VW-Abgas-Skandal Ein Jahr Dieselgate – und nun?

Am 18. September 2015 wurde in den USA der Abgasskandal bekannt. Seit dem arbeitet VW an der Aufarbeitung der größten Krise der Firmengeschichte. Doch nach einem Jahr Dieselgate sind immer noch viele Fragen offen.

  • Teilen per:
  • Teilen per:
Quelle: dpa, Montage

Es war der späte Nachmittag des 18. September 2015, ein Freitag. Die meisten waren gedanklich schon im Wochenende, als kurz vor Feierabend eine Eilmeldung über den Ticker ging: Eine bis dahin in Deutschland nur wenigen bekannte US-Behörde hat Volkswagen angewiesen, die Software von fast 500.000 Autos in den USA zu überholen.

Im normalen Fahrbetrieb stoßen die Fahrzeuge viel mehr Abgase aus als gesetzlich erlaubt, teilte die Umweltbehörde Environmental Protection Agency (EPA) mit. Überschreitungen der offiziellen Tests kommen auf der Straße vor, auch in den USA. Neu aber war der Vorwurf, dass der deutsche Autobauer Programme eingebaut haben soll, mit denen Umweltauflagen umgangen worden sind. Sprich: Betrug, VW hat die Grenzwerte nur mit Manipulation eingehalten. Eine Milliardenstrafe droht.

Was dann passiert, ist Geschichte: Am Sonntag, dem 20. September, räumt VW die Manipulation offiziell ein, gegenüber der EPA hatten VW-Verantwortliche bereits Anfang September die Existenz der „Defeat Device“ zugegeben. Die nächste Hiobsbotschaft: Nicht nur bei 485.000 Autos in den USA hat Volkswagen gemogelt, sondern bei elf Millionen Autos weltweit. VW-Chef Martin Winterkorn, gerade erst als Sieger aus dem Machtkampf mit Ferdinand Piëch hervorgegangen, trat zurück. Um den Scherbenhaufen durfte sich fortan sein Getreuer Matthias Müller, bis dahin Porsche-Chef, kümmern.

Ein Jahr ist es jetzt her, dass der Dieselgate getaufte Skandal den größten Autobauer der Welt in seinen Grundfesten erschüttert hat – und nebenbei ein Branchenbeben ausgelöst hat. Während das Unternehmen offiziell immer noch dabei ist, die Angelegenheit intern aufzuklären und die Politik über neue Abgaswerte und -tests debattiert, sind die entscheidenden Fragen aber immer noch offen.

Wer ist schuld?

James Liang. Der in den USA lebende Ingenieur mit deutschem Pass hat zugegeben, die illegale Abschaltvorrichtung mitentwickelt zu haben. Vergangene Woche bekannte er sich vor einem Gericht in Detroit für schuldig, das Strafmaß soll im Januar verkündet werden.

Klar ist aber auch: Liang war kein Einzeltäter. Ankläger rund um den Globus erhoffen sich aus den Aussagen des heute 62-Jährigen Informationen über weitere Beteilige: Ist, wie nach Darstellung von Volkswagen, ein kleiner Kreis für die größte Krise der Unternehmensgeschichte verantwortlich? Oder gab es doch deutlich mehr Mitwisser, bis hin zum Vorstand?

In ihrer umfassenden Klageschrift geht die Staatsanwaltschaft New York von einem regelrechten Netzwerk aus. Liang war demnach nur ein kleiner Teil der Verschwörung – verantwortlich für die Abgastests und Software-Entwicklung innerhalb der Volkswagen Group of America. Die Staatsanwälte vermuten aber auch Mitwisser in Deutschland, etwa in den Chefetagen von Volkswagen selbst und den Konzerntöchtern Audi und Porsche. Darunter ist auch der damalige VW-Chef Martin Winterkorn und sein Nachfolger Matthias Müller – damals in seiner Funktion als Porsche-Chef.

Die Folgen von Dieselgate

Die Staatsanwaltschaft Braunschweig, die in vier Ermittlungsverfahren rund 30 Beschuldigte unter die Lupe nimmt, befasst sich mit der Schuldfrage nur nebenbei: Hier geht es vor allem um die kapitalmarktrechtliche Aufarbeitung des Skandals, sprich ob VW die Anleger zum richtigen Zeitpunkt informiert hat. Dabei spielt eine Rolle wer wann was wusste – und nicht wer die Entscheidung für den Betrug traf.

In der Schuldfrage vor Gericht auch noch wichtig ist die Rolle des Zulieferers Bosch. Das Unternehmen hat die Motorsteuerung für den Skandal-Motor EA189 entwickelt. Die Frage ist: Was wusste Bosch? Oder waren Bosch-Mitarbeiter sogar aktiv an der Entwicklung der Abschaltvorrichtung beteiligt? Die Indizien deuten derzeit auf letzteres, die Ankläger nehmen auch Bosch und den Unternehmenschef Volkmar Denner ins Visier. Vor Gericht nachgewiesen oder zugegeben ist im Fall Bosch aber noch nichts.

Inhalt
Artikel auf einer Seite lesen
© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%