Herkulesaufgabe für Galaxus und Co. Wie neue Onlineshops Amazon angreifen wollen

Amazon & Zalando: Neue Onlineshops wie Galaxus haben's schwer Quelle: Digitec Galaxus

Der Schweizer Händler Digitec Galaxus versucht seit ein paar Wochen sein Glück im deutschen Onlinemarkt. Knackt er Deutschland, soll Europa folgen.

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Die Schweizer können Ruhe bewahren und zeigen. Ein kleines „Beta“ unter dem Logo des neuen Onlineshops galaxus.de verweist darauf, dass noch nicht alle virtuellen Regale eingeräumt, nicht jede Sortimentslücke gestopft ist. Im Gegenteil – es fehlt noch so gut wie alles, was nicht Elektronik ist und im Vorbild galaxus.ch für Haus, Freizeit und Garten zu bestellen ist. Ein zaghafter Auftakt, zumindest wenn man sich die Pläne der Betreiber anschaut. Denn Galaxus strebt nicht weniger an, als Amazon und der Otto Group und den zahlreichen Spezialhändlern im deutschen Onlinehandel die Stirn zu bieten.

Neu ist Galaxus mitnichten. Gegründet 2001, betreibt die Digitec Galaxus AG mit digitec.ch den erfolgreichsten Onlineshop des Alpenlandes und zusätzlich noch das Web-Kaufhaus galaxus.ch. Unter galaxus.de tritt der Shop nun in den deutschen Onlinehandel. Ihr Mitgründer hat klare Ziele. „Mittelfristig wollen wir zu den fünf größten Onlinehändlern Deutschlands zählen“, sagte Florian Teuteberg, CEO und Mitgründer der Digitec Galaxus AG zum Start des deutschen Shops, der seit November 2018 Bestellungen annimmt.

Ein ziemlich ambitioniertes Ziel. Vielleicht ist es sogar ein überambitioniertes Ziel. Denn Erfolg in dem noch immer geschützten Schweizer Markt garantiert nicht zwangsläufig einen vergleichbaren Siegeszug auf dem deutschen Markt. Das belegen die Geschichten von Webshops wie ao.de oder next.de, die in Großbritannien ihre Kunden fanden, doch im preissensiblen deutschen Markt nicht so groß wurden. Auch wenn sie davon momentan nicht ganz so weit entfernt sind wie Galaxus von den Top 5 der deutschen Onlinehändler.

Die umsatzstärksten Onlineshops in Deutschland

Unbeirrt davon will Galaxus nun von der neuen Deutschlandzentrale in Hamburg-Ottensen aus im hiesigen Onlinehandel Fuß fassen. Völlig aussichtslos ist das nicht. Hinter der Digitec Galaxus AG steckt der Schweizer Handelskonzern Migros mit rund 28 Milliarden Umsatz im vergangenen Jahr. Frank Hasselmann, ehemals Manager beim Industriekonzern Linde, soll nun als Geschäftsführer der deutschen Tochter Galaxus zum Aufschwung verhelfen. Mit seinem Team startete er den Onlineshop mit dem Sortiment des Schweizer Digitec-Shops.

Der erste Aufschlag erfolgt im Spielfeld von Media-Saturn oder Conrad Electronic und natürlich auch Amazon: Elektronik. Mobiltelefone, Tablets, Videospiele oder Software sollen zum Klick bei galaxus.de verleiten. „Unser Sortiment werden wir allerdings stetig ausbauen und wie in der Schweiz zu einem Generalisten werden, der alle Produktkategorien anbietet“, sagt Deutschlandchef Hasselmann. Verschickt werden die Waren von einem 5000 Quadratmeter großen Warenlager in Krefeld aus.

Der helfende Onlineshop

Neben den Produkten finden Kunden – und solche, die es noch werden sollen – bei Galaxus den Bereich „Magazin“.  Hier schreibt die hauseigene Redaktion Testberichte zu Produkten oder Kaufberatungen. Hinzu kommt die „Community“. Nutzer beantworten sich gegenseitig Fragen zu den Produkten auf Galaxus. Dabei geht es häufig darum, ob ein Produkt auch mit einem anderen kompatibel ist oder welche Version eines Produkts eigentlich die beste ist.  „In unserer Community werden drei von vier Fragen innerhalb von drei Stunden beantwortet“, verspricht Hasselmann.

