Der Autobauer Tesla verkündet an diesem Mittwoch nach US-Börsenschluss seine Zahlen für das erste Quartal. Nicht nur die Investoren erwarten gespannt, welche Überraschungen Tesla-Chef Elon Musk bereithält. Knackpunt wird die Produktion des Model 3 sein, die in letzter Zeit immer wieder für Schlagzeilen sorgte. Das Mittelklassemodell soll dem E-Auto-Pionier den Weg in den Massenmarkt ebnen.
Bei einer Telefonkonferenz im Februar nannte Elon Musk das Werk „Gigafactory 1“ im US-Bundesstaat Nevada als Grund für die Produktionsrückstände beim Model 3 . In Kooperation mit Panasonic stellt Tesla dort Lithium-Ionen-Akkus für seine Elektrofahrzeuge her. Ob die Probleme seitdem gelöst werden konnten, ist unklar.
Das vergangene Jahr schloss Tesla mit einem Kassenbestand von 3,4 Milliarden US-Dollar ab – es blieben 9,4 Milliarden Dollar Schulden. Analysten zweifeln immer häufiger daran, dass der Konzern überhaupt irgendwann profitabel sein wird – und warnen davor, dass die Kassen schon Ende des Jahres gänzlich leer sein könnten.
Die Produktionsschwierigkeiten und die Frage nach der Profitabilität werden zwar die zentralen Themen bleiben. Kunden, Investoren und Brancheninteressierte erwarten aber noch weitere Antworten:
1. Wann kommt das autonome Fahren?
Elon Musk hat angekündigt, dass Teslas Assistenzsysteme das Potenzial bieten, gänzlich autonomes Fahren zu ermöglichen. Einst kündigte der Unternehmer an, noch 2017 solle es die erste autonome Fahrt von Kalifornien nach New York geben. Wie so oft verstrich die selbstgesetzte Frist ergebnislos.
Dabei bietet Tesla seinen Kunden bereits „Full Self Driving” für einen Aufpreis von 3000 Dollar. Genutzt werden kann die Option allerdings noch nicht. Nachdem im März ein Model-X-Fahrer bei einem Unfall starb, legte sich Tesla zudem mit ermittelnden US-Behörden an.
2. Wie weit reicht die Automatisierung der Produktion?
Musk hat in der Vergangenheit betont, Teslas Wettbewerbsvorteil liege langfristig gar nicht in der fortschrittlichen Fahrzeugtechnologie, sondern in der Produktionstechnik. Die Automatisierung der Produktion wäre demnach entscheidender als die Automatisierung des Fahrens.
Die Tesla-Chronik
Zwei Teams um den US-Ingenieur Martin Eberhard und den Milliardär Elon Musk entwerfen die Vision eines Elektrofahrzeugs, das mit Akkus angetrieben wird. Auf der Basis des Prototyps T-Zero. Neben Musk stecken auch die Google-Gründer Sergey Brin und Larry Page und der eBay-Gründer Jeff Skoll Geld in das Projekt.
Drei Jahre arbeitet Tesla am ersten Modell, im Juli 2006 stellt das Unternehmen den Roadster vor. Der zweisitzige Sportwagen auf der Basis des britischen Leichtgewicht-Roadster Lotus Elise verfügt über einen 215 kW (292 PS) starken Elektromotor, der seine Energie aus 6.831 Lithium-Ionen-Notebook-Akkus bezieht.
Im August 2007 tritt der damalige CEO Martin Eberhard zurück, im Dezember 2007 verlässt er das Unternehmen komplett. Am Ende landet der Streit der Gründer fast vor Gericht – bis eine außergerichtliche Einigung erzielt werden kann.
Musks finanzielle Mittel alleine reichen zum Wachstum nicht mehr aus. Mit Daimler und Toyota steigen zwei große Autokonzerne bei Tesla ein. Trotzdem schreibt das Unternehmen weiterhin Millionenverluste.
Lange war der Bau einer eigenen Limousine unter dem Codenamen „WhiteStar“ geplant. Auf der IAA in Frankfurt feiert das Model S, eine 5-sitzige Limousine die Premiere. Anfangs übernimmt Lotus die Fertigung. Ab 2011 wird das Modell in einer ehemaligen Toyota-Fabrik in Freemont gebaut. Pro Jahr werden zunächst 10.000 Modelle gefertigt.
