US-Strafzölle Wie deutsche Unternehmen Trumps Handelskrieg ausweichen

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Der Weg zur ewigen Zollglückseligkeit

Wie sehr sich die Kenntnis dieser Regeln auszahlt, weiß Sven-Boris Brunner besonders gut – schließlich sind sie der Kern seines Geschäfts. Brunner hat sich jahrelang im Auftrag eines Logistikkonzerns um die komplizierten Länder gekümmert: Iran, Russland, Aserbaidschan, dort, wo der internationale Handel Ecken und Kanten zeigt. Unterschiedliche Sicherheitsstandards, überforderte Bürokraten und – natürlich – Zölle. „Wer beim Thema Zoll wirklich Geld sparen will, der muss darüber nachdenken, wenn er seine Lieferkette aufsetzt“, sagt Brunner, inzwischen Chef seiner eigenen Exportberatung ICS, „im Nachhinein lassen sich oft nur noch kleine Korrekturen vornehmen.“ Dieser Appell fruchtet offenbar: Zuletzt hat er einen deutschen Autokonzern bei der Standortauswahl beraten – die sich dann nach dem günstigsten Zollsatz richtete.

Blaupause für Trump

Freihandelsabkommen sind dabei so etwas wie die Königsdisziplin: Rund 200 gibt es inzwischen weltweit, aber keines gleicht dem anderen. So unterhält die Europäische Union etwa mit der Türkei eine echte Zollunion, was bedeutet, dass Waren die in Deutschland einmal verzollt wurden, zollfrei in die Türkei exportiert werden können. Zugleich gilt zwischen der EU und Mexiko ein Freihandelsabkommen mit Ursprungsregeln: Wenn ein Produkt zu einem relevanten Teil in Mexiko hergestellt wird, darf es zollfrei in die EU importiert werden. Kombiniert man die beiden Abkommen, dann lässt sich jedes Gut kostenfrei aus Mexiko in die Türkei bringen. Ähnliche Wege finden sich zwischen vielen Ländern der Erde. „In je mehr Ländern ein Unternehmen Werke hat, desto besser lassen sich dann auch die Ursprungsregeln nutzen“, sagt Zollanwalt Niestedt.

Aus abstrakten Regeln werden so plötzlich konkrete Planspiele. Darüber etwa, wie sich die US-Strafzölle umgehen lassen. Ein deutscher Autohersteller beispielsweise, der Werke in den USA und Mexiko betreibt und in beiden importierten Stahl aus Deutschland einsetzt, könnte – um Trumps neuen US-Strafzoll zu sparen – den Stahl nur noch an sein mexikanisches Werk liefern und dort veredeln oder mit mexikanischen Vorprodukten kombinieren. Alles zusammen könnte dann zollfrei in die USA eingeführt werden. Was klingt wie ein Gedankenspiel wird derzeit in einem deutschen Konzern geplant. Nur geredet wird darüber nicht so gerne. „Wir wären verrückt, wenn ich das öffentlich bestätigen würde“, sagt ein Sprecher. „Dann würden wir Trump die Blaupause liefern, wie er uns treffen könnte.“

Zu einer wahren Meisterschaft in der Disziplin der Zolloptimierung haben es in den vergangenen Jahren die chinesischen Stahlexporteure gebracht. Ausgerechnet jene Branche also, auf die es der US-Präsident eigentlich abgesehen hat. In einer Studie untersuchten jüngst zwei Forscher der Remnin-Universität in Peking, wie sich die Stahlexporte Chinas nach einer Erhöhung der Zölle veränderten. Als die USA die Zölle das letzte Mal drastisch anhoben, sanken zwar die Importe aus China direkt – dafür stiegen die Importe aus Vietnam massiv an, während zugleich die Exporte Chinas dorthin stiegen. Europas Stahlbranche erlebte das Gleiche mit dem Umweg über Südkorea.

„Tausende Arbeitsplätze in Europa sind gefährdet“
Angela Merkel (CDU), Bundeskanzlerin Quelle: dpa
Der österreichische Bundeskanzler Sebastian Kurz Quelle: REUTERS
Sigmar Gabriel (SPD), Bundesaußenminister Quelle: dpa
Jean-Claude Juncker, EU-Kommissionspräsident Quelle: AP
Hans Jürgen Kerkhoff, Präsident der Wirtschaftsvereinigung Stahl Quelle: dpa
Brigitte Zypries (SPD), Bundeswirtschaftsministerin Quelle: dpa
Martin Wansleben, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK) Quelle: dpa

Vielleicht ahnt inzwischen auch Trump, dass die Sache mit dem Handelskrieg doch nicht so einfach ist, wie gedacht. Dass sich am Ende immer ein Optimierer finden wird, der den Tick smarter ist als scheinbar undurchlässige Zollmauern. Er erwarte, sagte Trump jedenfalls am Ende seiner Ankündigung, dass die beiden vom Zoll ausgenommenen Nachbarländer Kanada und Mexiko „aktiv werden, um die Weiterverschiffung von Waren in die USA zu verhindern“.

Große Konzerne beginnen deshalb sofort, sich nach Alternativen umzusehen. Für kleine und mittelständische Unternehmen steckt darin eine bittere Wahrheit: „Wie viel Zoll ein Unternehmen zahlt, ergibt sich meist allein aus seiner Größe“, sagt Michael Schäfer, der beim Berater Deloitte für den Bereich Zoll verantwortlich ist. Denn Tarifoptimierung ist vor allem eine Frage von Geld – und Kapazität. Und so gilt für die Zölle am Ende das Gleiche wie für Steuern: Je kleiner das Unternehmen, desto geringer die Chance, davonzukommen. Und die kleinsten in diesem großen Spiel, das sind zweifellos die Lastwagenfahrer am Schalter in Waltershof. Nur das Schimpfen, das kann ihnen keiner nehmen.

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