Die roten Herzen kennt jeder, der mal mit Air Berlin geflogen ist. An diesem Freitag stellt die insolvente Airline ihren Betrieb endgültig ein - nach 38 Jahren. Tausende Mitarbeiter brauchen neue Jobs, die Verkaufsverhandlungen für die verbliebenen Flugzeuge sind zäh, und einige Verbindungen entfallen vorerst ersatzlos. Wichtige Fragen und Antworten zum Ende von Air Berlin:
Droht jetzt ein Engpass beim Fliegen?
In den deutschen Flugplänen entstehen deutliche Lücken, die nach Ansicht von Lufthansa-Chef Carsten Spohr auch gar nicht so schnell zu schließen sein werden. Er schätzt, dass von rund 140 Air-Berlin-Maschinen ab Samstag 80 bis 90 am Boden bleiben. Auch Lufthansa-Vorstand Harry Hohmeister erwartet, dass es auf manchen Strecken zu wenige Plätze geben könnte. Passagiere bekämen dann eventuell erst zu einer anderen Uhrzeit als geplant einen Flug.
Können andere Airlines nicht einspringen?
Das ist nicht so einfach. Zum einen ist der Verkauf von Teilen an die Lufthansa noch nicht durch, mit anderen Interessenten wie Easyjet wird noch verhandelt. Viele Start- und Landerechte, die bislang Air Berlin genutzt hat, müssen ebenfalls neu vergeben werden. Lufthansa will vorübergehend erst einmal größere Flugzeuge einsetzen - etwa einen Boeing-Jumbo 747-400 zwischen Frankfurt und Berlin. Manche machen sich da bereits Sorgen wegen des Fluglärms.
Was wird aus den Mitarbeitern von Air Berlin?
Vielen von ihnen droht die Kündigung. Im Konzern gibt es mehr als 6000 Vollzeitstellen, die sich auf etwa 8000 Mitarbeiter verteilen. Die Lufthansa will rund 3000 Mitarbeiter einstellen - aber nur gut die Hälfte davon wird mit den Töchtern Niki und LG Walter übernommen, der Rest muss sich bewerben. Rund 1200 Mitarbeiter, die fast alle in Berlin in der Verwaltung arbeiten, könnten in einer Auffanggesellschaft unterkommen. Für andere Beschäftigte etwa bei der Technik-Tochter ist keine Lösung gefunden. Wenn nun die Kündigungen kommen, wollen einige Flugbegleiter dagegen gerichtlich vorgehen.
Die Chronik von Air Berlin
Vor 38 Jahren hob der erste Air-Berlin-Flieger ab. Alles begann mit alliierten Sonderrechten zur Landung im geteilten Berlin. Nach der Wende wuchs Air Berlin zur Nummer Zwei am Himmel über Deutschland heran, doch dann folgte eine jahrelange Krise.
1978: Gründung als Chartergesellschaft durch den Ex-Pan-Am-Pilot Kim Lundgren. Erstflug am 28. April 1979 von Berlin-Tegel nach Mallorca. Die Flotte umfasst zwei Maschinen.
1991: Im April kauft der LTU-Manager Joachim Hunold die Mehrheit der Anteile. Es gibt kurz darauf 15 Flüge pro Tag. Air Berlin expandiert und stationiert zunehmend auch Flugzeuge auf Regionalflughäfen.
1998: Mit dem Mallorca Shuttle Einstieg ins Linienfluggeschäft.
Einstieg zu 25 Prozent bei der österreichischen Fluggesellschaft Niki des früheren Rennfahrers Niki Lauda.
Börsengang und Kauf der Fluggesellschaft dba.
Kauf des Ferienfliegers LTU, damit auch Interkontinentalflüge.
Air Berlin rutscht in die roten Zahlen, legt das erste Sparprogramm auf: Strecken fallen weg, Flugzeuge werden ausgemustert. Die Übernahme des Ferienfliegers Condor scheitert.
Air Berlin kündigt für 2012 den Eintritt in das Luftfahrtbündnis Oneworld an.
