Nürburgring-Desaster Der Charitonin-Deal und seine Risiken

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Gläubigerausschuss muss Sicherheiten freigeben

Als erstes ist der Gläubigerausschuss am Zug. Er trifft sich schon am morgigen Montag um 14 Uhr in der Koblenzer Kanzlei von Lieser. Laut Lieser und Schmidt ist die Zustimmung des Gremiums zu dem Charitonin-Deal nicht erforderlich. Die Logik: Der Käufer habe sich ja nicht geändert, der bleibe weiterhin die Capricorn Nürburgring Besitzgesellschaft mbH (CNBG). Mit dieser gebe es einen Kaufvertrag, der unangetastet bleibe – nur die Eigentümer der CNBG änderten sich nun, wenn zwei Drittel der Anteile an der CNBG von Capricorn an die Gruppe um Charitonin gehen.

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Doch Capricorn-Chef Robertino Wild hatte im März vor dem Zuschlag Sicherheiten gestellt, die nun durch andere des neuen Käufers ausgetauscht werden müssen. Über die Freigabe der von Wild gestellten Sicherheiten muss der Gläubigerausschuss sehr wohl befinden, für die Sitzung am Montag steht das Thema auf der Tagesordnung, die der WirtschaftsWoche aus Mainz zugespielt wurde. Hier zeichnen sich Debatten ab, ob die von Wild gestellten Sicherheiten freigegeben werden. Nach den Äußerungen der beiden Bürgermeister darf es durchaus als fraglich gelten, dass Lieser und Schmidt dafür eine Mehrheit bekommen.

Der Gläubigerausschuss hat nur fünf Mitglieder, zwei haben sich klar positioniert. Sie brauchen nur noch einen weiteren Mitstreiter. Besonders im Fokus stehen somit die drei anderen Mitglieder. Vorsitzender des Gläubigerausschusses ist Karsten Drawe, Justiziar der Investitions- und Strukturbank Rheinland-Pfalz (ISB) und als solcher Interessenvertreter des Landes, das zugleich Hauptgläubiger ist. Daneben gehören als Arbeitnehmervertreter Ulrike Mohrs von der lokalen Arbeitsagentur sowie Winfried Ott dem Gremium an. Ott zog als Chef der TBS gGmbH in den Gläubigerausschuss ein, einer gewerkschaftlichen Fort- und Weiterbildungsfirma, die vom rheinland-pfälzischen Sozialministerium gesponsert wird.

Neben der Debatte um die Freigabe der Sicherheiten wird es auch europarechtliche Diskussionen geben, der Beihilferechtler der Insolvenzverwalter – Christoph von Donat von der Berliner Kanzlei Müller-Wrede – dürfte daher ebenfalls intensiv gefordert sein. Die EU-Kommission hat am 1. Oktober illegale Beihilfen des Landes Rheinland-Pfalz für den Nürburgring in Höhe von rund einer halben Milliarde Euro festgestellt, den Verkauf an Capricorn aber zugleich als europarechtskonform abgesegnet. Sollte es zu Klagen unterlegener Bieter kommen, wonach es aussieht, soll zunächst ein Pachtvertrag mit dem Käufer als Übergangslösung her halten, der insolvente Beihilfenempfänger Nürburgring GmbH soll aber nach dem Willen der Kommission keinen direkten Zugriff auf die Vermögenswerte mehr haben.

Als Verpächter des Rings und Hüter des Kaufvertrags soll daher nach den Vorgaben der Kommission künftig ein Treuhänder agieren. Das allerdings ist insolvenzrechtlich nicht unproblematisch, denn der Gläubigerausschuss müsste damit die Verfügungsgewalt über die gesamte Insolvenzmasse aus der Hand geben. Am Ende wird daher eine komplexe Treuhandstruktur stehen, die nun erarbeitet werden soll. Für die Ausarbeitung der Treuhandstruktur soll nach Informationen aus dem Umfeld der Insolvenzverwalter die Frankfurter Kanzlei Weil, Gotshal & Manges vorgesehen sein – auf die später noch zurückzukommen sein wird.

Gerade auf der europarechtlichen Ebene wird der Gläubigerausschus allerdings noch weit mehr Gesprächsstoff haben. Zu den zentralen Fragen zählt die, welche Rolle Lieser und Schmidt bei der Auswahl von Charitonin als neuem Gesellschafter der CNBG gespielt haben. Die Insolvenzverwalter bestreiten jede Einflussnahme. Anhand der neuen Dokumente, die der WirtschaftsWoche vorliegen, wird jedoch ersichtlich, wie die Insolvenzverwalter Lieser, Schmidt und ihre Gefolgsleute faktisch die Kontrolle über den Weiterverkauf übernahmen. Wie sie Wild eiskalt entmachteten. Wie wacklig der Capricorn-Deal fast über den gesamten Zeitraum war – und wie wenig die EU-Kommission bis heute darüber weiß. Das Protokoll des vermurksten Kaufprozesses hat Krimi-Potenzial.

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