Transformation in der Autoindustrie IG-Metall-Fonds zur Rettung der Autozulieferer wird abgewickelt

Der Fonds zur Rettung deutscher Autozulieferer ist gescheitert. Was heißt das für die Branche? Quelle: imago images

Allen voran die Gewerkschaft IG Metall wollte Autozulieferern durch die Transformation helfen – und gründete mit prominenten Mitstreitern einen Fonds zum Kauf gefährdeter Zulieferer. Doch nun scheiterte das Projekt. Das sind die Gründe.

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Es waren weise Absichten, mit denen die Gewerkschaften IG Metall und IG BCE im Jahr 2020 die Best Owner Group (BOG) mit Leben füllten. Bei den Metallern war die Erkenntnis gewachsen, dass viele Autozulieferer die Transformation nicht alleine schaffen würden, sie gar zum Übernahmekandidaten von weniger gewerkschaftsnahen Investoren werden könnten. Die Sorge um die wichtigen Industriearbeitsplätze wuchs. Da wollte man selber anpacken – und initiierte einen Fonds zur Rettung deutscher Autozulieferer.

Doch nun ist das Projekt gescheitert. Der Fonds zur Rettung der Autozulieferer, kurz: BOG, wird derzeit liquidiert. Das geht aus Unterlagen hervor, die der WirtschaftsWoche vorliegen. Demnach befinden sich sowohl die BOG Consulting GmbH als auch die BOG Verwaltungs GmbH in der Abwicklung. Liquidator ist in beiden Fällen der ehemalige Chef von BOG und Bundesagentur für Arbeit, Frank-Jürgen Weise.

Ziel der BOG war es laut Handelsregister, sich an Autozulieferern zu beteiligen – es ging um die „Stabilisierung der Zulieferketten in der Automobilindustrie“ und um den „Schutz von Unternehmen aus dem Bereich der Automobilzulieferung vor Übernahme durch branchen- bzw. industriefremde Investoren“. Dieses Ziel jedoch scheiterte Insidern zufolge an den angesprochenen Geldgebern. Die Gewerkschaften wollten 500 Millionen Euro über den Fonds einsammeln – und damit Arbeitsplätze bei den Automobilzulieferern retten sowie die Transformation zum Elektroauto mitgestalten.

Borgers-Insolvenzverwalter Frank Kebekus braucht rasch Geld von VW & Co., um den Betrieb am Laufen zu halten. Für die Autohersteller wären erneute Zugeständnisse im Vorfeld wohl billiger gewesen.   
von Henryk Hielscher, Martin Seiwert

Die IG Metall stattete die BOG mit Startkapital aus und organisierte prominente Mitstreiter: zu ihnen zählten neben Weise unter anderem der ehemalige Bosch-Manager Bernd Bohr oder der ehemalige Chef der Deutschen Bank Jürgen Fitschen.

Der Fonds sollte systemrelevante Zulieferer kaufen

In einer internen Vorstandspräsentation der IG Metall, die der WirtschaftsWoche vorliegt, hieß es anfangs, dass der Fonds als „eine Auffanglösung für Automobilzulieferer in der Transformation“ dienen solle. Er sollte demnach systemrelevante Zulieferer kaufen, die Teile für Verbrenner herstellen und ein „alternatives Finanzierungsmodell“ für sie entwickeln. Viele Zulieferer sind wegen des Wandels zum E-Auto unter Druck, bei sinkendem Absatz und schwindender Kreditwürdigkeit stehen viele vor dem Aus. Die Gewerkschaften wollten daher Lieferketten erhalten und Mitarbeiter qualifizieren.

Laut Präsentation ging es um Qualifizierungsmaßnahmen „für Beschäftigungsalternativen“. So wollte man „Verantwortung für Arbeitsplätze“ tragen. Laut Präsentation sollte die BOG „während der Haltedauer ihrer Investments nicht ausschließlich renditeorientiert agieren, sondern unter Berücksichtigung aller Stakeholderinteressen einen geregelten Downsizing-Prozess der Portfoliounternehmen“ anstreben.

Insider rechneten mit zehn Prozent Rendite auf das eingesetzte Kapital

In der Folge machte man sich allerhand Mühe: Registrierungsunterlagen des Fonds bei der Finanzaufsicht BaFin wurden eingereicht. Man sprach mit Family-Offices, Pensionskassen oder Versicherern. Investieren konnten diese ab 20 Millionen Euro. Auch die KfW wurde konsultiert. Angeblich gab es ein mündlich bekundetes Interesse verschiedener Geldgeber, bis zu 100 Millionen Euro einzuzahlen, sagte ein Insider der WirtschaftsWoche einmal.

Starten sollte der Fonds ab etwa 250 bis 300 Millionen Euro. Insider rechneten sogar mit etwa zehn Prozent Rendite auf das eingesetzte Kapital beziehungsweise einem Gewinn vor Zinsen und Steuern (Ebit) von acht Prozent. Das sollte möglich sein, weil die infrage stehenden Portfoliounternehmen wegen des Wandels zur E-Mobilität nur noch schwer bis gar nicht verkäuflich sind und die Initiatoren des Fonds darauf hofften, die auf Verbrenner konzentrierten Unternehmensteile günstig kaufen zu können.

Kaum Investments in Verbrenner-Zulieferer mehr nötig

Viel investieren müsse man in diese Unternehmen auch nicht mehr, sagte ein Insider mal. Die Maschinen seien oft abgeschrieben, könnten aber noch über Jahre gut weiter produzieren. Auch in Forschung und Entwicklung müsse man nicht in gleichem Umfang investieren, allenfalls in Qualitätsverbesserung oder Instandhaltung.

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