Reiseunternehmen Wie Flixbus von München aus Frankreich erobert

Mit E-Bussen ist Flixbus in Frankreich erfolgreich Quelle: imago images

Vor drei Jahren hat Paris den nationalen Busmarkt liberalisiert. Das Münchener Unternehmen Flixbus ist dort inzwischen Marktführer - und treibt die Konkurrenz nun mit Elektrobussen vor sich her.

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Quälend langsam bahnt sich der Bus den Weg aus der Pariser Innenstadt. Stoßstange an Stoßstange stehen die Fahrzeuge, blasen Abgase in die Hochsommerhitze. Nur der Bus mit der grünen Lackierung bleibt sauber. Er fährt 100 Prozent mit elektrischer Energie. Auf der 150 Kilometer langen Strecke zwischen Paris und Amiens in Nordfrankreich testet Flixbus France das in China hergestellte Fabrikat Yutong ICe 12. Bisher hat kein europäischer Hersteller einen E-Bus im Angebot, der eine ähnliche Reichweite ohne Zwischenladung garantieren kann.

„Es ist weniger anstrengend, so einen Bus zu steuern. Er macht einfach weniger Lärm,“ sagt Okacha Abdullahi am Steuer. Seit 17 Jahren schon arbeitet der 52-Jährige für das Busunternehmen Autocars Dominique aus dem Großraum Paris, das Flixbus für seine E-Initiative gewonnen hat. BeGreen, eine Tochter von Autocars Dominique, betreibt bereits seit einiger Zeit Elektrobusse auf Kurzstrecken für den Transport von Schülern und Firmenmitarbeitern. Paris-Amiens-Paris ist die erste Langstrecke. Seit April bedient von Montag bis Donnerstag jeweils ein Bus die Hin- und Rückfahrt. Von Freitag bis Sonntag sind es jeweils zwei.

„Wir hatten schon seit geraumer Zeit überlegt, eine Strecke mit Elektrobussen zu betreiben,“ sagt Yvan Lefranc-Morin, der Geschäftsführer von Flixbus France. „Wir wussten, dass BeGreen darauf spezialisiert ist, deshalb haben wir sie angesprochen.“

Während die beiden deutschen Bus-Hersteller Daimler und MAN bei E-Bussen noch sehr zurückhaltend sind - Daimler schickt seinen eCitaro erst einmal vorsichtig in die Städte, MAN plant die Serienproduktion erst nach den für 2020 vorgesehenen Feldtests -, will sich Flixbus mit dem chinesischen Fabrikat ganz klar als Vorreiter für die umweltfreundliche Mobilität der Zukunft hervor tun.

Wie auf allen knapp 300 Strecken, die Flixbus France betreibt, hat das Unternehmen auch mit Autocars Dominique einen Franchise-Vertrag geschlossen. Flixbus nimmt Strecken ins Programm, kümmert sich um die Kommerzialisierung und das Marketing sowie den Ticketverkauf im Internet. Die insgesamt 70 Partner-Busgesellschaften stellen Fahrzeuge und Chauffeure und erhalten dafür laut Lefranc-Morin eine Garantiesumme, die sämtliche Unkosten decken soll.

von Christian Schlesiger, Matthias Hohensee, Karin Finkenzeller

Über die Höhe macht Flixbus keine Angaben. Sie sei um einiges geringer als die Summe, die der staatliche Konkurrent Ouibus seinen Partnern biete, räumt Lefranc-Morin ein. Deshalb würden vor allem größere Busgesellschaften lieber mit der Tochter des Bahnkonzerns SNCF zusammenarbeiten. Ouibus müsse allerdings auch nicht rentabel wirtschaften, da der Steuerzahler am Ende die Verluste übernehme, fügt der Geschäftsführer maliziös hinzu.

Auch Flixbus fährt noch keinen Gewinn ein, will aber spätestens nächstes Jahr so weit sein und kalkuliert knapp. „Es liegt an unseren Partnern, ihre Kosten zu optimieren,“ sagt LeFranc-Morin. „Aber wenn ein Bus in unserem Namen morgens total leer losfährt, dann trägt unser Partner wegen der Garantiesumme nicht das finanzielle Risiko.“ Wirft die Strecke Geld ab, würden die Erlöse geteilt.