Tesla erhält vom US-Energieministerium einen Kredit über 450 Millionen Dollar. Das Geld investiert das Unternehmen in den Aufbau einer eigenen Fertigung.
Musk wagt den Börsengang. Mit einem Ausgabepreis von 17 Dollar geht der Elektrohersteller in den Handel – und macht den Gründer wieder reich. Über Nacht erreicht erreichen die Anteile von Musk einen Wert von 650 Millionen Dollar, obwohl das Unternehmen bis zu diesem Zeitpunkt noch nie Gewinne gemacht hat.
Tesla veröffentlicht Pläne einen eigenen SUV an den Start zu bringen. Das Model X soll im Sommer 2015 erstmals ausgeliefert werden und die Modellpalette von Tesla erweitern. Am Ende verzögern sich die Pläne, die Produktion des Model X läuft erst im Herbst an – und das nur schleppend.
Endlich schreibt Tesla schwarze Zahlen. Auch den Millionenkredit des Staats zahlt das Unternehmen neun Jahre früher als es nötig gewesen wäre. Mit der Ausgabe neuer Aktien und Anleihen nimmt das Unternehmen rund eine Milliarde Dollar ein. Der Aktienkurs des Unternehmens beläuft sich mittlerweile auf 147 Dollar. Damit ist das Unternehmen an der Börse mehr wert als Fiat.
Im Mai haben die Bauarbeiten in Reno, Nevada, für die weltgrößte Batteriefabrik begonnen. Hier will Tesla nicht nur die Akkus für seine Elektroautos und auch sogenannte "Powerwalls" für den Hausgebrauch montieren, sondern auch die Batteriezellen selbst aus Rohstoffen herstellen. Das Investitionsvolumen beträgt fünf Milliarden Dollar, als Partner ist Panasonic mit im Boot.
Tesla gibt Pläne bekannt, mit dem Model 3 ein kompaktes Auto für den Massenmarkt auf den Markt bringen zu wollen. Der Wagen, der rudimentär erstmals im März 2016 gezeigt wurde, soll rund 35.000 Dollar kosten und soll über eine Reichweite von 320 Kilometern (200 Meilen) verfügen.
Nach der Vor-Premiere des Model 3 im März steht zur Jahresmitte ein weiterer Meilenstein an: In der Gigafactory werden die ersten Batteriezellen gefertigt. Diese sind zwar vorerst für die PowerWall-Heimakkus gedacht, bringen das Unternehmen aber einen Schritt näher an die Massenfertigung des Model 3.
Ende Juni 2017 übergibt Tesla die ersten 30 Model 3 an ihre Besitzer übergeben - allesamt sind Tesla-Beschäftigte. Die ersten 30 von mehr als einer halben Million Vorbestellungen, die Tesla erst einmal lange abarbeiten muss.
Tesla erreicht am 1. Juli das Produktionsziel für seinen Hoffnungsträger Model 3. In den sieben letzten Tagen des zweiten Quartals seien 5031 Fahrzeuge hergestellt worden, teilt der Konzern. Vom Erfolg der Serienfertigung beim Model 3 hängt ab, ob sich Tesla mit seinen 40.000 Beschäftigten vom unrentablen Nischenplayer zum profitablen Hersteller wandeln kann.
Kurze Zeit später ruderte Musk allerdings zurück, bezeichnete sein Vorpreschen als „meinen eigenen Fehler”. Die menschliche Arbeitskraft dürfe nicht unterschätzt werden.
Kürzlich wurde für das zweite Quartal des Jahres eine massive Produktionssteigerung in Aussicht gestellt, ab Ende Juni sollen wöchentlich 5.000 Fahrzeuge vom Typ Model 3 gebaut werden. Auch nach dieser Ankündigung machte sich der Zickzackkurs Musks bemerkbar. Statt der angedachten Automatisierung in den Tesla-Werken sollen nun hunderte neue Mitarbeiter das Produktionstempo steigern.
