Das sagten Experten zur drohenden US-Strafe für die Deutsche Bank (vor der Entscheidung)
"Die Deutsche Bank wird diese Strafe nicht ohne Kapitalerhöhung bezahlen können. Das Eigenkapital von derzeit gut 60 Milliarden Euro sollte nicht weiter sinken. Das würde das Vertrauen in die Solidität weiter erschüttern. Die Gewinne der Bank sind derzeit so niedrig, dass sie kaum ausreichen werden, die Lücke zu füllen. Jetzt rächt sich, dass Bankenaufsicht und Bankenregulierer in den letzten Jahren nicht auf eine stärkere Erhöhung des Eigenkapitals der Deutschen Bank gedrängt haben."
"Jetzt kommt es mit Blick auf die Bank und die Beschäftigten darauf an, dass die Rechtsstreitigkeiten und damit verbundenen Unsicherheiten schnell gelöst werden. Wir erwarten, dass man einen angemessenen Kompromiss finden wird."
"Ich rechne damit, dass die Deutsche Bank am Ende vier bis 5,5 Milliarden Dollar bezahlen muss - das ist etwas mehr als bisher erwartet. Da wir im US-Wahlkampf sind, kann die Summe aber auch höher ausfallen - etwa sechs oder sieben Milliarden Dollar. Auch der Streit der EU mit Apple und Google kann durchaus dazu führen, dass die Summe höher ausfällt als vergleichbare Strafzahlungen von US-Banken.
Alles über sieben Milliarden Dollar wäre für die Deutsche Bank sehr gefährdend. Die Deutsche Bank müsste sich dann Gedanken machen, ob sie im normalen Geschäft noch mehr Risiken abbauen kann. Wenn alle Stricke reißen, müsste die Deutschen Bank ihre Kronjuwelen verkaufen - die Vermögensverwaltung - oder eine Kapitalerhöhung in Angriff nehmen. Die Deutsche Bank muss die Probleme in jedem Fall aus eigener Kraft bewältigen. Ich bin ziemlich sicher, dass es keine Staatshilfen geben wird.
Die deutsche Politik sollte sich nicht in die Verhandlungen über die Höhe der Strafe einmischen. Frankreich hat einst Öl ins Feuer gegossen, als es bei einer Milliarden-Strafe für BNP Paribas in den USA intervenierte. Das hat nichts gebracht, sondern die ganze Sache nur noch verschärft."
"Wenn die Strafe am Ende fünf Milliarden Euro oder mehr beträgt, wird die Deutsche Bank nicht um eine Kapitalerhöhung herumkommen. Investoren wollen nicht, dass die Kapitalquote der Bank zu nah an den Mindestanforderungen der Regulierer liegt."
"Wir erwarten, dass das mögliche Verhandlungsergebnis deutlich unterhalb des ersten Vergleichsvorschlags liegen wird. Eine Strafzahlung von rund 2,5 Milliarden Dollar würden wir als akzeptables Ergebnis einstufen. Eine Strafzahlung oberhalb der bestehenden Rückstellungen würde die Wahrscheinlichkeit einer Kapitalerhöhung unseres Erachtens erhöhen."
"Das Justizministerium hat die Deutsche Bank dazu auserkoren, ihren Teil beim Stopfen des enormen US-Haushaltsdefizits beizutragen."
"Angesichts der prekären Finanzlage einiger europäischer Banken, von denen die Deutsche eine des risikobehaftetsten und systemrelevantesten ist, ist dies verstörend und wirkt kurzsichtig und unnötig strafend." Selbst ein Drittel der angedrohten Strafe von 14 Milliarden Dollar wäre eine schwere Last für eine Firma mit einem Börsenwert von rund 18 Milliarden Euro. "Gigantische Forderungen unterminieren Banken, drohen einige der am meisten globalisierten, systemrelevanten Institute zu destabilisieren, just als ein Cocktail neuer Regulierungen und ultra-niedriger Zinsen die Ertragskraft zerstören. Es gibt Spekulationen um eine neue Ära der 'Auge-um-Auge'-Handelskriege. Die Deutsche Bank könnte der Prügelknabe für den Angriff der EU-Kommission auf Apple sein."
Wer war es? Und vor allem: warum? Detektivische Fragen treiben den Vorstand der Deutschen Bank um, seit durch Indiskretion bekannt wurde, dass das US-Justizministerium von ihr 14 Milliarden Dollar wegen dubioser Immobiliendeals eintreiben will. Weit mehr als erwartet. Mehr, als die Bank zahlen kann. „Alle sind beunruhigt“, sagt ein Insider. Mit Recht.