Das Geschäftsmodell des deutschen Mobilitätspioniers Flixbus hat auch in Frankreich Erfolg. Im August 2015 hatte die Pariser Regierung den nationalen Fernbusmarkt für Strecken über 100 Kilometer freigegeben. Flixbus hat von Anfang an Vollgas gegeben und kommt laut jüngster Studie der Verkehrsberatung Iges auf einen Marktanteil von etwa 50 Prozent. Die beiden Wettbewerber Quibus des staatlichen Zugbetreibers SNCF und Isi Lines des Verkehrskonzerns Transdev teilen sich etwa die andere Hälfte. Andere Studien sehen Flixbus und Ouibus in etwa gleichauf in führender Position bei jeweils rund 40 Prozent.

Der harte Wettbewerb drückt auf die Ergebnisse. In Frankreich wird Flixbus vermutlich das im Januar 2017 formulierte Ziel verfehlen, „bis spätestens 2018“ aus den roten Zahlen zu kommen. Obwohl die monatelangen Streiks bei der französischen Staatsbahn SNCF den grünen Bussen im Frühjahr dieses Jahres weiteren Zulauf bescherten, mit dem man überhaupt nicht gerechnet hatte, ist Geschäftsführer Yvan Lefranc-Morin vorsichtiger geworden: „Ich bin zuversichtlich, dass wir entweder noch 2018 rentabel sein werden oder nächstes Jahr,“ sagte der 34-Jährige ehemalige Investmentbanker der WirtschaftsWoche im Interview.

"Macron Busse"

3,3 Millionen Passagiere transportiere Flixbus France nach eigenen Angaben 2017 auf innerfranzösischen Strecken, 5,2 Millionen, nimmt man grenzüberschreitende Strecken mit Start- oder Endpunkt Frankreich hinzu. Dafür, dass dennoch kein Gewinn abfällt, macht Lefranc-Morin vor allem den verbissenen Konkurrenzkampf mit der SNCF-Tochter Ouibus verantwortlich. Ouibus häuft seit der Gründung 2012 ebenfalls Verluste an. Allein 2016, das letzte Geschäftsjahr, für das Ouibus bisher Ergebnisse offen legte (2017 folgt erst im September), waren es 45 Millionen Euro - bei ebenso viel Umsatz. „Das ist eine verschleierte Staatssubvention,“ ereifert sich Lefranc-Morin. Er wirft Ouibus vor, „auf Dauer Geld mit sehr niedrigen Preisen zu verlieren“, weil der Steuerzahler ja hinterher dafür aufkomme.

Flixbus macht keine Angaben zu Umsatz und Erträgen. Laut Lefranc-Morin sind die Verluste von Flixbus France aber „zehnmal geringer“ als bei Ouibus.

Gemessen am miserablen Ruf, den Reisen im Fernbus noch vor drei Jahren in Frankreich hatten, als der damalige Wirtschaftsminister Macron erstmals innerfranzösische Verbindungen auf einer Strecke von mehr als 100 Kilometern Länge zuließ, ist die Scheu der Franzosen schnell einer Begeisterung gewichen.

Seit einmal klar war, dass die Passagiere nicht um ihre Sicherheit fürchten müssen, der Nachbar sich nicht übergibt, wie sie das noch von den Fahrten in Feriencamps in Erinnerungen haben, und auch noch WLAN zur Verfügung steht, buchen nicht nur sozial Schwächere die im Vergleich zur Eisenbahn oft spottbilligen Tickets. Ein großer Vorteil im zentralistisch organisierten Frankreich ist auch, dass das Städte-Hopping ohne den bei der SNCF notorischen Umweg über die Hauptstadt Paris möglich ist.

Eine Ende Juni veröffentlichte Studie von France Stratégie, einem Think Tank, der im Auftrag der französischen Regierung arbeitet, zählte 2016 insgesamt 6 Millionen Passagiere auf innerfranzösischen Strecken. Für 2017 wurde ein Anstieg auf 7,5 bis 8,5 Millionen erwartet. Und für 2030 rechnet France Stratégie mit 15 bis 25 Millionen Reisenden.

