung“, NDR und WDR soll es um einen zu hohen Schadstoffausstoß bei mehr als einer Million Autos gehen. Betroffen sind demnach Autos aus den Jahren 2008 bis 2016. Daimler wollte sich nicht „zu einem laufenden Ermittlungsfahren“ äußern.

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