Die US-Forderung hat eine Lawine losgetreten. Jetzt geht es nicht mehr um die Strategie, Image oder Bedeutungsverlust. Es geht um die Existenz.
Prämien für Papiere zur Absicherung von Deutsche-Bank-Schulden sind auf Rekordstände geklettert. In Finanzforen diskutieren Banker, ob die Deutsche eher mit Lehman Brothers oder der ebenfalls untergegangenen Investmentbank Bear Stearns vergleichbar sei. Es sind nicht die einzigen Reminiszenzen an die Zeit der großen Krise. Mittlerweile steht eine Frage im Raum, die längst erledigt sein sollte. Soll, ja muss die Politik die Bank auffangen, wenn alle Stricke reißen? „Nie wieder“, hatte Angela Merkel beim Treffen der größten Industrienationen Ende 2014 in Brisbane verkündet.
Bank und Politik bemühen sich, die Debatte in den Griff zu bekommen. Am Mittwoch wandte sich Vorstandschef John Cryan via „Bild“-Zeitung an die größtmögliche Öffentlichkeit. „Die Situation ist besser, als sie von außen wahrgenommen wird“, erklärte er. „Ich habe die Bundeskanzlerin zu keinem Zeitpunkt um Hilfe gebeten“, sagte Cryan.
Dass Merkel mit Cryan bereits vor Wochen über eine mögliche Rettung gesprochen hat, wird allseits bestritten. Ein Treffen gab es, so heißt es im Umfeld der Bank, aber dabei sei es um Folgen des Brexit gegangen. Für die Kanzlerin kommt die Debatte zur Unzeit. Einerseits hätte eine Pleite unabsehbare Folgen nicht nur für die deutsche Wirtschaft. Es droht eine globale Kettenreaktion. Andererseits würde eine staatliche Rettung das Ansehen Berlins beschädigen. Die Gesetze sehen diese nur in sehr engen Ausnahmen vor. Und gerade Deutschland hat vor wenigen Wochen darauf bestanden, dass italienische Banken ihre Probleme ohne Staatshilfen lösen. Auch beim Wähler kämen Milliarden für Banker nicht gut an.
„Wir sind heilfroh, dass das Thema in den Beritt von CDU-Finanzminister Wolfgang Schäuble fällt“, sagt ein ranghoher SPD-Politiker. „Dass wir der Deutschen Bank mit Steuergeldern helfen, ist nicht vorstellbar“, sagt der CDU/CSU-Obmann des Finanzausschusses des Bundestags, Hans Michelbach. Fest geschlossen sind die Reihen nicht. „Es würde alles unternommen werden, um den Laden am Laufen zu halten“, sagt der frühere Wirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU).
Energisch dementieren Finanzministerium und Aufsichtsbehörden, dass sie an konkreten Plänen für den Notfall arbeiten. Sie können auch nicht anders. Die Spirale des Misstrauens würde sich sonst weiter drehen, die Gefahr wachsen, dass Kunden nur noch eingeschränkt oder gar keine Geschäfte mehr mit der Bank machen. „Wenn genügend Leute denken, dass die Deutsche Bank ein Problem hat, hat sie ein Problem“, sagt ein Londoner Branchenkenner.
Tatsächlich herrscht bei Aufsehern und Ministerialbeamten hektische Betriebsamkeit. Alle hoffen, dass es gut geht. Aber sie wollen vorbereitet sein. „Alles andere wäre auch fahrlässig“, sagt ein Insider.
Das schlimmste Szenario sieht vor, dass die US-Strafe die Kraft der Bank übersteigt. Sehr wahrscheinlich ist das nicht, doch die Finanzministerialen stimmen sich eng mit der Europäischen Zentralbank (EZB), der Finanzaufsicht BaFin und der Bundesbank ab, zudem sind die für Finanzmärkte zuständige Generaldirektion der EU-Kommission und die Bankenabwicklungsbehörde SRB involviert. Den Einstieg des Staates wollen sie verhindern. Dafür würden verschiedene Szenarien „ergebnisoffen“ durchgespielt, sagt ein Insider. „Es geht um einen mehrstufigen Plan“, sagt ein anderer. Nur als „allerletztes“ Mittel, so die Vermutung, könnte der Staat einspringen. Und auch dann dürfte seine Beteiligung nicht mehr als 25 Prozent betragen.
