Nach Rückzug der Großen Start-ups planen Solarproduktion in Deutschland – notfalls mit Partnern aus China

Start-ups wie Enapl, 1Komma5° und Zolar kaufen ihre Fotovoltaik-Anlagen aus Kostengründen in Asien ein. Quelle: imago images

Große Solarfabrikanten wie Meyer Burger ziehen sich womöglich aus Deutschland zurück. Nun wollen Start-ups wie Enpal und 1Komma5° in die Bresche springen. Expertise holen sie sich aus dem Ausland.

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Die deutsche Solarindustrie spaltet sich gerade in zwei Lager: Die einen warten auf den Resilienzbonus, die anderen wettern dagegen. Darüber entscheiden muss die Bundesregierung. Doch die wird sich nicht einig. Das Resultat: Viele große Hersteller von Solarmodulen kündigen medienwirksam an, den Standort Deutschland verlassen zu wollen, sollte das Solarpaket 1 mit dem darin enthaltenen Resilienzbonus nicht schnellstmöglich in Kraft treten.

Einer davon ist das Schweizer Unternehmen Meyer Burger, das seine Produktion vom sächsischen Freiberg in die USA zu verlegen droht. Rund 500 Arbeitskräfte wären davon betroffen. Und weitere Partner wie die Glasmanufaktur Brandenburg, die wichtige Kunden aus der Solarindustrie verlieren würde und dadurch ebenfalls vor dem Aus stünde, wie jüngst das Magazin „Der Spiegel“ berichtete.

Ein Resilienzbonus könnte die Nachfrage nach europäischen Solarmodulen stärken, also denen von Unternehmen wie Meyer Burger. Bauen sich Endkunden nämlich eine Fotovoltaikanlage auf das Dach, die zu großen Teilen aus europäischen Komponenten besteht, erhalten sie nach den Plänen der Politik eine höhere Einspeisevergütung. SPD und Grüne wollen den deutschen Markt so stärken, indem sie die damit einhergehenden höheren Produktionskosten durch Boni ausgleichen. Die FDP hält dagegen.

Umsatzstarke Start-ups wie Enpal, Zolar und 1Komma5° beziehen ihre Anlagen aus Asien. Sie vermieten oder verkaufen Fotovoltaikanlagen und kümmern sich um Wartung, Montage und Netzeinspeisung. Die Gründerteams seien gegen die Einführung des Resilienzbonus, ließen sie in einem öffentlichen Brief Mitte Januar ihren Frust heraus. Selbst, wenn sie künftig deutsche Fabriken bauen würden, bekämen sie keine Förderung aus dem Solarpaket. Denn das bezieht nur bereits bestehende Standorte mit ein.

Die Solarindustrie trennt sich also in die Lager der alteingesessenen Solarunternehmen und der Start-ups auf: Ziehen die Meyer Burgers und Solarwatts aus Deutschland ab, könnte das eine Chance für Jungunternehmer bedeuten. Die bringen sich jetzt in Stellung.

Joint Venture aus Solar-Größen

1Komma5°-Chef Philipp Schröder verkündete Ende Februar lautstark, er wolle die Modulproduktion und Angestellte des von der Schließung bedrohten Meyer-Burger-Werks in Freiberg übernehmen. Dem Schweizer Unternehmen liege jedoch kein Angebot vor, entgegnete eine Sprecherin. „Es gab eine unverbindliche Kontaktaufnahme, die inhaltlich allerdings nicht über die bereits von 1Komma5° veröffentlichten Social-Media-Beiträge hinausgeht.“

Das Milliarden-Start-up Enpal ging ebenfalls in die Offensive. Ende Februar hieß es, CEO Mario Kohle wolle ein Joint Venture gründen und mit Partnern gemeinsam ein Werk in Europa eröffnen. Man sei seit etwa einem Jahr in konkreten Gesprächen mit Herstellern. Die Idee dieses Joint Ventures lasse sich mit dem Foundry-Prinzip in der Halbleiterindustrie vergleichen, erklärte ein Sprecher. Alle Unternehmen werden dabei Gesellschafter und verpflichten sich gleichzeitig für eine Abnahme der Solarmodule.

