Luftfahrt in der Krise Airbus „verbrennt Geld in nie dagewesenem Tempo“

Coronavirus-Pandemie brockt Airbus fast 500 Millionen Euro Verlust ein. Quelle: AP

Die Coronakrise und Sonderabschreibungen haben den Luftfahrt- und Rüstungskonzern Airbus im ersten Quartal in die roten Zahlen gerissen. Für das laufende Jahr wagt Airbus-Chef Faury keine neue Geschäftsprognose.

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Der europäische Flugzeugbauer Airbus hat im ersten Quartal angesichts der Coronavirus-Pandemie einen Verlust von 481 Millionen Euro eingefahren. Im Vorjahr hatte das Unternehmen dagegen auch in den traditionell schwachen ersten drei Monaten noch 40 Millionen Euro Gewinn verzeichnet. Der Betriebsgewinn halbierte sich in etwa auf 281 Millionen Euro von 549 Millionen Euro 2019, wie der Konzern mitteilte. Das Unternehmen verbrannte binnen drei Monaten knapp neun Milliarden Euro.

Für das laufende Jahr wagt Airbus-Chef Guillaume Faury wegen der unklaren Dauer und Folgen der Coronapandemie weiterhin keine neue Geschäftsprognose. Das Unternehmen fährt seine Flugzeugproduktion wie bereits bekannt um rund ein Drittel zurück, weil viele Airlines ihre bestellten Maschinen erst später abnehmen wollen.

Faury stellte die Belegschaft vor einigen Tagen auf tiefgreifende Einschnitte ein. „Das Überleben von Airbus steht in Frage, wenn wir jetzt nicht handeln“, schrieb der Franzose in einem Brief an die 135.000 Mitarbeiter, der am Freitagabend versandt wurde. Airbus „verbrennt Geld in einem nie dagewesenen Tempo“.

Airbus müsse die Ausgaben rasch senken, so Faury. Nach Kurzarbeit und Zwangsurlaub in einigen Ländern müsse der Konzern möglicherweise noch weiterreichende Maßnahmen treffen. 3000 Mitarbeiter in Frankreich auf Kurzarbeit zu setzen, sei nur der Anfang gewesen. Innerhalb weniger Wochen habe Airbus etwa ein Drittel des Geschäfts verloren – „aber, ehrlich gesagt, ist das noch nicht einmal das Worst-Case-Szenario, auf das wir uns einstellen.“ Viele Fluggesellschaften kämpften ums Überleben. „Wir müssen alle Optionen in Betracht ziehen. Wenn wir jetzt nicht agieren, ist das Überleben von Airbus fraglich.“ Es müssten womöglich „viel weitreichendere Maßnahmen“ geplant werden.

Um bei einer staatlichen Rettung den Regierungseinfluss und zu hohe Kreditzinsen abzuwehren, prüft Konzernchef Spohr ein Schutzschirmverfahren. Anders als bei Condor, würde das das Ende der heutigen Lufthansa riskieren.
von Rüdiger Kiani-Kreß

Boeing-Chef: Corona wird Luftfahrt jahrelang belasten

Ähnliche Töne sind vom Konkurrenten Boeing zu vernehmen: Die Luftfahrtbranche werde nach der Coronapandemie mehrere Jahre brauchen, um sich zu erholen, hieß es jüngst beim US-Flugzeugbauer. „Wir sind in einer unvorhersehbaren und sich schnell veränderten Umgebung und es ist schwierig, einzuschätzen, wann die Situation sich stabilisieren wird“, sagte Boeing-Chef David Calhoun Aktionären per Videoschalte. Wenn es soweit sei, „wird der kommerzielle Markt kleiner und die Bedürfnisse der Kunden werden anders sein“. Auch Boeing will am Mittwoch eine Bilanz des ersten Quartals ziehen. Analysten gehen von einem Verlust von 500 Millionen US-Dollar oder 1,57 Dollar pro Aktie aus.

Bei einer Unternehmensumfrage des Münchner Ifo-Instituts meldete die Luftfahrtbranche einen Geschäftseinbruch von minus 76 Prozent. Der Air-Berlin-Insolvenzverwalter und Condor-Sachwalter Lucas Flöther erwartet eine Flut von Pleiten in der Branche. Erste Anzeichen gibt es bereits. Mehr und mehr Fluggesellschaften weltweit ergreifen Rettungsmaßnahmen – sie streichen Jobs, manche nutzen Staatshilfen oder beantragen die Insolvenzen in Eigenverwaltung. Bei Deutschlands größter Airline Lufthansa wird noch heftig diskutiert: Staatshilfen oder Schutzschirm-Insolvenz? Condor ist da schon einen Schritt weiter: Deutschland stellt dem Ferienflieger über das neue KfW-Kreditprogramm einen Hilfskredit in Höhe von insgesamt 550 Millionen Euro zur Verfügung. Die Finanzierungshilfe ist dadurch notwendig geworden, dass die polnische Airline LOT, die Condor eigentlich übernehmen wollte, selbst in Not geraten ist und Staatshilfe in Polen beantragte.

Die Liste könnte sehr lange weiter geführt werden: Auch der Luftfahrtkonzern Air France-KLM kann mit staatlichen Finanzhilfen Frankreichs und der Niederlande von neun bis elf Milliarden Euro rechnen. Zwar setzen nicht alle auf Staatshilfe, aber alle müssen auf die Einbußen reagieren: Die US-Fluggesellschaft Southwest Airlines schrieb den ersten Quartalsverlust seit Jahren mit einem Minus von 94 Millionen Dollar von Januar bis März und wird womöglich Hilfen der US-Regierung in Anspruch nehmen und bei der British-Airways-Mutter IAG sind Tausende Arbeitsplätze in Gefahr. Weitere Einschnitte nicht ausgeschlossen.

Das Ausmaß in seiner Gesamtheit ist – wie in den meisten Branchen – noch lange nicht absehbar. Die Totenstille in der Luftfahrtbranche lässt sich aber am besten an zwei Dingen erkennen: an den einsamen Flughäfen und dem sehr leeren Himmel.

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