IATA 2018 Die drei Risiken der Airline-Branche

Ein Flugzeug startet vom Flughafen von Frankfurt. Quelle: dpa

Nach mehr als vier Jahren Aufschwung ist die Stimmung in der Airline-Branche gut – aber besser als die realistische Lage. Denn steigende Kosten und alte Laster setzen der Flugindustrie zu.

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Schon immer wirkten Sorgen und Krisen der Flugbranche weit weg, wenn sich die Spitzen der großen Airlines, der Flugzeughersteller wie Boeing und großer Zulieferer jedes Jahr am ersten Wochenende im Juni an einem schönen Ort zur Jahrestagung des Weltluftfahrtverbandes IATA trafen. Doch wohl nie wirkten die Probleme so wenig sichtbar wie dieser Tage im Hafen von Sydney.

Wenn am Montag der offizielle Teil des Programms beginnt, erwarten die Delegierten im Vergleich zu früheren Treffen vergleichsweise leichte Themen. Zuerst kommt ein traditioneller australischer Tanz, dann ein paar Gesprächsrunden zu Dingen wie nachhaltigem Treibstoff und wie die Branche endlich die Benachteiligung von Frauen überwinden kann. Von Krise keine Spur.

Das liegt allerdings nicht daran, dass in der Branche auf absehbare Zeit alles rund läuft. Im Gegenteil. Zwar haben für 2017 und das erste Quartal 2018 zuletzt viele Fluglinien erneut Rekordzahlen gemeldet. Doch inzwischen mehren sich bei fast allen die kritischen Untertöne – „und nicht nur bei Ryanairchef Michael O’Leary, der wie ein Bußprediger schon immer allen Konkurrenten harte Zeiten prophezeite“, so ein führender europäischer Flugmanager.

„Dem Aufschwung geht die Luft aus“, sagt auch Daniel Roeska, Luftfahrtanalyst beim New Yorker Brokerhaus Bernstein. Laut einer seiner Studien sind besonders in Europa die Durchschnittspreise je nach Land zuletzt um bis zu acht Prozent gesunken. „Und das dürfte noch nicht das Ende sein“, erwartet Peter Harbison, Chef des auf die Branche spezialisierten Marktforschers Capa – Center for Aviation aus Sydney.
Für das nahe Ende der Party sorgen vor allem drei Faktoren: der höhere Benzinpreis, das überdurchschnittliche Wachstum gekoppelt mit einem Preisverfall und schließlich die Rückkehr alter Angstgegner.

Risiko 1: Der Spritpreis
Am meisten wird die Laune darunter leiden, dass den Airlines der wichtigste Stimmungsbringer ausgeht: der billige Sprit. Rund vier Jahre lang konnte die Branche – anders als die Autofahrer – extrem günstig tanken. Der steuerfreie Treibstoff kostete sie nicht selten 30 Cent und weniger pro Liter. Nun sind es bis stellenweise fast 70 Cent.

Die Wirkung ist enorm. Da vor allem bei Billigfliegern bis zu 40 Prozent der Betriebskosten durch den Tank fließen, hebt der Preissprung beim Kerosin die Ausgaben um rund ein Drittel. Bei einem Deutschlandflug bleiben da im Vergleich zum vorigen Jahr pro Passagier rund fünf Euro weniger als Überschuss hängen. Und auf einem Flug nach New York sind es schnell 50 Euro und mehr pro Kunde. „Damit werden viele Billigtickets nun zu einem Zuschussgeschäft“, so Thomas Jaeger, Chef des Datendienstleisters CH-Aviation aus dem schweizerischen Zug.

Zwar trifft die höhere Rechnung vom Tankwart derzeit noch nicht alle mit voller Wucht, weil viele Fluglinien ihr Plus beim Spritpreis durch Sicherungsgeschäfte mildern. Doch diese sogenannten Hedges laufen bei allen Airlines in den kommenden Monaten schrittweise aus, so dass spätestens Ende nächsten Jahres fast alle die heutige Kostensteigerung vollständig spüren. Damit könnten auch mit den Sicherungsgeschäften in diesem Jahr die Ausgaben bei Linien wie der British-Airways-Mutter IAG und Lufthansa um 700 bis 900 Millionen Euro steigen und der Gewinn um mindestens ein Drittel sinken. Sollte der Preis durch die explosive Lage um den Persischen Golf weiter steigen, können es auch deutlich mehr werden.