Vermögenswerte sollen verkauft werden
Grundlage der Ernstfallüberlegungen ist der von der Bank selbst verfasste Sanierungsplan. In dem mehrere Hundert Seiten dicken Dokument hat das Institut detailliert aufgeschrieben, wie es im Fall einer Schieflage den Kopf aus der Schlinge ziehen könnte. Im Finanzministerium hat eine kleine Arbeitsgruppe um Staatssekretär Thomas Steffen und Abteilungsleiter Levin Holle geprüft, ob der Plan funktionieren würde.
In einem ersten Schritt soll er vorsehen, dass die Bank in größerem Stil Vermögenswerte verkauft. Dabei soll es erst mal nicht um ganze Geschäftszweige, sondern um Portfolien von Wertpapieren und Krediten gehen. Damit ließe sich die Bilanz verkleinern und die Kapitalbasis stärken. Ein revolutionärer Schritt wäre das nicht. Cryan hat ohnehin angekündigt, die Risiken weiter zu reduzieren.
Das Problem ist nur: Wenn die Notlage des Verkäufers bekannt ist, drückt das den Preis. Die Bank könnte ihre Portfolien nur mit Verlust abstoßen. Hier könnte die Politik unterstützend wirken, ohne sich direkt die Hände schmutzig zu machen. Berlin, so vermuten Insider, dürfte darauf drängen, dass vor allem große deutsche Investoren wie die Allianz und die Münchener Rück Engagements zu Preisen übernehmen, zu denen sie auch die Deutsche Bank bewertet hat.
Ein derartiger Abverkauf ließe sich schnell realisieren, würde größere Verwerfungen verhindern und hätte zudem nur marginale Auswirkungen auf das Geschäftsmodell der Bank. Erst wenn diese Maßnahmen verpufften, könnte es ans Eingemachte gehen. So soll der Plan vorsehen, dass die Bank in einem zweiten Schritt Geschäftseinheiten verkauft. Trennen will sich das Institut ohnehin von der Postbank, aktuell dürfte sich aber kaum ein Käufer finden.
Infrage käme deshalb einzig die Vermögensverwaltung. Den Wert der Sparte rund um die Fondstochter DWS schätzen Investoren auf bis zu acht Milliarden Euro. Kurzfristig könnte die Bank damit ihre Kapitallücke schließen. Langfristig wäre der Verlust aber kaum verkraftbar. Die Bank würde eines der wenigen Geschäfte aufgeben, in dem sie noch Potenzial für Wachstum sieht. Entgegen allen Plänen würde sie noch mehr vom Investmentbanking abhängig.
Das will sie verhindern. Für Erleichterung könnte in erster Linie eine gütliche Einigung mit den US-Behörden sorgen. „Doch die USA stehen nicht unter Zeitdruck“, heißt es in Brüsseler EU-Kreisen.
Wie viel die Bank am Ende zahlen muss, ist offen. In ihrem Umfeld verweist man auf die US-Investmentbank Goldman Sachs, die nach einer Anfangsforderung von 15 Milliarden Dollar letztlich nur 2,4 Milliarden Dollar an das US-Justizministerium überweisen musste. Allerdings zahlte Goldman zusätzlich noch 2,7 Milliarden Dollar an andere Behörden und musste zudem Projekte unterstützen, die Immobilienkäufern helfen. Analysten rechnen bei der Deutschen Bank mit fünf bis sieben Milliarden Dollar.
Das wäre ein schwerer Schlag, aber verkraftbar. Analysten der UBS rechnen damit, dass die für die Stabilität der Bank entscheidende Kapitalquote frühestens ab einer Zahlung von 6,6 Milliarden Euro unter das von den Aufsehern derzeit verlangte Minimum fallen würde. Die Bank profitiert vom Verkauf ihrer Beteiligungen an der chinesischen HuaXia Bank und der britischen Versicherung Abbey Life.
Ungelöst ist die langfristige Kapitalausstattung. Bis 2019 sieht die US-Bank Citi eine Lücke von acht Milliarden Euro. Letztlich gehen auch Investoren davon aus, dass die Bank nicht um eine Kapitalerhöhung herumkommt, allen Dementis zum Trotz. Doch für die braucht Cryan – und hier beginnt der Teufelskreis erneut – einen höheren Aktienkurs.