Scheidender Post-Chef Frank Appel kann erhobenen Hauptes auf seine Amtszeit zurückblicken – noch

Frank Appel bei seiner letzten Verkündung der Post-Jahreszahlen am Donnerstag. Quelle: dpa

Zum Abschied legt der Chef der Deutschen Post den vierten Jahreshöchstwert in Folge vor. Insgesamt kann sich die Bilanz seiner Zeit an der Firmenspitze sehen lassen. Sie hat aber einen entscheidenden Schönheitsfehler.

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„Nur gemeinsam können wir die Weichen für eine erfolgreiche Transformation des Post- und Paketgeschäfts stellen“, appellierte Frank Appel am Donnerstag. 15 Prozent mehr Geld fordert die Gewerkschaft Verdi für Paket- und Briefträger in Deutschland ein, das niedrigere Angebot der Post hatte sie abgelehnt. Nun könnte ein unbefristeter Streik drohen, der den Konzern hart treffen würde. Es brauche eine „Balance zwischen spürbarer Lohnerhöhung und wirtschaftlicher Tragfähigkeit“, versuchte Appel zu beschwichtigen.

Für den scheidenden Chef der Deutschen Post schloss sich mit seiner letzten Bilanzpressekonferenz am Donnerstagmorgen ein Kreis. Denn auch zu seinem Amtsantritt, im Frühjahr vor 15 Jahren, stritt der Konzern gerade mit Verdi um das Paket- und Briefgeschäft. Damals verkündete Appel, den Briefdienst auf mehr Kundenfreundlichkeit trimmen zu wollen und regte Effizienzsteigerungen an. Er führte die Verbundzustellung ein, also das gemeinsame Ausliefern von Paketen und Briefen, setzte verstärkt auf Kurzzeitverträge. Genau diese Maßnahmen beanstanden die Gewerkschaften heute als Malheur mit Folgen für Gesundheit und Anstellungsperspektiven ihrer Klientelen. Das Dilemma, das Appels Bilanz zu seinem Abschied vom Chefposten der Deutschen Post eintrübt, also hat er selbst vor 15 Jahren ausgelöst.

Trotzdem bewerten Beobachter Appels Regentschaft insgesamt als positiv. Der scheidende Manager habe einen „guten Job“ vollbracht, indem er das Unternehmen durch die Finanz- und Covidkrise steuerte und das Postunternehmen zu einem „Weltklasse-Logistiker“ formte, loben die Analytiker der Deutschen Bank. Das belegen auch die Zahlen, die Appel zu seinem Abschied verkündete: Alles in allem erzielte die Deutsche Post DHL einen operativen Gewinn von 8,4 Milliarden Euro (plus 5,7 Prozent), der vierte Jahreshöchstwert in Folge. Der Umsatz kletterte um 15,5 Prozent auf 94,4 Milliarden Euro. Die Frachtsparte legte beim Umsatz um fast ein Drittel auf 30,2 Milliarden Euro zu und die Lieferketten-Dienstleistungen wuchsen um ein Sechstel auf 16,4 Milliarden Euro.

Tatsächlich hat der ehemalige McKinsey-Berater etwas geschafft, das ihm anfangs kaum einer zutraute: Nach den wilden Jahren der Zumwinkel-Ära und dessen ruhmlosem Abgang als Steuersünder von der Postspitze, brachte Appel Ruhe in den Konzern. Medien nannten ihn wegen seiner analytischen, farblosen Art zeitweise eine „Angela Merkel der Deutschen Post“. Aber genau diese Unaufgeregtheit konnte der Konzern vor 15 Jahren eben auch gut vertragen – inmitten der Nachwehen der Weltwirtschaftskrise, die das Konzernergebnis belasteten.

Wie sehr der heute 62-Jährige die Post in seiner Zeit an der Spitze veränderte, zeigt ein Blick auf die Einnahmeseite des Unternehmens: Erwirtschaftete der Logistiker 2008 noch fast 60 Prozent seines Gewinnes durch den Brief- und Paketdienst in Deutschland, sind es heute nur noch knapp 15 Prozent. Die großen Gewinne kommen seit Jahren aus dem Ausland. Vor allem der zu Appels Beginn von vielen als „Milliardengrab“ verspottete Expressdienst der DHL sorgte auch im vergangenen Jahr für fast die Hälfte der Gewinnerlöse.



