Hardware-Offensive Mit diesen Produkten will Amazon die Konkurrenz abhängen

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Google und Apple holen Amazons Vorsprung bereits auf

Der Markt boomt. Vor vier Jahren war er quasi nicht existent. Bis 2023, so erwartet das Marktforschungsunternehmen Strategy Analytics nun, sollen mit Diensten und Geräten mit Sprachassistenten weltweit 23 Milliarden Dollar umgesetzt werden.
Die Rolle als universeller Assistent war eigentlich Smartphones zugedacht. Weil die eigene Fire-Smartphone Reihe floppte, fokussierte Amazon sich auf günstige Lautsprecher und später Bildschirme mit integriertem Sprachassistent. Und landete damit einen Überraschungshit. Nicht nur weil die Sprachsteuerung immer besser geworden ist: Stationäre Geräte sind einfach praktischer als ihr mobiles Pendant. Sie müssen nicht extra entriegelt oder aus der Tasche genestelt werden, sondern warten im Hintergrund auf Befehle.

Bezos Strategen erkannten früh, dass Smartphones zu individuell sind, um als universelle Fernbedienung genutzt zu werden, weil sie von ihrem Eigentümer meist herumgetragen werden und auf ihn angepasst sind. Smarte Lautsprecher hingegen haben in der Regel ihren festen Standort, können von der ganzen Familie genutzt werden und kommen sich im Gegensatz zu Smartphones nicht untereinander ins Gehege. Bezos erleichterte die Entscheidung für smarte Lautsprecher, indem er sie mit Kampfpreisen in den Markt drückte. Am besten, so Amazons Ziel, für jeden Raum einen.

Der Frühstart hat Amazon einen Vorsprung beschert. Strategy Analytics schätzt, dass Amazon im vergangenen Jahr den Markt für smarte Lautsprecher in Nordamerika und Westeuropa mit einem Anteil von knapp achtzig Prozent dominierte.

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Amazon ist im chinesischen Markt nicht präsent

Zwar liegt Amazon auch derzeit nach wie vor in Führung, mit mindestens der Hälfte des Marktes. Doch seit Wettbewerber wie Google mit Assistant, Samsung mit Bixby und Apple mit Siri die Verfolgung aufgenommen haben, schmilzt der Vorsprung. Hinzu kommt, dass Amazon, aber auch Google im Wachstumsmarkt China, wo die Lautsprecher ebenfalls einen Boom erleben, gar nicht präsent sind.
In den USA und Westeuropa schließt Konkurrent Google, der vor zwei Jahren in den Markt einstieg und seine Lautsprecher ebenfalls ab 50 Euro offeriert, immer dichter auf. Der Suchkonzern profitiert dabei davon, dass viele traditionelle Händler lieber Googles Lautsprecher vertreiben, als Angstgegner Amazon noch dominanter zu machen.

Apple hechelt hinterher. Nicht nur, weil sein auf Klang und Design statt Dienst getrimmter Lautsprecher HomePod mit einem Preis von 350 Dollar kein Massenprodukt ist. Sondern auch, weil sich sein Marktstart mehrfach verzögert hat.
Apples im Verkauf von Smartphones bewährte Hochpreisstrategie könnte bei den smarten Lautsprechern und Displays allerdings nach hinten losgehen.

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Bezos setzt auch deshalb auf relativ günstige Anschaffungspreise, weil er möchte, dass sich seine Kunden an Alexa gewöhnen und so gar nicht erst auf den Gedanken kommen, auf ein Konkurrenzprodukt umzusteigen. Bei seinen iPhones profitiert Apple seit Jahren von diesem Gewöhnungseffekt. Wer einmal mit der Bedienoberfläche der iPhones und des iPads vertraut ist, steigt nicht so schnell auf Android um. Gut möglich, dass Apple deshalb demnächst mit günstigeren Geräten kontert.
Noch ist unklar, wie häufig Alexa zum Einkauf genutzt wird. Amazon schweigt sich über Nutzungsgewohnheiten aus. Doch selbst wenn der Einkauf selten sein sollte, kann der Konzern über den Sprachassistenten digitale Dienstleistungen wie etwa die Premiumversion von Amazon Musik vermarkten. Beim Abopreis von knapp 100 Dollar im Jahr sind die Verluste bei der Hardware damit schnell wieder ausgeglichen.

Die Börse reagierte kaum auf die neue Produktoffensive. Klar ist, dass sie in absehbarer Zeit aufgrund der Kampfpreise Verluste verursachen wird. Die Amazon-Aktie stieg leicht auf ein Prozent. Der Börsenwert bleibt mit 950 Milliarden Dollar weiterhin unter der Marke von einer Billion, die Anfang September kurzzeitig überschritten wurde. Konzernchef Bezos wird es nicht gekümmert haben. Er verfolgt den Aktienkurs nicht regelmäßig. Behauptete er jedenfalls am Donnerstag in einem Interview im US-Fernsehen: „Darauf verschwende ich keine Zeit.“

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