Im Silicon Valley herrscht Sommerferienstimmung. Das Wetter ist traumhaft. Ein langes Wochenende naht. Am 4. Juli ist der Unabhängigkeitstag, den die Amerikaner mit Ausflügen, öffentlichen Feuerwerken und Barbecues feiern. Diesmal fällt er auf einen Montag. An den Pazifikstränden ums Silicon Valley werden bereits Schilder aufgehängt, die vor privater Knallerei warnen und empfindliche Strafen androhen. Es ist knochentrocken. Kalifornien befindet sich in einer „Jahrtausenddürre“.
Brenzlig ist auch die Stimmung bei Tesla und alles andere als entspannt. Das hängt nicht nur damit zusammen, dass am Donnerstag das zweite Quartal zu Ende geht. Bis dahin müssen so viel wie möglich produzierte Teslas bei ihren Käufern stehen, damit sie in der Auslieferstatistik gezählt werden können. Jedes Quartal bei Tesla ist eine Hauruck-Aktion, aber diesmal ist es besonders stressig. Was wieder mal am obersten Chef liegt.
Am zweiten Juni hatte Tesla-Chef Elon Musk eine E-Mail an seine Führungskräfte geschickt. Betreffzeile: „Stoppt alle Einstellungen weltweit.“ Er habe ein „superschlechtes Gefühl“ über die globale Wirtschaftslage. Tesla müsse sich dafür rüsten und Personal abbauen. Zuvor hatte er darüber gewettert, dass zu viele Tesla-Mitarbeiter von zu Hause aus arbeiten würden. „Jeder bei Tesla muss mindestens 40 Stunden pro Woche im Büro verbringen“, forderte Musk. „Wenn Sie nicht erscheinen, dann gehen wir davon aus, dass Sie gekündigt haben.“ Das sei auch eine Frage der Fairness, legte er später gegenüber Führungskräften nach, denn die Arbeiter in der Produktion könnten ihren Job nicht einfach von zu Hause aus erledigen oder an „einen exotischen Ort ihrer Wahl umziehen.“
Zunächst war die Rede von zehn Prozent Personalabbau, allerdings nur bei festangestellten Mitarbeitern. Dann korrigierte Musk die Zahl auf zunächst 3,5 Prozent. Allerdings waren nun auch auf Stundenbasis angeheuerte Kräfte betroffen, auch in der Produktion. Tesla hat derzeit rund 110.000 Mitarbeiter weltweit und ist einer der größten Arbeitgeber Kaliforniens. Es könnte also in der Spitze bis zu 11.000 Leute treffen.
Am Dienstag zündete Musk die nächste Granate. Diesmal trifft es nicht die Stammfabrik in Fremont, am Rande des Silicon Valley. Sondern ein Büro in San Mateo, mitten im Silicon Valley, wo rund 300 Mitarbeiter an Teslas Fahrassistenzsystem arbeiten, als „Autopilot“ bezeichnet. Die meisten von ihnen werkeln daran, auf von den Fahrzeugkameras erfassten Videoclips Gegenstände zu identifizieren, ob es sich etwa um einen schmalen Baum oder ein Straßenschild handelt. Normalerweise machen das Bilderkennungssysteme automatisch. In Grenzfällen oder um die Entscheidung des Computers zu prüfen, muss zusätzlich menschliche Intelligenz ran.
Die Schließung des Büros war bereits angekündigt, weil der Mietvertrag ausgelaufen war. Aber die Mitarbeiter hatten angenommen, dass sie einfach in ein neues Büro in Palo Alto versetzt werden würden. An der Page Mill Road, in der Nähe zur Stanford Universität, hatte Tesla im Herbst mehrere Bürogebäude mit 30.000 Quadratmetern gemietet, die zuvor zu Hewlett Packard gehörten. Dort baut der Konzern aus.
Stattdessen mussten rund 200 der betroffenen Mitarbeiter am Dienstag ihre Laptops und Firmenausweise abgeben. Sie werden noch für die nächsten zwei Monate bezahlt und müssen sich nun einen neuen Job suchen. Tesla konzentriert das Auswerten der Videos auf seinen Standort Buffalo im US-Bundesstaat New York, gegenüber der kanadischen Grenze.
Dort befindet sich die sogenannte Giga Factory 2, in der Tesla Solarpanele sowie seine Supercharger fertigt. Sie gehörte einst zum Solaranbieter Solarcity, der von den Cousins von Musk gegründet und im Sommer 2016 von Tesla übernommen wurde. In Buffalo kann Tesla nicht einfach Mitarbeiter abbauen, weil dem Staat gegen Gewährung von Steuererleichterungen Arbeitsplätze versprochen wurden. Davon soll Tesla jedoch nur einen Bruchteil erfüllt haben, weshalb es bereits Forderungen gibt, Vergünstigungen zu streichen oder zurückzuzahlen.
Klar ist, dass die dortigen Lebenshaltungskosten weit unter denen im Silicon Valley liegen. Die Gegend in Kalifornien zählt zu den teuersten Regionen der Welt, wo man mit einem Jahreseinkommen von unter 100.000 Dollar schon als bedürftig gilt. Als Musk von Toyota im Mai 2010 die Fahrzeugfabrik in Fremont übernahm, hatten sich viele Experten gewundert. Eine Autofabrik, ausgerechnet am Rande des ultrateuren Silicon Valley? Das hatte schon für die Voreigentümer Toyota und General Motors wirtschaftlich nicht funktioniert.
Doch für Tesla war es ein Schnäppchen, weil man nur 42 Millionen Dollar zahlen musste. Nicht nur vom Grundstückswert her, sondern auch weil man so auf die Schnelle zu einem Fabrikgebäude kam und Mitarbeiter anheuern konnte, die sich mit der Produktion von Fahrzeugen bereits auskannten. Zudem kaufte sich Toyota zeitgleich bei Tesla ein. Was kurz vor dem Börsengang Glaubwürdigkeit verschaffte.
Dass Tesla nun nach Texas umgezogen ist und dort sein neuestes Werk errichtete, hat nicht nur mit den dort wesentlich geringeren Steuern zu tun. Sondern auch mit den geringeren Lebenshaltungskosten, selbst am Rande einer Boomstadt wie Austin.