Appels Fehler und auch manches Zögern scheinen am Tag der Rekordergebnisse des Unternehmens wie vergessen. Fast niemand erinnert sich heute an die Hunderte Millionen schwere Einführung eines fehlerhaften IT-Systems oder die Experimente mit elektrischen Paketscootern. Und es war auch bestimmt nicht Appel allein, der aus dem nationalen Postdienstleister einen globalen Logistiker formte – die größten Akquisitionen im Bereich der Internationalisierung erfolgten bereits unter Vorgänger Klaus Zumwinkel. Doch muss man dem Manager zugutehalten, an der Strategie gegenüber Kritikern aus der Politik und Gewerkschaft festgehalten zu haben.

Im Gegensatz zum Heimatmarkt – im Konzernbereich Post & Paket Deutschland brach das operative Ergebnis 2022 um 27,2 Prozent auf 1,27 Milliarden Euro ein – entwickelte sich das Geschäft des Logistikriesen auf globalem Parkett auch 2022 prächtig. Auch Appels Nachfolger und Wunschkandidat Tobias Meyer, der ab Mai die Konzernzügel übernimmt, wird an der Ausrichtung deshalb voraussichtlich wenig ändern. Die Bürde, die der Neue auf sich nimmt, könnte im Moment allerdings kaum größer sein.

Vieles, was die Post zuletzt stark machte, könnte sich in den kommenden Monaten gegen sie wenden. Die Transportengpässe an den See- und Flughäfen lösen sich auf, die internationalen Frachtpreise sind bereits seit Ende des vergangenen Jahres um ein Vielfaches gefallen. Die Konjunktur strauchelt, auch der Onlinehandel wächst nach dem Ende der Corona-Beschränkungen langsamer als erwartet. Das spürt die Post in sämtlichen Bereichen, die zuletzt weniger Pakete und Sendungen verschickten als während der Pandemie.

Nachdem die Post im vergangenen Jahr vor allem von den hohen Luft- und See-Frachtraten profitiert hat, rechnet das Management im laufenden Jahr mit einer Abkühlung des Geschäfts: Das operative Ergebnis (Ebit) wird je nach Konjunkturverlauf auf einen Betrag zwischen sechs und sieben Milliarden geschätzt und damit deutlich niedriger als 2022. Mittelfristig will der Dax-Konzern zwar wieder an das Rekordniveau von 2022 heranrücken – aber die Erholung wird sich weiter verschieben: Bislang war man davon ausgegangen, bereits 2024 operativ mehr als 8,5 Milliarden Euro zu verdienen. Am Donnerstag verkündete der Konzern nun, ein operatives Ergebnis von mehr als acht Milliarden Euro werde erst wieder „Mitte des Jahrzehnts“ erwartet.

Unterm Strich verabschiedet sich Appel dennoch erhobenen Hauptes von dem Dax-Konzern – zumindest Stand Donnerstagmorgen. „Es war ein sehr erfolgreiches Jahr, aus dem wir als Konzern in bester Verfassung herausgehen“, kommentierte der Manager das Konzernergebnis.

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Wie lange diese Freude anhalten wird, dürfte sich in den nächsten Stunden zeigen: Wohl am Nachmittag wird die Gewerkschaft Verdi das Ergebnis ihrer Urabstimmung zum Tarifstreit bekanntgeben. Wenn 75 Prozent der befragten Post-Beschäftigten das Tarifangebot ihres Arbeitgebers abgelehnt haben, wird die Gewerkschaft wohl einen unbefristeten Streik ausrufen. Viele Millionen Briefe und Pakete könnten dann zwischenzeitlich liegenbleiben.

Dass sich die Post auf die Forderungen von 15 Prozent mehr Lohn einlässt, ist unwahrscheinlich: Sie schätzt die Mehrkosten auf eine Milliarde Euro – fast zwei Drittel der gesamten Spartengewinne. Feststehen dürfte aber ohnehin: Günstig wird dieser Tarifabschluss für das Unternehmen nicht.

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