Digitec Galaxus Quelle: Galaxus Deutschland GmbH

Dieses Konzept aus Onlineshop, Magazin und Community geht in der Schweiz wunderbar auf: Im Jahr 2017 erzielten Digitec und Galaxus dort zusammen einen Umsatz von 861 Millionen Schweizer Franken, was umgerechnet gut 760 Millionen Euro entspricht. Mit einem Umsatz in dieser Höhe hätte es für Galaxus im Jahr 2017 in Deutschland für den vierten Platz unter den umsatzstärksten deutschen Onlineshops gereicht und das ambitionierte Ziel des Unternehmens wäre erreicht gewesen. 2018 fiel der Umsatz in der Schweiz mit 876 Millionen Euro noch einmal höher aus.

Allerdings startet Galaxus trotz der Erfahrung aus der Schweiz in Deutschland nun als neuer Shop, viele Onlineshopper werden das Unternehmen aus der Schweiz gar nicht kennen. Und dann gibt es da noch einen Konkurrenten, der wie Galaxus auch ein Generalist ist und den das Schweizer Unternehmen bislang noch gar nicht richtig fürchten gelernt hat: Amazon. Die Schweiz war für Amazon aufgrund von Zollbeschränkungen und Währungsunterschieden ein schwer zu erobernder Markt, aus dem sich der Onlineriese größtenteils raushält. Denn einen eigenen Schweizer Amazon-Shop, der auf die Adresse Amazon.ch hören würde, gibt es gar nicht. Stattdessen bestellen die Schweizer Kunden bei dem deutschen, italienischen oder französischen Amazon und importieren die Waren quasi zu sich nach Hause.

Dadurch machte amazon.de – wohlgemerkt die für Deutschland vorgesehene Domain von Amazon – allein in der Schweiz 2017 einen Umsatz von knapp 383 Millionen Euro. Und nun betritt Galaxus mit Deutschland einen Markt, auf dem Amazon mit dem grundsätzlich ähnlichen Sortiment mit riesigem Abstand den Markt beherrscht.

Unschlagbarer Preis oder besondere Produkte könnten für Erfolg sorgen

Wie ein neuer Onlineshop hierzulande trotzdem Erfolg haben kann, weiß Ernst Stahl vom ibi-research-Institut an der Universität Regensburg: „Die meisten Verbraucher haben im Internet ihre Stammshops. Um einen Kunden nun vom Wechsel zu überzeugen, muss das entweder mit einem kaum schlagbaren Preis oder außergewöhnlichen Produkten geschehen“, erklärt Stahl. „Bietet ein neuer Onlineshop nichts von beidem, wird er es sehr schwer haben.“

Doch weder bietet das Sortiment von galaxus.de Besonderheiten, noch sind selbst die Tagesangebote im Preis „unschlagbar“, auch wenn Kunden dort durchaus Schnäppchen finden können. Deshalb setzt Deutschlandchef Frank Hasselmann auf einen anderen Weg: „Der Onlinehandel in Deutschland ist farbloser und transaktionaler als in der Schweiz. Onlinekunden werden oft allein gelassen und können leicht in der unüberschaubaren Produktflut untergehen“, erklärt Hasselmann. „Es fehlt die Unterstützung im Kaufprozess.“ Genau diese Lücke wolle der Deutschlandchef mit Galaxus füllen. 

Doch damit Hasselmann dazu überhaupt die Chance bekommt, muss Galaxus in Deutschland als Shop erst einmal wahrgenommen werden. Das ist dank des großen Konkurrenten Amazon gar nicht so leicht: „Aus einer unserer Studien zum Einkaufsverhalten im Internet geht hervor, dass mittlerweile die meisten Produktsuchen in Deutschland bereits direkt bei Amazon beginnen – nämlich 34 Prozent. Nicht etwa bei Google, wo sich zahlreiche Shops präsentieren können“, sagt Ernst Stahl von der Universität Regensburg. „Gerade neue Onlineshops haben es schon schwer, überhaupt gesehen zu werden.“