3. Bleibt Elon Musk am Steuer?
Die Unternehmenskultur des Autobauers wird seit jeher mit Wörtern wie aggressiv und streitsüchtig beschrieben. Dass aus dem Start-up in 15 Jahren ein Konzern mit fast 40.000 Mitarbeitern geworden ist, spiegelt sich in einigen Belangen nach wie vor nicht wider. Weiterhin gibt es keine Tarifverträge; Gewerkschaften beklagten im vergangen Jahr Einschüchterungen und Entlassungen von engagierten Arbeitnehmern.
Der Vorstand besteht lediglich aus vier Mitgliedern. Neben CEO und Großaktionär Musk sind das Finanzchef Deepak Ahuja, Technologievorstand JB Straubel und Ingenieurchef Doug Field. Einen „Head of sales and service” gibt es seit November 2017 nicht mehr. Nach dem Abgang von Jon McNeill, der bislang diese Position bekleidete, kündigte Elon Musk an, die Stelle nicht neu besetzen zu wollen.
Musk ist seit 2004 auch Chairman, also Vorsitzender des Verwaltungsrats. Einigen Aktionären ist das ein Dorn im Auge: Sie befürworten eine Lösung, die vergleichbar mit einem Aufsichtsrat einen von der Geschäftsführung unabhängigen Vorsitzenden umfasst. Im Juni soll dazu seitens der Anteilseigner eine Entscheidung erfolgen.
Der Zeitplan für das Model Y ist noch unbekannt
4. Welche Rolle spielt China?
Zum ersten Mal nahm Tesla in diesem Jahr an der Automesse Peking teil. Kürzlich stellte die chinesische Regierung in Aussicht, den größten Automarkt der Welt für ausländische Firmen zu öffnen. Einfuhrzölle sollen massiv gesenkt werden, die Kooperationspflicht mit lokalen Autobauern soll abgeschafft werden.
Im vergangenen Jahr einigte sich Tesla bereits mit der Stadtverwaltung von Shanghai auf den Bau eines Werkes in der dortigen Freihandelszone. Kritische Stimmen weisen daraufhin, dass es keinen Sinn machen würde, in China eine Fabrik zu eröffnen, während die Probleme bei der Model-3-Produktion in den USA noch ungelöst sind.
5. Wie teuer ist das Model 3 tatsächlich?
Als Elon Musk die Pläne für das Model 3 im März 2016 vorstellte, war von einem „35.000-Dollar-Auto” die Rede. Tatsächlich weichen die Preise von dieser Ankündigung teilweise ab. Unklar ist, zu welchem Durchschnittspreis die bisherige Käufe zustande kamen. Bekannt ist aber: Ein Teil der Interessenten sprang von der Reservierung ab, nachdem der tatsächliche Preis verkündet wurde.
Die US-Käufer, die bereits die Anzahlung von 1.000 Dollar geleistet haben, fragen sich insbesondere auch, ob sie noch von einem Steuerfreibetrag in Höhe von 7.500 Dollar profitieren werden. Die ersten 200.000 Käufer können dieses staatliche Vorteilsprogramm beanspruchen, danach wird das Steuergeschenk zurückgenommen. Wann dieser Zeitpunkt erreicht wird, ist unklar.
6. Wie gut ist der Tesla-Service?
In Sachen Kundenservice muss sich Tesla erst noch beweisen. In Foren berichten Kunden von schlechten Erfahrungen mit dem technischen Service. Ein Firma aus Detroit, die die Qualität von Neufahrzeugen beurteilt, lobt zwar Akkutechnik und Elektronik, bemängelt aber die Wertigkeit des Fahrzeugbaus und bezeichnet Einzelteile als nicht zusammenpassend. Verlässliche Daten zu Reparaturfällen und Reklamationen gibt es nicht.
7. Wann kommt das Model Y?
Für 2019 hat Tesla einen Sattelschlepper mit dem Produktnamen Semi angekündigt, 2020 soll die neue Generation des Roadsters folgen. Wann Elon Musk einen Zeitplan für den Model Y getauften Geländewagen offiziell vorstellen wird, ist bislang nicht bekannt. Insidern zufolge soll die Produktion im November 2019 im kalifornischen Fremont beginnen.
Elon Musk wird diese Fragen nicht mit einem Schlag ausräumen können. Antworten werden trotzdem dringend erwartet.