Air-Berlin-Chef Winkelmann Die verzweifelten Bitten des Thomas W.

Für Air Berlin kommt es wieder knüppeldick. Thomas Winkelmann, der neue Chef, ist zum Bittsteller geworden. Der einst stolzen Linie mangelt es an so vielem.

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Der neue CEO von Air Berlin: Thomas Winkelmann. Quelle: dpa

Knapp fünf Monate ist Thomas Winkelmann erst auf seinem Posten, da scheint die Kernaufgabe seines neuen Jobs als Air-Berlin-Chef klar: Bitten.

Zum Beispiel um Verzeihung bei den Passagieren. "Mir tun die Verspätungen leid", erklärte Winkelmann gerade im Interview mit der "ZEIT". "Ich selbst ärgere mich schon schwarz über zehn Minuten Verspätung." Demut ist angebracht. Das Verspätungs- und Service-Chaos bei Air Berlin hat enorme Ausmaße erreicht. Wegen Mängeln bei der Flugplanung und beim Umbau der Flotte fallen bei Air Berlin seit Wochen Flüge aus.

Die Entschädigungen für betroffene Passagiere kosten Air Berlin nicht nur das letzte Vertrauen der Passagiere, sondern auch verdammt viel Geld. Nach Berechnungen auf Basis der Zahlen der führenden Fluggastportale lagen die Ausgaben in diesem Jahr schon jetzt bei mehr als 20 Millionen Euro. Das berichtet die WirtschaftsWoche exklusiv. Bisher hatte Air Berlin laut Insidern gerade einmal gut 30 Millionen für das Gesamtjahr eingeplant.

In die angespannte Lage platzte am Donnerstag gleich die nächste Hiobsbotschaft: Die Pläne für einen gemeinsamen Ferienflieger von Tuifly, Air Berlin und Niki sind offenbar gescheitert. Air Berlins Großaktionär Etihad hat die Gespräche mit dem Tui-Konzern platzen lassen.

Der gescheiterte Deal sorgt unter den Mitarbeitern für große Verunsicherung. Gewerkschafter fordern vom Management, den Mitarbeitern umgehend und ehrlich die Lage zu beschreiben. "Sie müssen die Beschäftigten informieren, was Fakt ist", sagte die für den Betrieb zuständige Verdi-Sekretärin. Im Moment wisse niemand, wohin die Reise gehen soll.

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Die Not bei Air Berlin ist so groß, dass Thomas Winkelmann schon wieder bitten muss: Diesmal ganz offen um die Hilfe der Politik. Air Berlin hat bei den Landesregierungen von Berlin und Nordrhein-Westfalen eine Anfrage auf Prüfung eines Bürgschaftsantrags eingereicht. Ein solcher Schritt ist der übliche Weg für den Fall, dass Unternehmen in einem zweiten Schritt dann tatsächlich einen Bürgschaftsantrag stellen.

Das Ansinnen weckt Erinnerungen an den Fall LTU: die Fluggesellschaft mit Sitz in Düsseldorf rutschte 2001 in die Verlustzone und konnte nur durch eine Landesbürgschaft gerettet werden. Bergauf ging es trotzdem nicht. 2007 wurde die Linie geschluckt – und zwar ausgerechnet von Air Berlin, die die Nutzung des Markennamens kaum zwei Jahre später aufgab.

Bund prüft mögliche Staatshilfe für Air Berlin

Der Bund hat sich mittlerweile in das Verfahren für mögliche Staatshilfen eingeschaltet. Die Voranfrage für einen Bürgschaftsantrag wird gemeinsam mit den Ländern geprüft, wie eine Sprecherin des Bundeswirtschaftsministeriums am Freitag in Berlin sagte. Die Prüfung bedeute keine Vorwegnahme, ob eine Bürgschaft gewährt werde. Unabdingbare Grundvoraussetzung der Entscheidung sei ein „tragfähiges Zukunftskonzept“. Ob und wie viel Geld Air Berlin aus dem Staatssäckel erhält, ist damit weiter unklar.

Die Kritiker laufen jedoch bereits Sturm. Justus Haucap, Wettbewerbsexperte und früher Vorsitzender der Monopolkommission, etwa lehnt Bürgschaften ab. „Das würde nur eine falsche Geschäftspolitik und schlechtes Management belohnen“, sagte er der „Rheinischen Post“. „Der Wettbewerb im Luftverkehr funktioniert. Dazu gehört auch, dass schlecht gemanagte Unternehmen aus dem Markt ausscheiden, so bitter das für die Angestellten sein mag.“ Ablehnend bis skeptisch äußerten sich auch Politiker aus CDU und FDP. Auch eine Bürgschaft für LTU vor 16 Jahren weckt schlechte Erinnerungen und spricht gegen eine Bürgschaft.

Aufstieg und Niedergang von Air Berlin
Kim Lundgren (l), Mitgründer und Präsident der 'Air Berlin Inc.' und Pilot, mit seinem Sohn Shane Lundgren, ebenfalls Pilot bei Air Berlin Inc. Quelle: airberlin
Joachim Hunold Quelle: airberlin
Einstieg ins Linienfluggeschäft Quelle: airberlin
Service an Bord von Air Berlin 2003 Quelle: airberlin
Niki Lauda (2009) Quelle: dpa
Airbus A 320 (2005) Quelle: airberlin
dba Air Berlin Quelle: AP

Bleibt noch Winkelmanns größte Bitte, die schon längst wie ein Flehen wirkt: Air Berlin braucht dringend Geld – und einen starken Partner an der Seite. "Wir sind offen für neue Partnerschaften neben unseren bisherigen mit Etihad und Lufthansa", erklärte der ehemalige Lufthansa-Manager, als er vor wenigen Wochen die Bilanz für 2016 vorstellte.

Hinter Winkelmanns Wunsch steckt keine Gier, sondern der schiere Überlebenswillen. Das Verhältnis zum bisherigen Retter Etihad, ist längst beschädigt.

Also streckt Winkelmann die Fühler aus. Kontakte soll es zum Beispiel zu Delta in den USA gegeben haben, die sich bereits an fast einem halben Dutzend Fluglinien beteiligt hat. Noch öfter fiel nach Informationen der Name der chinesischen HNA Group, die weltweit fast 20 Fluglinien betreibt. Allerdings betrachtet so mancher die Suche als Ablenkung. Branchenkenner und Wettbewerber glauben, Winkelmann sei nur eine Art Strohmann von seinem Duz-Freund und Lufthansa-Chef Carsten Spohr. Eine Fusion sei möglich, so das Gedankenspiel, wenn die Lage nur schlimm genug ist – und Etihad die Reißleine zieht.



Abgeneigt wäre die Deutsche Nummer 1 nicht. Die Lufthansa hat bereits mehrfach ihr Interesse an einer Übernahme bekundet – sofern auch kartellrechtliche Fragen geklärt werden könnten und Air Berlin zuvor entschuldet würde.

Wie das allerdings genau zu bewerkstelligen ist, bleibt bislang unklar. Air Berlin steckt schon lange in der Krise, schreibt mit einer einzigen Ausnahme seit 2008 rote Zahlen. Mittlerweile ist die Krise gigantisch. 781,9 Millionen Euro Verlust hat Air Berlin im vergangen Jahr gemacht. 75 Prozent mehr als im Vorjahr. Das tägliche Minus betrug 2,14 Millionen Euro. Wer glaubt, schlimmer geht es nicht, irrt. Das erste Quartal 2017 schloss Air Berlin mit einem Verlust von 293,3 Millionen Euro ab. Das macht minus 3,25 Millionen pro Tag.

Mit Material von dpa und Reuters

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