Galaxus kämpft dagegen zu Beginn mit Onlinemarketing auf einschlägigen Kanälen wie Google, Facebook oder Instagram. „Um breitere Maßnahmen wie TV- oder Plakatwerbung auszurollen, ist die Zeit noch nicht reif“, sagt Deutschlandchef Hasselmann

„Für Nischenshops besteht immer Bedarf“

Was Galaxus vor sich hat, lässt ein Blick erahnen auf andere ausländische Shops, als sie in Deutschland an den Start gingen. „Appliances Only“ bedeutet übersetzt „nur Haushaltsgeräte“ und ist in Deutschland besser bekannt unter seiner Webadresse „ao.de“. Seit Ende 2014 verkauft AO über den Onlineshop in Deutschland Waschmaschinen, Kühlschränke oder Gefriertruhen. Gestartet ist AO bereits 2000 in Großbritannien und hat es da mit einem Umsatz von 690 Millionen Euro unter die größten Onlinehändler der Insel geschafft.

In Deutschland ist der britische Onlinehändler nicht ganz so groß wie auf dem Heimatmarkt: 125 Millionen Euro erwirtschaftete ao.de 2017 und liegt damit auf Platz 55 der umsatzstärksten Onlinehändler in Deutschland. AO-Deutschlandchef Alpay Guener ist mit dem Geschäft hierzulande und der Entwicklung des Onlineshops dennoch „sehr zufrieden“.

„Die deutschen Kunden sind noch konservativ beim Kaufverhalten, also bei der Nutzung von digitalen Bezahlsystemen über Mobile-Apps und bei der generellen Onlineaffinität der Konsumenten“, sagt Guener. Dies spiegele sich überall auf dem deutschen Markt und damit zwangsläufig auch im Konsumverhalten wider. „Viele Dinge des täglichen Lebens werden in Großbritannien direkt mit dem Smartphone gesteuert“, sagt Guener.

Trotzdem hat AO seinen Platz im deutschen Onlinehandel durch die Spezialisierung auf Haushaltsgeräte samt Installation und Service gefunden und sich etabliert – wenn auch nicht ganz so erfolgreich wie in Großbritannien. Ganz überraschend ist das nicht: „Für Nischenshops besteht immer Bedarf, auch wenn es vermeintlich bereits genug Onlineshops gibt“, sagt Ernst Stahl. Ein gutes Beispiel aus Deutschland sei das Musikhaus Thomann. „Ein Unternehmen, das es zum weltweit umsatzstärksten Onlineshop für Musikinstrumente geschafft hat, eben weil es so spezielle Produkte verkauft, für die es besondere Expertise benötigt.“

von Henryk Hielscher, Matthias Hohensee, Silke Wettach

AO oder auch hierzulande mittlerweile etablierte Shops wie Asos oder DocMorris haben den Vorteil, dass sie bereits vor ein paar Jahren angefangen haben. „Sicherlich wäre ein Markteintritt in Deutschland zu einem frühen Zeitpunkt von Vorteil gewesen“, sagt Ernst Stahl. „Der Onlinehandel wird zunehmend gesättigter und für neue Wettbewerber wird es schwieriger. Was allerdings nicht bedeutet, dass nicht auch 2019 noch neue und erfolgreiche Shops hinzukommen können.“

Es spricht vieles gegen eine große Rolle von Galaxus in Deutschlands Onlinehandel. Doch wenn es Hasselmann und seinem Team hierzulande doch gelingt, dann stünden ihnen weitere Türen offen: „Deutschland ist nur ein erster Schritt. Unser Blick ist auf Europa gerichtet. Wenn wir hierzulande bestehen, schaffen wir es auch in vielen weiteren Ländern“, sagt Frank Hasselmann. Dann auch mit dem vollen Programm. Inklusive Erotik, Tierbedarf und Spielwaren.

Und gerade der übermächtige Konkurrent könnte Hasselmann Mut machen: Immerhin ist Amazon selbst das beste Beispiel dafür, dass ein ausländischer Shop auch hierzulande zum Marktführer mit mehreren Milliarden Euro Umsatz pro Jahr werden kann. Doch was Galaxus motivieren könnte, wird Amazon wohl kaum beunruhigen.

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