Wertpapierregister Blockchain Wie die Digitalisierung den Aktienhandel revolutioniert

Sämtliche Daten zum Wertpapierhandel sollen künftig auf Computern und Smartphones von Anlegern liegen. Mit der Blockchain-Technik könnten Anleger Aktien direkt untereinander handeln – ganz ohne Bank und viel günstiger.

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Auf der Fläche eines Fußballfeldes – etwa 5000 Quadratmeter – lagern in Frankfurt Urkunden für die allermeisten Wertpapiere, die in den Depots deutscher und ausländischer Kunden verbucht sind. Clearstream, eine Tochter der Deutschen Börse, verwahrt in dem riesigen Tresorraum Dokumente über alle in Deutschland ausgegebenen und handelbaren Wertpapiere – ausgedruckt auf Papierbögen. Doch anders als der Name Wertpapier andeutet, steht nicht hinter jeder effektiv ausgegebenen Aktie eine solche Urkunde. Es handelt sich vielmehr nur um sogenannte Globalurkunden. Das heißt: Für jedes an der Börse Frankfurt gelistete Wertpapier gibt es eine Urkunde, insgesamt 1,4 Millionen.

Verkauft ein Privatanleger zum Beispiel seine 50 Daimler-Aktien, werden die Besitzansprüche im Register bei Clearstream nur noch digital geändert, die Globalurkunde für alle Daimler-Aktien bleibt unberührt im Tresor. Schon heute werden Wertpapiere also tatsächlich nur noch digital gehandelt.

Blockchain-Aktienhandel könnte Banken überflüssig machen

Doch die Digitalisierung des Wertpapierhandels dürfte bald noch weiter fortschreiten: Schon in den nächsten zehn Jahren könnten die Urkunden im Tresor ganz verschwinden – und in ein digitales Register wandern, die Blockchain (Datenblock-Kette).

Der Vorteil: Theoretisch könnten Anleger über dieses Register weltweit untereinander Wertpapiere handeln, ohne dass Banken und Verwahrstellen zwischengeschaltet werden. Jeder Anleger hielte damit den Frankfurter Wertpapiertresor als kleines Computerprogramm auf dem eigenen PC oder Smartphone – inklusive Millionen digitaler Einträge.

Digital Handeln per Blockchain

Eigentlich wurde die Blockchain entwickelt, um Zahlungen mit der virtuellen Währung Bitcoin zu verrechnen. Während der Bitcoin sich weltweit noch nicht durchsetzen konnte, soll die Blockchain nun den Finanzmarkt revolutionieren. Fast eine Milliarde Dollar haben Risikokapitalgeber bislang in Start-ups aus diesem Bereich investiert.

Das Szenario für den Wertpapierhandel sieht so aus: Jeder Anleger würde über eine App das komplette Register aller weltweiten Transaktionen auf seinem Computer oder Smartphone halten, vergleichbar mit einem Aktenschrank. Tauschen nun zwei Anleger das Recht an einer Aktie aus, wird dieser Vorgang allen Blockchain-Teilnehmern über das Internet gesendet. Digital wird ein Papier in einen Ordner geheftet. Diesen Ordner müssen dann alle Teilnehmer einsehen. Anschließend wandert er als sogenannter Block in den Aktenschrank, neben die bisherigen Transaktionsordner. Aus den einzelnen Blöcken wird also eine lange Kette – daher der Name Blockchain.

Wertpapierhandel dauert nur noch Minuten

So würde jeder Anleger mit seinem Programm alle Transaktionen automatisch verifizieren, ähnlich, wie dies heute die Verrechnungsstellen der Börsen tun. Nutzernamen erscheinen nicht, jedem Anleger wird nur eine Kombination aus Zahlen und Buchstaben zugewiesen. Der größte Vorteil: Ein Aktienverkauf etwa wäre nach wenigen Minuten abgewickelt. Ohne Bank, ohne Verrechnungsstelle und ohne Verwahrstelle, die noch eine Papierurkunde hält. Bislang dauert es in Europa noch zwei Tage, um einen Wertpapierhandel wirklich abzuwickeln, auch wenn die Aktien schon digital im Depot der Anleger erscheinen. US-Börsen brauchen noch länger.

„Wir können uns die Veränderung auf dem Finanzmarkt so vorstellen wie die in der Film- oder Musikindustrie“, sagt Rechtsprofessorin Eva Micheler von der London School of Economics. „Was wir früher auf DVD physisch geliefert bekamen, greifen wir heute über einen Stream im Internet ab.“

Durch die Blockchain sollen die Kosten für Wertpapierhandel, grenzüberschreitende Zahlungen und Einhaltung von Regularien ab 2022 pro Jahr um 15 bis 20 Milliarden Dollar sinken, schätzen Analysten. Heißt: Anleger könnten Aktien bald günstiger handeln und leichter an Anteile ausländischer Unternehmen kommen.

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