Verstärkung für den Mercedes Sprinter: Mit der Eröffnung eines neuen Werks in South Carolina will Daimler das US-Geschäft mit dem Transportwagen befeuern. Ein riesiges Einweihungsgeschenk kam von Amazon. Der Onlinehändler hat gleich 20.000 der Transporter bestellt und steigt damit zu Daimlers größtem Sprinter-Kunden weltweit auf. Mit den Fahrzeugen will Amazon die Paketbranche in den USA mächtig aufmischen.
Die 20.000 Transporter sollen kleine Unternehmer im Rahmen des „Delivery Service Partner“-Programms bei Amazon leasen können und so zu Paketzustellern des Onlinehändlers werden. Gleich die ersten Sprinter aus dem neuen Werk gehen an Amazon. Der Online-Gigant arbeitet schon länger daran, den Versand immer stärker selbst zu übernehmen, denn die Dienste von großen Paketanbietern sind teuer. 21,7 Milliarden US-Dollar hat Amazon im vergangenen Jahr für den Versand ausgegeben.
Große Erfolgsversprechen sollen möglichst viele Unternehmer überzeugen, im Namen von Amazon Pakete durch die Gegend zu fahren. Wer Zusteller werden wolle, so heißt es auf der Webseite der Initiative, bräuchte weniger als 10.000 US-Dollar Startkapital, um das eigene Paketgeschäft aufzubauen. Die Unternehmer könnten im Gegenzug mit einem Gewinn von 75.000 bis zu 300.000 US-Dollar rechnen.
Warum Amazon lieber selbst liefert
Wenn ein großer Paketdienst die Amazon-Sendungen ausliefert, liegen diese zwischen vielen anderen Paketen. Amazon pocht allerdings darauf, dass die eigenen Pakete bevorzugt und schneller geliefert werden. „Damit Amazon-Lieferungen in den Transporten von Paketdiensten gegenüber anderen Paketen Priorität haben, bezahlt Amazon einen sehr hohen Preis an die Dienstleister“, sagt Eva Stüber, Mitglied der Geschäftsleitung des IFH Köln. Diese Arbeit selbst zu übernehmen, sei ein wirtschaftlich logischer und nachvollziehbarer Schritt.
In den USA nimmt Amazon den großen Paketdiensten schon länger die Arbeit teilweise ab, indem Sendungen selbst ausgeliefert werden. Das erleben seit 2016 auch die in Deutschland aktiven Paketdienste DHL, DPD oder Hermes. In 14 Orten des Ruhrgebiets, in Frankfurt, München und anderen deutschen Großstädten bringt der eigene Lieferdienst „Amazon Logistics“ einige der Pakete zu den Kunden. Ohne die Hilfe der großen Paketdienste geht es allerdings nicht. Außerdem: „Hierzulande können Kunden ihre Pakete an hunderten Amazon-Locker-Stationen abholen. Mit einem externen Zusteller kommen die Kunden so schon gar nicht mehr in Kontakt“, erläutert Stüber. Und eben das ist Amazons Ziel, möglichst viel Kundennähe ohne externe Zusteller, die diese Nähe stören könnten. In den USA hebt Amazon die Kundennähe bereits auf eine ganz andere Ebene. Im Rahmen von ‚Amazon Key‘ ermöglichen intelligente Türsysteme Amazon-Zustellern Zugang zur Wohnung der Kunden.
Neben einer engeren Kundenbindung sieht Amazon in der eigenständigen Lieferung vor allem Wachstumspotential. Denn mit einer eigenen Logistik kann Amazon auch die Lieferung anspruchsvoller Produkte wie Lebensmittel oder Möbel übernehmen, „ohne von den Angeboten der Paketdienstleister abhängig zu sein und teuer dafür zu bezahlen“, erklärt Stüber.
Was bedeutet das für die Paketbranche?
In den USA sind FedEx und UPS die größten Lieferanten von Amazon-Paketen und müssen sich nun Gedanken machen, wie sie einen Auftragsrückgang kompensieren können, wenn ihnen bald Amazon-Paketboten den Sprintern von Mercedes Konkurrenz machen. „Die Kooperation von Daimler und Amazon stellt für die amerikanischen Paketdienste eine ernsthafte Konkurrenz da“, sagt Stüber. 20.000 neue Amazon-Lieferwagen auf die Straßen bringen zu wollen, sei ein großer Schritt. Zum Vergleich: Paketdienstriese UPS hat weltweit rund 108.000 Fahrzeuge im Einsatz. Amazons Bestellung bei Daimler umfasst also knapp ein Fünftel der weltweiten UPS-Flotte - und die Amazon-Bestellung beschränkt sich vorerst lediglich auf die USA.





Zwar wird Amazon die Daimler-Fahrzeuge erstmal nur US-Unternehmern zur Verfügung stellen. Das ist für Paketdienste in anderen Ländern aber kein Grund, nicht ebenfalls alarmiert zu sein. „Neue Ideen, die sich in Amerika bewähren, exportiert Amazon schnell in andere Länder – auch nach Deutschland. Die deutschen Paketdienste müssen sich Sorgen machen“, betont Eva Stüber vom IFH Köln. Laut der Expertin sollten sich die deutschen Paketdienste darauf vorbereiten, dass Amazon versuchen wird, ihnen in einem ohnehin umkämpften Markt immer mehr Aufträge abzunehmen.
Konkurrenz haben die großen Paketdienste hierzulande ohnehin schon länger. Sogar Privatpersonen können sich als Amazon-Bote Geld dazuverdienen. Mit eigenem Auto, Führerschein und einer App auf dem Smartphone kann man Paketzusteller von Amazon werden. „Sei dein eigener Chef“ – so bewirbt Amazon das sogenannte „Flex“-Programm. Wie viel Zeit den deutschen Paketdiensten nun bleibt, sich auf den nächsten großen Vorstoß von Amazon vorzubereiten, hängt sicherlich auch vom Erfolg der Sprinter in den USA ab.