Airlines unterschätzen die Konkurrenz

Dazu kommt eine wachsende Last durch den höheren Kurs des US-Dollars. Weil alle Fluglinien ihren Sprit in der US-Währung abrechnen, zahlen sie zusätzlich zum höheren Ölpreis bereits weitere rund zehn Prozent als vor zwei Jahren. Dieser Kostenschub trifft die Linien neben dem Sprit auch bei den Leasingkosten für ihre Maschinen. Und dazu drohen fast allen Linien steigende Personalkosten, weil weltweit Piloten Mangelware werden.

Risiko 2: Überdimensionales Wachstum
Diesen Kostenschub können die Fluglinien derzeit so gar nicht brauchen. Denn die Branche hat sich auch in diesem Jahr ein kräftiges Wachstum verordnet. So legte die Zahl der Passagiere in den ersten vier Monaten des Jahres weltweit um mehr als sechs Prozent zu. Das ist zwar weniger als im vorigen Jahr, doch immer noch mehr als das Wachstum der Weltwirtschaft und der Nachfrage.

Und das Überangebot wird noch zunehmen. Denn um sich angesichts der knappen Produktionskapazitäten von Airbus und Boeing genug Jets zu sichern, haben die Fluglinien reichlich Flieger bestellt. Darum dürften weltweit netto noch mehr als 1000 zusätzliche Flugzeuge zu den bereits gut 20.000 Maschinen hinzukommen. „Das Überangebot dürfte die Preise noch weiter verderben“, so Analyst Roeska.

Das wird nicht die letzte schlechte Nachricht bleiben: Für zusätzliche Probleme sorgen zwei schlechte Angewohnheiten und das Unterschätzen wieder genesener Krisenlinien.

Risiko 3: Wiedererstarkte Konkurrenz
Ihre zusätzlichen Kapazität nutzen die Airlines weniger zu profitablem Wachstum als zu einem Kampf um Marktanteile. Damit wollten sie verhindern, dass sich andere Fluglinien den durch die Pleite von Linien wie Air Berlin oder der britischen Monarch frei gewordenen Platz an den Flughäfen und am Himmel sicher. Dabei schießen sie zunehmend über das Ziel hinaus. „Nun stürzen sich auf einmal alle auf fast die gleichen Märkte wie Mallorca oder Wien“, so Jaeger über diese Überreaktion.

Das sind die sichersten Airlines der Welt
Emirates Quelle: dpa
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Finnair Quelle: REUTERS
Etihad Airways Quelle: AP

Laut einer Statistik von Bernstein muss Eurowings nach seiner Übernahme der Air-Berlin-Routen auf einem Drittel seiner Strecken gegen Ryanair und auf 15 Prozent der Flüge gegen Easyjet antreten. Und das geht meist keineswegs gut aus für die Lufthansa-Billigtochter. „In der Regel siegen wir“, sagt József Váradi, Chef des osteuropäischen Billigfliegers Wizz Air. So können die meisten ihre Flüge weder profitabel füllen noch absagen.
Dazu unterschätzten viele auch eine weitere Änderung im Markt. Viele der Linien, die noch vor ein paar Monaten als Sorgenkinder galten, sind längst wieder in Topform. Hierzu zählen vor allem auf der Langstrecke die Fluglinien vom persischen Golf sowie Turkish Airlines und Singapore Airlines. Sie alle steckten vor einem Jahr noch in größeren Umbauprogrammen. „Doch nun können sie dank niedrigerer Kosten wieder stärker angreifen“, so Jaeger.

Trotzdem lässt sich die Branche am Ende nicht die Feierlaune in Sydney nicht verderben. Sicher können die Probleme wieder einige Airlines das Leben kosten. „Wer im vorigen Jahr keinen Gewinn gemacht hat, für den wird es jetzt sehr schwer“, sagt Váradi und zielt vor allem auf die verbliebenen Staatslinien Osteuropas, Alitalia und seinen Billigkonkurrenten Norwegian.

Doch das stört besonders die Marktführer aus den USA und Europa wie Lufthansa oder die British-Airways-Mutter IAG nicht. Sie können den Mix aus steigenden Kosten und sinkenden Erträgen dank der Umbauprogramme der vergangenen Jahre noch eine ganze Weile gut wegstecken. „Hätten wir diese Kombination vor zehn Jahren gehabt, wäre das noch komplett anders gewesen“, so ein hochrangiger Lufthanseat.

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