Nürburgring-Verkauf Der Ring-Kampf geht in Brüssel weiter

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Ministerpräsidentin als PR-Zugpferd

„Es gehört zum Selbstverständnis der Ministerpräsidentin und der Staatskanzlei sowie der gesamten Landesregierung, Gespräche mit Menschen, Institutionen oder Unternehmen zu führen, die im Land Rheinland-Pfalz Engagement zeigen, Investitionen vornehmen oder planen und Kontakte knüpfen wollen“, sagte Hoch im Landtag und bekräftigte später eine Aussage von Ministerpräsidentin Dreyer: „Die Landesregierung hat keinen Einfluss auf den Veräußerungsprozess genommen.“

Die größten Steuerverschwendungen der Regierung
Deutschland ist Weltmeister im Hopfenexport. Da könnte man meinen, diese Sparte der Landwirtschaft kann auch ohne Subventionen auskommen. Das sieht die Bundesregierung anders: Rund 260.000 Euro zahlt das Landwirtschaftsministerium für die Entwicklung einer automatischen Hopfenernte. Damit kann die Branche in Zukunft ihr Margen erhöhen – zu Lasten der Saisonarbeiter und des Steuerzahlers. Quelle: dpa
Auch der Sportwagenhersteller Porsche springt auf den Trend E-Auto an und arbeitet an einer elektrischen Version des Panamera. Da freut die Bundesregierung sehr – und zahlt Porsche dafür rund 850.000 Euro. Bei einem Gewinn in 2012 von 1,8 Milliarden Euro wohl Peanuts für die Stuttgarter – und umso ärgerlicher für das Gemeinwesen. Und das ist erst der Anfang: Mehr als 22 Millionen Euro Steuergelder fließen in ein E-Auto-Gemeinschaftsprojekt von führenden Industrieunternehmen und Universitäten – auch das ist Porsche mittendrin. Quelle: dpa
Die Deutschen mögen ihren Wein – so sehr, dass sie auch den Winzern unter die Armen greifen. Da Weinberge an manchen Stellen schwer zugänglich sind, geben die Bürger 800.000 Euro für die Entwicklung Roboter-Hubschraubers aus, der eigenständig Pflanzenschutzmittel auf den Reben verteilen soll. Quelle: dpa
Die großen Energieriesen in Deutschland wollen grüner werden – und das nicht nur aus Imagegründen.. Schon allein aus finanziellen Gründen haben die Unternehmen ein Interesse daran, ihre Emissionen zu verringern. Da helfen groß angelegte Forschungsprojekte, etwa an CO2-Filteranlagen für Braunkohlekraftwerke. Ein Glück, das trotz der Milliardenumsätze der Konzerne auch die Bundesregierung ihren finanziellen Beitrag – oder besser, den der Bürger – dazu leisten will: bis 2013 noch gut 4,2 Millionen Euro aus der Staatskasse. Und das für eine etwas saubere Verbrennung eines fossilen Energieträgers. Quelle: dpa
Die Fußball-Fans freuen sich über die Erfolge der deutschen Teams in der Champions League. Gerade Bayern München und Borussia Dortmund begeistern – und das soll auch mit Hilfe von Steuergeldern in Zukunft so bleiben. Denn gerade der BVB ist für die Zukunft gut aufgestellt – mit dem automatisierten Hightech-Trainingsraum Footbonaut. Damit der bald noch besser funktioniert, gibt der Bund rund 572.000 Euro für die Weiterentwicklung des Trainingsroboters aus. Quelle: dpa
Auch der Bau eines neuen Verwaltungsgebäudes für das Bauunternehmen Züblin liegt der Politik an Herzen. Da es als Demonstrationsobjekt für Niedrigstenergie-Gebäude dienen soll, gibt Vater Staat rund 560.000 Euro dazu. Und bevor sich das Säckel wieder schließt, hat sich Züblin – ein Konzern mit Milliardenumsatz – nach den Informationen des Steuerzahlerbundes weitere 600.000 Euro Forschungszuschüsse gesichert. Quelle: dpa
Firmen, die an Energiewende-Projekten arbeiten, profitieren momentan besonders von Subventionen. So gehen etwa 6,4 Millionen Euro an Bxi Innotech, die Brennstoffzellen für Eigenheime entwickelt – und das unternehmerische Risiko federt der Steuerzahler deutlich ab. Quelle: dpa

Was sagt die Landesregierung nun in Brüssel?

Spannend ist nun, wie sich die Landesregierung zu den neuen Beschwerden positioniert. Fahren führende Regierungsvertreter bis hin zur Ministerpräsidentin wieder nach Brüssel, um für den Fortbestand des Beschlusses zu kämpfen? Lässt die Landesregierung die Sache einfach laufen? Oder signalisiert sie der Kommission gar, dass sie nichts dagegen hätte, wenn die Untersuchungen in Brüssel neu aufgerollt würden? Bisher jedenfalls scheint die Landesregierung dem neuen Investor Charitonin wohlgesonnen. Obgleich Lewentz etwa schon 2013 gesagt hatte, es sei nicht erwünscht, dass ein Oligarch aus Russland oder dem Nahen Osten sich die Rennstrecke kaufe. Dreyer soll sich bei Gesprächen am Nürburgring ähnlich geäußert haben.

Auch die neue EU-Kommissarin Margrethe Vestager gerät ein wenig in die Klemme in der Frage, wie sie sich nun am besten zum Nürburgring-Beschluss der Vorgängerkommission positionieren soll. Der Beschluss war auch innerhalb der Kommission stark umstritten, insbesondere beim Juristischen Dienst, der einen ersten Beschlussentwurf kippte. Die Entscheidung, die für Juni erstmals auf der Tagesordnung gestanden hatte, wurde mehrfach geschoben. Das Fass Nürburgring wieder aufzumachen dürfte ihr bei ihren Mitarbeitern und auch manchen Kommissaren nicht nur neue Freunde einbringen. Bei anderen dagegen würde Vestager offene Türen einrennen.

Knifflige Entscheidung für Vestager

Zudem haben die unterlegenen Bieter auch schon angekündigt, notfalls vor den Europäischen Gerichten gegen den Beschluss der Kommission vom 1. Oktober zu klagen. Noch könnte Vestager den Beschluss auf ihren Vorgänger oder auf die Informationen der Insolvenzverwalter schieben, sollte sie ihn revidieren wollen. Wenn sie nun dagegen an dem Beschluss festhält, stellt sie sich dahinter und macht ihn sich quasi zu eigen. Dann könnte er ihr vor den Europäischen Gerichten in ein paar Jahren auch auf die eigenen Füße fallen, wenn die Gerichte im Sinne der unterlegenen Bieter entscheiden sollten.

Fest steht bei all den Unwägbarkeiten nur eines: Der Mythos Nürburgring bleibt kaum kontrollierbar. Kurz nach der Eröffnung der Strecke im Jahr 1927 schrieb ein britischer Journalist: "Als der Ring geplant wurde, hat man wohl einen torkelnden Riesen im Vollrausch losgeschickt, um die Strecke festzulegen." Genauso wirrungsvoll verlief auch die jüngste Vergangenheit – und die dürfte sich noch ein Weilchen in die Zukunft hinein ziehen.

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