Kapital und Know-how für das Joint Venture wolle Enpal aus dem Ausland holen. Mit hoher Wahrscheinlichkeit seien das Hersteller aus China. „Das wird von unserer Seite sehr stark vorangetrieben“, kommentierte der Sprecher. Bislang arbeitet der Fotovoltaikanlagen-Vermieter mit dem chinesischen Produzenten Longi Green Energy Technology zusammen. Ob das börsennotierte Unternehmen aber auch am Joint Venture teilhaben möchte, ist nicht bekannt.

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von Florian Güßgen

Auch mit den Chefs von Zolar sowie 1Komma5° und von Konzernen wie Vattenfall und EnBW befinde sich Enpal-Chef Mario Kohle in ersten Gesprächen, heißt es aus Unternehmenskreisen. Nur: Bei den hier genannten Unternehmen weiß man nichts von derartigen Plänen. Die Solarfirmen seien lediglich im Prozess, gemeinsam die Interessensvertretung „SEE – Solar Economy Europe“ zu gründen, sagen Vattenfall und EnBW. In die Produktion wolle man nicht gehen.

Ob sich die Pläne wirklich konkretisieren, bleibt also abzuwarten. Enpal will in etwa drei Jahren zumindest erste Teile für Solarmodule selbst produzieren: „Wir hoffen, dass die Politik uns gute Fördermöglichkeiten anbieten kann“, unterstreicht der Firmensprecher. Auch 1Komma5° vermeldete im Herbst, noch in diesem Jahr mit einer eigenen Fertigung zu starten. Wie weit das Vorhaben ist und ob sich 1Komma5° ebenfalls am Joint Venture beteiligt, ließ das Start-up unbeantwortet.



„Die europäische Solarbranche ist marginal“

Während die einen Start-ups vor allem erst einmal Lärm machen, fahren andere ihre Produktion wirklich hoch. Ein Start-up, das den Massenabzug der Konzerne für sich nutzt, ist Sunmaxx aus Ottendorf-Okrilla. In dem Vorort von Dresden baut die Firma Module, die gleichermaßen auf Fotovoltaik und Solarthermie ausgerichtet sind. Das heißt, die Zellen produzieren gleichzeitig Strom und Wärme bei einem weitaus besseren Wirkungsgrad als reine PV-Anlagen. Ein Nischenprodukt und damit Alleinstellungsmerkmal von Sunmaxx. Denn bislang gibt es keine billige Konkurrenz aus China. Seit über einem Jahr verkauft das sächsische Start-up seine PVT-Module, Nachfrage steigend. „Wir müssen schnell wachsen, um wettbewerbsfähig zu sein“, weiß Gründer Wilhelm Stein.

Aktuell stelle Sunmaxx täglich bis zu 100 solcher PVT-Module her, erzählt Stein. Bis zum Ende des Jahres soll die Belegschaft aufgestockt werden, sodass jährlich 120.000 Module aus der Fabrik laufen. Das wäre mindestens das fünffache im Vergleich zum jetzigen Zustand. Dafür benötigt Sunmaxx Kapital. Bislang sind der Technologiefonds Sachsen und der Stuttgarter Automobilzulieferer Mahle an dem Start-up beteiligt. Es braucht aber mehr.

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Zwar möchte sich Stein weder auf die Seite von Meyer Burger oder Solarwatt stellen, noch auf die der jungen Großeinkäufer wie Enpal. Der Gründer aus dem Dresdner Vorort wisse gar nicht, ob Sunmaxx überhaupt vom Resilienzbonus profitieren könnte. Dass die Solarindustrie in Deutschland Förderungen erhalten muss, sei dennoch wichtig: „Im Vergleich zum chinesischen Markt ist die europäische Solarbranche marginal. Und das ist die Problematik.“

Lesen Sie auch: Enpal-Chef Kohle im Podcast: „Der sozialistische Gedanke ist mir immer noch ganz sympathisch

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