Im E-Bus von Paris nach Amiens sitzen an dem Freitagnachmittag zwei zahlende Gäste im Bus. Für die zwei Stunden und 15 Minuten dauernde Fahrt hat jeder von ihnen 8,99 Euro bezahlt. Auch wenn die E-Busse in der Anschaffung etwa 30 Prozent teurer seien als mit Diesel betriebene Fahrzeuge und die um gut drei Viertel geringeren Kosten für den E-Antrieb nicht die Summe für Kauf oder Leasing amortisierten, sollten die Passagiere keinesfalls mit höheren Preisen abgeschreckt werden, sagt LeFranc-Morin. Würde der Bus mit Diesel-Kraftstoff nach Amiens fahren, würden dafür rund 70 Euro zu Buche schlagen. Die Batterieaufladung kostet rund 15 Euro.

An der Seine entlang geht es endlich raus aus der Stadt. Als Chauffeur Abdullahi die Autobahn A 16 Richtung Amiens erreicht, kann er Tempo machen. Jetzt ist der Unterschied zu einem Bus mit Verbrennungsmotor nicht mehr wirklich auszumachen. Bei 80 Stundenkilometern ist die Reibung der Reifen auf der Fahrbahn so laut, dass der Elektrobus nicht mehr mit seinem Flüsterantrieb glänzen kann. Außerdem fängt sich der Wind in den auf ganzer Länge geöffneten schmalen Kippfenster. Abdullahi hat sie aufgemacht, um Strom für die Klimaanlage zu sparen.

Hätte er aber gar nicht müssen. Als er die Ausfahrt Amiens erreicht, am Straßenrand der Weizen hüfthoch und gelb in den Feldern steht, ein paar verlorene Windräder sichtbar werden und in der Ferne die gotische Kathedrale und der mittelalterliche Glockenturm der Stadt, ist die Batterie noch immer zu 47 Prozent geladen. „Wenn ich die Klimaanlage eingeschaltet hätte, wären wir jetzt 45 Prozent, aber nicht weniger.“

„Wir waren überrascht, dass die Fahrzeuge weniger Energie verbrauchen, als wir dachten,“ hatte LeFranc-Morin vor Abfahrt schon in der Firmenzentrale westlich von Paris gesagt. Die Strecke nach Amiens hatte Flixbus aus Vorsicht gewählt. Mit einer vollen Batterieladung, so hatte es der Hersteller Yutong versichert, seien 200 Kilometer zu schaffen. Flixbus wollte seine Fahrgäste aber auch nicht auf der Strecke lassen, wenn der Bus einmal stundenlang im Stau stehen müsste. Etwa wegen eines Unfalls.

Amiens hat aber auch noch einen kleinen Marketing-Nebeneffekt: Es ist die Stadt, in der Staatschef Emmanuel Macron aufgewachsen ist. Und der hatte, als er noch Wirtschaftsminister war, 2015 den französischen Markt für Fernbusse auf Stecken von mehr als 100 Kilometer Länge geöffnet. Deshalb werden die Busse in Frankreich auch einfach „Macron-Busse“ genannt.

Amiens soll nicht das einzige Ziel mit Elektrobetrieb für Flixbus France sein. LeFranc-Morin und sein Team basteln bereits an weiteren E-Strecken. Damit will das Unternehmen mit den grün lackierten Bussen sich auch einen ökologischen Anstrich geben - und von Ouibus abheben. Der staatliche Konkurrent plant nach Angaben seines Geschäftsführers Roland de Barbentane vorerst keine entsprechende Initiative.

Nachdem Chauffeur Abdullahi seine beiden Passagiere am Hauptbahnhof und an der Universität abgeladen hat, fährt er an den Stadtrand. In einer Seitenstraße eines Wohngebiets steht ein mannshoher grauer Kasten. Ein mobiler Transformator. Dort steckt er den Bus an. Es ist halb vier Nachmittags. Wäre die Batterie komplett leer, bräuchte sie nun vier Stunden Ladezeit. Deshalb ist die Rückfahrt nach Paris im Fahrplan erst für 8 Uhr abends geplant. Abdullahi geht sich ausruhen.

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