Berlin Wer groß bauen will, muss mit Protest rechnen

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Berlin rollt nicht jedem den Teppich aus, der Geld verspricht

Zu offensiver Transparenz rät auch Stefan Franzke von der Berliner Wirtschaftsförderung. Wenn er in der Hauptstadt mit Investoren redet, empfiehlt er ihnen, sich frühzeitig bei der Politik, den Anwohnern und den Netzwerken vor Ort vorzustellen. Nur mit Hochglanzbroschüren komme man in Berlin nicht weit: „Wer hier baut, muss den Kiez miteinbeziehen. Wer das nicht macht, riskiert die Farbbeutel“, sagt Franzke. Es sei wichtig, dass auf die Bedürfnisse der Umgebung eingegangen wird: „Die Investoren müssen schauen, was fehlt: eine Kita, ein Seniorenheim oder eine Grünfläche?“

Berlin, so viel wird klar, rollt nicht einfach jedem den Teppich aus, der Geld verspricht. Wer zur Region gehören möchte, muss sich ihr öffnen. Das rät Franzke auch Tesla. In den USA nahm er einmal bei einer Werksführung des Automobilhersteller teil, nun hofft er, dass auch in Grünheide so viel Offenheit an den Tag gelegt werden wird. Er nimmt ohnehin einen Wandel in den vergangenen zehn Jahren wahr: „Früher war einmal im Jahr ein Tag der offenen Tür, heute öffnen Unternehmen sich den Menschen stärker.“

Siemens beispielsweise knüpft in Berlin mit der neuen Siemensstadt nicht nur an eine ehrwürdige Tradition an. Der Konzern plant auch einen offenen Gebäudekomplex mit Schule, Kita und Cafés. Projekte mit geschlossenen, abweisenden Blöcken gehören der Vergangenheit an. „Das geht nicht in einer Stadt, die in der Vergangenheit so schlechte Erfahrungen mit Abschottung gemacht hat“, sagt Franzke. Wenn ein privates Unternehmen sich so verschließe, dass die Bürger nicht einmal reinschauen könnten, sorge das für Ablehnung.


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Auch der Projektentwickler Edge versucht, diesen Weg zu gehen – ob er in diesem Fall aber gelingt, ist noch offen. In Friedrichshain an der Warschauer Brücke, traditionell ein eher links und kapitalismuskritisch geprägter Kiez, plant Edge den „Edge East Side Tower“. Das Projekt ist in Berlin besser als „Amazon Tower“ bekannt, weil der Konzern 2024 mit 3400 Mitarbeitern in das Hochhaus einziehen will.

Die ersten beiden Etagen sollen zwar öffentlich zugänglich sein und über Restaurants, Cafés und Veranstaltungsräume verfügen. Doch damit allein wird Edge die großen Amazon-Gegner wohl nicht überzeugen. Unter „Berlin vs. Amazon“ organisieren sie Protest im Netz und der Straße. Die Aktivisten befürchten Aufwertung und Verdrängung in der Gegend, die heute schon zum Hotspot für Touristen geworden ist.

Allen kann man es nie recht machen, das weiß auch Wirtschaftsförderer Franzke. Aber man könne zu mindestens schauen, wo ein Unternehmen besonders gut in den Kiez passe. Als ein Hemmnis für Investitionen sieht Franzke den Protest nicht, der gehöre nun einmal dazu. Überhaupt stehe der Ballungsraum Berlin im Moment sehr gut da. Durch die Krise käme die Hauptstadt mit einem blauen Auge.

Seine erbittertsten Gegner wird auch Tesla nicht überzeugen können. Als in der Stadthalle Konzernsprecher Riederer seine Präsentation hält, der mit der besonderen Wohlfühlatmosphäre bei der Arbeit, prangt auf einer Seite ein stilisiertes Bild der Fabrik im Sonnenuntergang. Diese polierten Bilder sind offenkundig gar nicht zur Überzeugung der Protestler gedacht, sondern an die zahlreich erschienenen Medienvertreter gerichtet. Die sollen mit dem Verbreiten der Bilder bitteschön die Sehnsüchte der nicht anwesenden Projektbefürworter stillen.

Mehr zum Thema: Die Bundestagsfraktion der Union traf sich zur Klausur. Dabei empfingen sie einen besonderen Gast: Elon Musk.

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