Hunold wirft das Handtuch, Hartmut Mehdorn übernimmt. Ein weiteres Sparprogramm soll das operative Ergebnis um 200 Millionen Euro verbessern. 18 der 170 Maschinen werden verkauft.
Die arabische Staatsairline Etihad erhöht ihren Anteil von knapp 3 auf 29,2 Prozent und stützt die Airline mit einem 255-Millionen-Dollar-Kredit. Ein neues Sparprogramm beginnt. Der Verkauf des Vielfliegerprogramms an Großaktionär Etihad bringt nur vorübergehend wieder schwarze Zahlen.
Wolfgang Prock-Schauer wird Vorstandschef und verschärft das von Mehdorn im Vorjahr aufgelegte neue Sparprogramm. Jeder zehnte Arbeitsplatz fällt weg, die Flotte schrumpft auf 142 Maschinen.
Im Februar löst Stefan Pichler den glücklosen Prock-Schauer ab. Air Berlin macht 447 Millionen Euro Verlust - so viel wie nie.
Nach einem juristischen Tauziehen kann Air Berlin den größten Teil der wichtigen Gemeinschaftsflüge mit Etihad weiter anbieten. Die Zahlen bessern sich nicht. Gespräche mit Lufthansa über einen Verkauf von Geschäftsteilen beginnen. Mit einem tiefgreifenden Umbau und der Streichung von bis zu 1200 Arbeitsplätzen will Air Berlin seine Krise überwinden.
Air Berlin bekommt einen neuen Chef. Der Lufthansa-Manager und früheren Germanwings-Chef Thomas Winkelmann wird Vorstandschef. Air Berlin führt ihren Flugbetrieb in zwei getrennten Geschäftsfeldern weiter: Langstreckenflüge und Städteverbindungen in Europa werden zusammengefasst, Urlaubsflüge unter der Marke Niki geführt. Lufthansa erklärt sich bereit, Air Berlin zu übernehmen, wenn der Großaktionär Etihad zuvor die Schulden übernähme.
Air Berlin meldet Insolvenz an. Zuvor hatte Etihad seine finanzielle Unterstützung eingestellt. Ein 150-Millionen-Euro-Kredit des Bundes soll den Flugbetrieb zunächst sichern.
Fast 40 Jahre nach dem Start der ersten Air-Berlin-Maschine in Berlin-Tegel landet am 27. Oktober 2017 um 23.45 Uhr der letzte Air-Berlin-Flieger dort. Die Zukunft der Angestellten und vieler Unternehmensteile ist zu diesem Zeitpunkt noch ungewiss.
Welche Gehaltseinbußen haben Mitarbeiter, die nach einer Bewerbung bei Eurowings anfangen?
Das kommt darauf an. Die Lufthansa-Tochter spricht davon, dass Piloten bei ihr im Durchschnitt rund 8 bis 10 Prozent weniger verdienen. Eurowings-Chef Thorsten Dirks hatte vorgerechnet, in Einzelfällen könne das Jahresgehalt auch von rund 250 000 Euro auf 154.000 Euro sinken, etwa wenn Piloten noch einen alten LTU-Vertrag haben. Das wäre ein Minus von rund 40 Prozent.
Und warum bekommt der Air-Berlin-Chef dann Millionen?
Manager-Gehälter sind stets ein Reizthema. Vorstandschef Thomas Winkelmann kann nach dem Ende seiner Tätigkeit mit bis zu 4,5 Millionen Euro nach Hause gehen. Die Airline verteidigt den Vertrag als branchenüblich - die vom bisherigen Unterstützer Etihad gestellte Bankgarantie für das Gehalt gehe außerdem auch nicht zulasten der Insolvenzmasse, der Mitarbeiter oder der Steuerzahler. Winkelmann wurde von der Lufthansa Anfang des Jahres abgeworben - zu einer Zeit, in der die Lage von Air Berlin schon sehr kritisch war. Mit einer Ausnahme fliegt Air Berlin seit 2008 Verluste ein.